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  • Leser2015

492 Beiträge seit 19.11.2015

Sollte man das Selbstverteidigungsrecht vielleicht genauer definieren?

Als Nichtjurist verzeifelt man am Völkerrecht, besonders an dessen gewohnheitsrechtlichen Interpretationsspielräumen. Offenbar übernahm die NATO den »Völkerrechtsnihilismus der US-Regierung« (Norman Paech), den auch seit 2002 die Präemptionsdoktrin innerhalb der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA zeigt:

»Aus völkerrechtlicher Sicht besonders problematisch ist die amerikanische "preemptive action"-Doktrin, die in der Nationalen Sicherheitsstrategie der USA verankert ist. Darin heißt es unter anderem: "Die Vereinigten Staaten haben sich seit langem die Option auf präemptive Handlungen offengehalten, um einer hinreichenden Bedrohung unserer nationalen Sicherheit begegnen zu können. Je größer die Bedrohung, desto größer das mit Untätigkeit verbundene Risiko – und desto zwingender der Anlaß für antizipatorische Selbstverteidigung, selbst wenn Unsicherheit darüber besteht, wann und wo der Feind angreifen wird. Die Vereinigten Staaten werden gegebenenfalls präemptiv handeln, um solche feindlichen Akte unserer Gegner zu vereiteln oder ihnen vorzubeugen." [vgl. »The National Security Strategy of the United States of America«, 9/2002, S.15]
(...)
Damit nehmen die USA das Recht in Anspruch, durch militärisches Intervenieren frühzeitig Entwicklungen in anderen Staaten zu unterbinden, die in Zukunft zu einer Bedrohung werden könnten.« – Quelle: Dr. iur. Christian Schaller (SWP-Forschungsgruppe Globale Fragen, Senior Fellow), »Friedenssicherungsrecht im Kampf gegen den Terrorismus«, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Studie 03 Februar 2004 – https://www.swp-berlin.org/publikation/friedenssicherungsrecht-und-terrorbekaempfung bzw. direkter Download: https://www.swp-berlin.org/publications/products/studien/2004_S03_slr.pdf –, Seite 19.

Doch auch die russländische Militärdoktrin soll hinsichtlich der Sicherheit eigener Staatsbürger schon länger ebenso flexibel wie die der USA gehalten sein:

»Ebenfalls schon in den 1990er Jahren begann Moskau damit, die Wahrung der Rechte und Interessen russischer Bürger und Landsleute im Ausland als Anliegen des russischen Staates zunehmend in den Vordergrund zu rücken. Heute ist dieses Anliegen in den Strategiepapieren der Regierung deutlicher denn je formuliert. Dass Russland notfalls Streitkräfte einsetzt, um seine Bürger im Ausland zu verteidigen, ist fester Bestandteil der offiziellen Militärdoktrin. Als Bürger der Russischen Föderation gelten Personen, die die russische Staatsangehörigkeit besitzen.« – Quelle: Dr. iur. Christian Schaller (SWP-Forschungsgruppe Globale Fragen, Senior Fellow), »Völkerrechtliche Argumentationslinien in der russischen Außen- und Sicherheitspolitik«, