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Re: Wie lange will man denn die Ukraine besetzen?

jfmprof schrieb am 28.02.2022 15:12:

Just2Cents schrieb am 28.02.2022 09:24:

jfmprof schrieb am 26.02.2022 13:26:

Wenn Putin vom Westen Garantien haben wollte, daß die Ukraine nicht in die NATO aufgenommen wird, so schränken diese nicht das Recht der Ukraine ein, um Aufnahme in die Staatenbündnisse zu ersuchen, denen sie beitreten möchte. Sondern es geht darum, daß sich die NATO verpflichtet, von ihrem Recht auf Ablehnung eines solchen Beitrittsgesuches Gebrauch zu machen,

Womit das Recht der Ukraine darauf frei zu entscheiden welcher politischen Gemeinschaft das Land angehören möchte praktisch ausgehebelt würde.

Das sehe ich nicht so. Wenn Frau X den Herrn Y nicht heiraten möchte, dann schränkt sie auch nicht dessen Recht ein, sich die Frau zu suchen, die er heiraten möchte und die ihn haben will.

Ich denke, das ist die falsche Analogie. Korrekt wäre: wenn Frau X und Herr Y heiraten möchte, dann sollten sie das tun - auch, wenn der Russe im Nachbarhaus etwas dagegen hat.

Klar, jeder Vergleich hinkt an irgendeiner Stelle.

Nur, wenn die Analogie so gesetzt wird, dass sie nicht zum originären Sachverhalt passt.

Es geht hier schließlich nicht um Liebe, sondern um ein Militärbündnis. Aber meiner Meinung nach wäre eine weniger aggressive Politik,

Was war denn da aggressiv - bzw. was soll aggressiv in diesem Kontext sein? Ich könnte da z. B. die Definition aus der UN-Charta anbieten, die lautet:

Völkerrechtswidrige Anwendung militärischer Gewalt oder anderer Arten von Zwang seitens eines Staates (im Weiteren: Aggressor) oder einer Koalition von Staaten gegenüber einem oder mehreren anderen Staaten

Ich könnte aus dem Stand nicht sagen, dass das Verhalten der Nato in Bezug auf die Ukraine dem an irgend einer Stelle zuwieder gelaufen wäre.

bei der für die Ukraine eine Neutralität ähnlich wie Finnland ausgehandelt wird, ethisch vertretbar gewesen und für die in der Schußlinie befindlichen NATO-Staaten (zB Deutschland) vorteilhafter gewesen.

Aus dem, was ich in den letzten knapp 10 Jahren in diesem Kontext wahrgenommen habe, kann ich nur folgern, dass eine Neutralität der ukrainischen Regierung kein hinreichendes Maß an Sicherheit gegenüber Russland zu bieten schien - was sich ja durch die aktuellen Ereignisse in schmerzhafter Deutlichkeit bestätigen würde.

Ich finde es aber auch schwer, das zu generalisieren. Denn ich nehme auch wahr, dass das Volk in der Ukraine in diesen Fragen gespalten ist - und das, soweit ich es verfolgen konnte, auch noch ziemlich genau in der Mitte.

Deshalb halte ich es auch nicht für eine gute Idee, die Ukraine jetzt so schnell wie möglich in die EU zu holen. Denn das sind Dinge, die aus meiner Sicht geklärt gehören.

Eine andere Situation hätten wir, wenn die NATO ein Verein wäre, der die Sicherheit (vor militärischen oder terroristischen Angriffen) seiner Mitglieder organisiert und jedem Land offensteht, das sich an gewisse klar formulierte Spielregeln hält. Dann kann sie in der Tat nicht einfach den Aufnahmeantrag eines Landes (sei es die Ukraine oder die Russen) ablehnen, welche diese Spielregeln einhält. Eine Bedingung ist aber offenbar, daß der Aufnahmekandidat aktuell in keinen militärische Konflikt über einen Teil seines Territoriums verwickelt sein darf. Auf die Ukraine trifft das seit 2014 nicht mehr zu, auf die Russen aber schon.

