An diesem Wort störe ich mich schon seit einer ganzen Zeit. Es ist ein Symptom, ein Vielsagendes. Diese Leute hat man immer als "Flüchtlinge" bezeichnet und ich stelle fest: "Flüchtling" ist geschlechts- und sogar queer-neutral. Es wurde nie in herabwürdigender Weise verwendet. Das Wort "Flüchtling" ist also gewissemaßen "clean".
Trotzdem hört man immer öfter das Wort "Geflüchtete", und das ohne für mich erkennbare Not. Was ist da also los? Meine Theorie:
Es gibt so etwas wie Zeitgeist, ohne daß ich eine Theorie habe, woher das kommt. Ich stelle also rein symptomatisch fest, daß es jahrzehnte lange Phasen gib, wo ein spezifischer Zeitgeist sich in den Vordergrund drängt. Und diese Phasen scheinen eine Art Pendelbewegung zu machen. Es gab also mal die Romantik, die dann vom Biedermeiertum kontrastiert wurde. Dann kam die Gründerzeit mit ihrem Militarismus und seiner Kaiser-Speichelleckerei. Dann kamen die wilden Jahre von 1900-1920, tja, und dann kam eine Phase krasser bornierter Kleingeisterei, die das Monstrum des Rassismus und Faschismus hervorgebracht hat, und zwar weltweit. Dann kam die Phase der Jugendrevolte mit seinem Drang, alles Alte einzureißen, die dann Mitte der 90er durch etwas ersetzt wurde, das ich nicht anders als Neo-Spießertum bezeichnen kann.
Der Zeitgeist, wie ich ihn seit etwa 1995 vorfinde, strebt zum Einen nach einer unglaublichen Oberflächlichkeit, zum Anderen nach der Sucht, sich selber auf Seiten der "Guten" wähnen zu müssen. Diese Mischung führt zu einem kleingeistigen Puritanismus, der sich überall selber den Heiligenschein aufsetzen will (-> z.B. Ricarda Lang). Auf der Suche nach Beweisen, daß man ein "Guter" ist, schreckt man vor keinen Mitteln zurück. Die Mordlust des Daesh führe ich auf diesen Umstand zurück. Und wenn sich alle die Augen reiben, warum die beim Daesh so akribisch Buch geführt haben über ihre Verbrechen: Kleingeister tun so was, sie sind Bürokraten. Nun, die Kleingeister in Europa suchen sich andere Vehikel, um ihre Kleingeisterei auszuleben: da steht ganz an vorderster Stelle eine Sprachpolizei, die jedem erklären will, was "man" noch sagen darf. Und hier sehe ich den Punkt: Es geht den puritanischen Kleingeistern gar nicht darum, berechtigte Redewendungen auszumerzen. Es geht ihnen um das Gefühl, ein "Guter" zu sein. Und diese Sucht trübt den Verstand. Plötzlich soll "Mohr", Indianer", "Zigeunerschnitzel" usw etwas sein, worauf man mit dem Finger zeigt. Entlarven tut sich diese Haltung in voller Gänze beim Wort "Geflüchtete". Hier tritt die Absurdität dieser Attitüde voll in Erscheinung.