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  • Adrian_E

mehr als 1000 Beiträge seit 27.11.2016

Soros, Antisemitismus und Israel

Die Aktivitäten von Soros würde ich als zwiespältig einschätzen. Einige der Aktivitäten von Soros zur Unterstützung von Organisationen, die für Rechtsstaatlichkeit und Demokratie eintreten, würde ich durchaus positiv sehen. Aber Soros hat auch Farbenrevolutionen unterstützt, die in vielen Fällen keineswegs zu mehr Demokratie und einer offeneren Gesellschaft führten, Länder destabilisierten und nationalistische Kräfte stärkten. Anders als im Artikel suggeriert wird, ist das keineswegs eine Verschwörungstheorie, Soros hat sich selbst stolz dazu bekannt, eine wichtige Rolle bei Umstürzen in verschiedenen Ländern gespielt zu haben (darüber hinaus gibt es wohl tatsächlich Verschwörungstheorien, die den Einfluss von Soros massiv überschätzen).

Wie weit die Kritik an Soros antisemitisch ist, ist nicht so leicht einzuschätzen. An sich wurde die Kritik an Soros in Ungarn ja nicht in Verbindung mit dem Judentum gebracht, somit ist es kaum angebracht, sie ohne weitere Diskussion als antisemitisch zu bezeichnen. Andererseits ist es durchaus plausibel, dass bei der Dämonisierung von Soros in gewissen rechtsgerichteten Kreisen Antisemitismus eine bedeutende Rolle spielt, auch wenn es nicht offen ausgesprochen wird. Wenn jemand so aktiv in gesellschaftliche Vorgänge in anderen Ländern eingreift wie Soros, muss er sicher auch hart kritisiert werden können, ohne dass das gleich als Antisemitismus verurteilt wird. Andererseits sollte man aber durchaus auch wachsam sein, ob dabei nicht doch antisemitische Codes verwendet werden. Der Titel "der wandernde Jude" für einen Artikel über Soros gehört wahrscheinlich dazu, und meines Erachtens sind bedeutende antisemitische Tendenzen unbestreitbar. Aber man sollte auch vorsichtig sein, Kritik an den Aktivitäten von Soros Ernst zu nehmen und sie nicht mit Schlagworten wie "autoritäre Linke" abtun.

Die Bemerkungen zum nicht israelbezogenen Antisemitismus sind, was Nowak betrifft, meines Erachtens ein interessantes Eingeständnis. Oft wird so getan, als ob heute fast nur noch "israelbezogener Antisemitismus" relevant sei und ein nicht gegen Israel, sondern gegen Juden gerichteter Antisemitismus in rechten Kreisen (die jetzt oft israelfreundlich sind) kaum mehr relevant sei. Dem wird hier widersprochen. Ich würde durchaus zustimmen, dass das Phänomen, dass einige Antisemiten sich gegen Israel wenden, weil das weniger verpönt ist als Judenhass, aber oft wird der Begriff "israelbezogener Antisemitismus" einfach verwendet, um (gerechtfertigte oder weniger gerechtfertigte, aber deswegen nicht unbedingt antisemitische) Kritik an der israelischen Politik und Besetzung zu delegitimieren.

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