Das würde an der grundlegenden Frage imho rein gar nichts ändern. Die lautet: hat ein Land A das Recht, für ein Land B die Entscheidung zu treffen, welchen Organisationen, Gemeinschaften oder sonstigen Verbindungen Land B beitreten möchte?

Die Antowrt darauf kann meiner Meinung nach und solange man freiheitliche und völkerrechtliche Gurundsätze zur deren Basis macht, nur lauten: NEIN!

Das kann schon sein, aber die USA haben zB auch nicht die Ausdehnung des Warschauer Paktes vor ihre Haustür akzeptiert.

Ich glaube, ich verstehe nicht. Die USA haben eine gemeinsame Grenze mit Russland - und die gab es auch damals zur Zeit des Warschauer Paktes bereits. Da stellt sich doch gar nicht erst die Frage nach Akzeptanz, die Fakten waren da. Und das sind sie noch immer - die USA stehen an der russischen Haustür und andersrum.

Moskau möchte entscheiden was richtig für die Ukraine ist oder nicht.

Ich glaube eher, Moskau hat sich überlegt, was seinen Interessen dienlich ist. Wobei Moskau sich anscheinend auch als die Schutzmacht der russischsprachigen Bevölkerungsgruppe in der Ukraine sieht.

Was Moskau jedoch keineswegs das Recht gibt, in irgend einer Weise in die Souveränität der Ukraine einzugreifen.

Welches Recht hatte die USA, 2003 in die Souveränitat des Irak einzugreifen?

Aus meiner Sicht gar keins.

Aber daraus lässt sich imho kein Recht für andere ableiten, in gleicher Weise zu verfahren. Insofern stellt sich die Frage nach dem Bezug zu der aktuellen Situation.

Hinzu kommt, was nun geschieht - das scheint dem Motto "hält sich Kiew nicht daran was Moskau möchte, dann kommt Moskau eben nach Kiew" zu folgen.

Das mag sein, aber ändert das etwas daran, daß die Politik der NATO gegenüber den Russen im günstigsten Fall fragwürdig war und bei weniger wohlwollender Einschätzung sogar als aggressiv angesehen werden kann?

Was ich wahrnehme ist, dass eine Reihe von Staaten die Wahl hatte und noch immer hat, ob sie sich Russland auf der einen Seite annähern möchten oder Europa samt Nato auf der anderen.

Dass sie sich mehrheitlich nicht für Russland entscheiden ist natürlich nicht schön für Russland - aber wäre es da nicht der richtige Ansatz zu fragen, warum das so ist, bevor man die Politik von EU und Nato in Frage stellt oder weiter gehend als aggresiv bewertet?

In dem Fall hätte Moskau etwas mit der Nato zu klären, aber nicht in einen souveränen Staat einzumarschieren.

Es ging mir um die Frage, ob diese aggressive Politik gut für uns ist bzw. war (die Würfel sind ja nun gefallen).

Okay, da sind wir wieder bei der Frage die ich weiter oben stellte bezüglich dessen, was in diesem Kontext unter Aggression zu verstehen sei - da bin ich mir noch immer nicht so ganz im Klaren drüber, vielleicht könntest Du das etwas mehr verdeutlichen?

Putins Kopf wollte ich mir nicht zerbrechen.

Das kann ich allerdings gut verstehen :-)

Einmal abgesehen davon ist es fragwürdig, in einem Land, das man im Konfliktfall nicht ernsthaft verteidigen kann oder will, erst eine aggressive pro-NATO-Regierung zu installieren

Stop mal.

NIEMAND hat eine Regierung in der Ukraine INSTALLIERT. Die wurde demokratisch GEWÄHLT. Und zwar vom Volk der Ukraine, niemand anderem.

