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  • gun0815

296 Beiträge seit 12.10.2018

Re: Ein perfekter Systemhystœriker?

Es gab derer nicht nur einige, es ging auch schon früher los.

Ich zitiere aus: "Geheime Dienste" von Klaus Dietmar Henke (Ch Links Verlag)

Seite 215 ff.

...Als Kritik an der Berufung Globkes in das Kanzleramt laut wurde, war der gewöhnlich bestens informierte Mellenthin nicht auskunftsfähig. Er hielt in dem erwähnten Vermerk fest: "Unterlagen hier nicht vorhanden, daher hier über Schwierigkeiten nichts bekannt. Angelegenheit wurden seinerzeit zwischen Gehlen und von Lossow geregelt."
Falls Herre beim "Doktor" (Gehlen) selbst "nichts über Vergangenheit und Angriffspunkte in Erfahrung bringen" könne, bestehe die Möglichkeit "vorsichtig bei J-1851 [Rechtsanwalt Hellmuth Dix] " anzufragen.
Mit seiner Ratlosigkeit, was an Hans Globke denn nun kritikwürdig sein könnte, stand der Leiter von Gehlens innenpolitischem Aufklärungs- und Einflussapparat nicht allein da.
Critchfield war auch nicht besser informiert. Er bat deswegen um Hilfe, wie Mellenthin handschriftlich notierte: "Globke hat Schwierigkeiten, von amerikanischer Seite will man ihm helfen. Etwas über Globke zusammen zu stellen, dabei auch Angriffspunkte."

Um die "Beschaffung erschöpfender Unterlagen über Globke" kümmerte sich vor allem Hans von Lossow, "Gehlens persönlicher Abgesanter für die sensiblen politischen Verbindungen in Bonn" (Critchfield), der bereits Kontakt zu ihm gehabt hatte.
Ziel der eilig gestarteten Aktion war es, möglichst zugkräftiges Entlastungsmaterial beizubringen, was unter tatkräftiger Mithilfe des Betroffenen denn auch gut glückte. Der Pullacher Chef, der die entsprechenden Affidavits Ende Januar nach Washington weiter leitete, gab zu erkennen, wie zufrieden er mit der Arbeit der Org war. Herre konnte Mellenthin daher mitteilen: "Critchfield hat mir gegenüber zum Ausdruck gebracht, dass das von uns besorgte Material über Globke sehr wertvoll wäre und wesentlich zur Abdeckung Globkes beigetragen habe. Critchfield wäre über das gelieferte Material hinaus dankbar für einen Hinweis, wie man einen noch immer von Gegnern Globkes vorgebrachten Vorwurf gegen diesen entkräften könnte.
Bei diesem Vorwurf handelte es sich un eine angebliche Beteiligung Globkes an der Auslegung der Nürnberger Gesetze."
Die Hilfsaktion gegen den bedrängten Ministerialdirigenten lief noch einige Wochen weiter, doch Anfang April 1950 kam man in Pullach zu dem Schluss: "Weiteres zugkräftiges Material ist nicht mehr zu beschaffen."

Der Bundeskanzler hatte sich da im Bundestag bereits persönlich mit dieser Cause celebre auseinanderzusetzen gehabt. Der damalige Diplomat und SPD Abgeordnete Gerhard Lütkens fragte ihn nämlich nach dem Kommentator der Nürnberger Gesetze und danach, ob dessen Berufung in die Regierungszentrale nicht eine "einigermaßen befremdliche Entwicklung" sei.
Adenauer entgegnete, dass "die Angelegenheit des Herrn Globke von den Besatzungsbehörden auf das minutiöseste durchgeprüft" worden sei. Das traf nicht zu, doch der Kanzler setzte noch einen drauf: "Ich bin der Auffassung, dass ein Deutscher nicht noch minutiöser als die Besatzungsbehörden sein soll."
Das Festhalten Adenauers an seiner zukünftigen grauen Eminenz war selbstverstänlich mehr als nur das Beharren auf einer getroffenen Entscheidung oder die Verteidigung eines Fachmannes, dem er blind vertrauen konnte.
Der Regierungschef gab damit in einer Zeit allgemeiner Entnazifizierungmüdigkeit auch ein dankbar aufgenommenes Integrationssignal an Tausende viel weniger kompromittierte ehemalige Funktionseliten des NS Staates . Außerdem hätte der Kanzler sich die Loyalität seines derart umstrittenen Mitarbeiters nicht besser sichern können. Das provozierte selbst bei Parteifreunden manchen sarkastischen Kommentar.
Der CSU Mitbegründer Gerhard Kroll [Sonderverbindung Org Gehlen J-1835, "Roll"] sagte bei einem Besuch in Pullach, dass Adenauer Leute mit schwerem Dreck am Rock sammelt,um ihrer sicher zu sein(a la Hitler)" Man könne ihn da nur unter Druck setzen, in dem man "z.B. Presseveröffentlichungen in der US Presse" androhe; das sei das einzige Mittel, auf das er reagiere.

Die Organisation Gehlen setzte mit dem Tag der Berufung Globkes alles daran, dem neuen starken Mann im Bundeskanzleramt beim Kampf mit seiner zur Seite zu stehen und baute zu ihm ein noch engeres Verhältnis als zu dessen Mitstreiter Ritter von Lex im Innenministerium auf. -

Zitat Ende

Der Filz war also von Anfang an vorhanden und die "Persil-Maschine" lief auf Hochtouren. Wenn Geschichte wirklich von Siegern geschrieben wird, dann haben die alten Kader den Krieg gar nicht verloren. ;)

mfg

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