Dass es Moskau ganz und gar nicht gefällt, dass deshalb nun ein ehemaliger Komiker das Präsidentenamt dort inne hat und sich, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, mit standhafter Hartnäckigkeit weigert, nach der russischen Pfeife zu tanzen ändert daran genau gar nichts.

Klar, der Maidan-Protest war in keinster Weise irgendwie vom Ausland finanziert.

Ich habe, ehrlich gesagt, keine Ahnung, wer da was finanziert hat. Ich habe eine Zeit lang nach Belegen gesucht. Gefunden habe ich viel Gerede in alle möglichen Richtungen, aber nichts, was zweifelsfrei auf mich wirkte.

Insofern bleibt mir hier nur folgendes: rein vom Menschenverstand her fällt mir die Vorstellung, irgendwer hätte bis zu eine Million Menschen dafür bezahlt, sich auf dem Maidan gegen die Truppen der Regierung zu stellen, ganz extrem schwer.

Was mir in dieser Sache jedoch weniger gewichtig erscheint als die Legitimität der darauf folgenden Wahlen - und da sehe ich keinen Grund, sie anzuzweifeln. Weshalb ich die so entstandene Regierung als gewählt betrachte, und nicht als installiert.

und es dann im Stich zu lassen, wenn dies zu einem militärischen Konflikt führt. Es sei denn, es ist der NATO gleichgültig, wenn sie überall verbrannte Erde hinterläßt.

Die Nato verbrennt keine Erde in der Ukraine. Das tut ganz allein Moskau.

Wenigstens in Syrien haben die Nato-Staaten aber eine Menge verbrannter Erde hinterlassen.

Syrien, Assad und der IS... das war, denke ich, eine Gemengelage, die sich mit der in der Ukraine jetzt schlecht vergleichen lässt.

Sinnvoller wäre es gewesen, für die Ukraine eine Art Finnlandisierung auszuhandeln.

Ganz ehrlich: wenn ich irgendwo beitreten möchte, dann mache ich das, weil ich mit dem, dem ich da beitrete, fein bin und es zumindest aktzeptabel, oder gar gut finde. Aber ich erwarte nicht, dass man, damit ich beitrete, vorher alles so aufstellt, wie ich das gerne hätte.

Siehe oben, eine klar formulierte nachvollziehbare Liste von Aufnahmebedingungen scheint es nicht zu geben. Wenigstens wäre mir nicht klar, auf welcher Grundlage man Moskau die Aufnahme verweigern will.

Hast Du den Nordatlantikvertrag mal gelesen? Da heißt es bereits in Satz 2 der Präambel:

"Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Kulturerbe ihrer Völker, gegründet auf die Prinzipien der Demokratie, auf die Freiheit des einzelnen und die Grundsätze des Rechts, sicherzustellen."

Das habe ich in der Tat nicht, aber für den Warschauer Vertrag mußte ich das gezwungenermaßen in der DDR tun. Die Einzelheiten habe ich zwar nicht mehr in Erinnerung, aber ich kann Ihnen versichern, daß da lauter Dinge drin standen, gegen die nur ein Unmensch etwas haben konnte.

Ist eine Weile her, dass ich mich mit diesem Dokument befasst habe. Als für mich wesentlichesten Unterschied habe ich wahrgenommen, dass es sich bei diesem Vertrag (ich nehme an, wir reden von dem von 1955) um ein rein militärisches Beistandswerk handelte und sich darin kein Wort über Freiheit, Recht und dergleichen fand.

Da deckt sich der Nato-Text deutlich mehr mit den Werten, die mir wichtig sind.

Allein damit ist Russland in seinem jetzigen Zustand raus. Die Freiheit des Einzelnen endet da, wo sie mit Putins Interessen zu kollidieren beginnt. Demokratie hat Putin faktisch ausgehebelt, und die Grunsätze des Rechts basieren unter anderem auf Gewaltentrennung und unabhänigen Gerichten, die es in Russland derzeit ebenfalls nicht gibt.

Damit müßten aber, wie Sie weiter unten selber zugeben, eine ganze Reihe anderer Staaten auch raus sein.

Wir haben nicht von einer ganzen Reihe, sondern konkret der Türkei gesprochen.

Aber, wie dem auch sei, da tritt mMn. ganz allgemein eine Schwäche vieler politischer und/oder militärischer Gemeinschaften zu Tage. Es wird allenthalben recht viel Energie darauf verwendet zu definieren, wer wann wie unter welchen Voraussetzungen Mitglied werden kann. Aber nicht, unter welchen Bedingungen die Mitgliedschaft wieder zu beenden wäre.

Man kann Anstoß daran nehmen, daß die Russen Atomwaffen haben. Aber das haben mehrere NATO-Mitglieder auch. Oder das politische System ist zu autoritär, aber dann müßte man an die Türkei vergleichbare Maßstäbe anlegen.

Das ist allerdings wahr, spätestens seit Erdogan da am Werke ist entwickelt sich die Türkei in eine Richtung, die sich immer weniger mit den Nato-Grundsätzen vereinbaren lässt.

Die Türkei hatte früher oft eine Militärdiktatur, oder auch Griechenland. Spanien ist auch problematisch wegen der Eingriffe in die Pressefreiheit (Euskaldunon Egunkaria), wobei ja in diesem Zusammenhang immer wieder auch Foltervorwürfe im Raum stehen. So etwas hat für die NATO nie eine Rolle gespielt, da ging es immer um militärische und strategische Fragen. Also letztlich Freund-Feind Unterscheidung wie bei Carl Schmitt.

Natürlich gibt es überall mehr oder minder gravierende Probleme - die ideale freiheitlich-rechtsstaatliche Demokratie hat aus meiner Sicht bis heute noch kein Staat hin bekommen. Entscheidend ist daher für mich die Entwicklung, die in den einzelnen Staaten stattfindet. Und da sind Spanien und Griechenland aller Probleme zum Trotz mMn. in der richtigen Richtung unterwegs. Wohingegen sich die Türkei grade in eine ganz andere Richtung zu entwickeln scheint. Das ist, finde ich, schon ein relevanter Unterschied.

Ich möchte damit nicht die Sicherheitsbedürfnisse Russlands schmälern oder herunterspielen. Jedoch möchte ich sagen, dass diese Bedürfnisse, so berechtigt und legitim sie auch sein mögen, keinesfalls auf Kosten der Souveränität anderer Staaten wahrgenommen werden dürfen. Was im übrigen nicht nur für die Bedürfnisse Russlands gilt, sondern allgemein.

So hat die Politik aber noch nie funktioniert. Sobald es die Sicherheitsbedürfnisse anderer Länder tangierte, war es beispielsweise nicht mehr einfach eine souveräne Entscheidung des 2. deutschen Kaiserreiches, wie groß seine Marine ist.

Und zwei Weltkriege später war man bei folgendem angekommen:

"Die vertragschließenden Staaten bestätigen ihren Glauben an die Ziele und Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und mit allen Regierungen in Frieden zu leben." - Präambel Nordatlantikvertrag, Satz 1.

Das hat, wie ich finde, sogar ziemlich gut funktioniert - über 70 Jahre Frieden in ganz Europa sind absoluter Rekord, das hat es zuvor noch nie gegeben. Was so etwas möglich macht, kann meiner Meinung nach nicht ganz falsch sein.

Der unbedingte Respekt vor der Souveränität ist Ihnen dann also auf einmal nicht so wichtig.

Aus welcher meiner Äußerungen lässt sich denn dieser Schluß ableiten?

Was die schönen Worte angeht, so glaube ich, daß auch Putin darum nicht verlegen wäre. Der Warschauer Pakt war es früher jedenfalls nicht.

Das ist wohl eine völlig systemunabhänige Sache: die Fähigkeit zum schönen reden gehört offenbar einfach überall in den politischen Werkzeugkasten.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.02.2022 17:12).

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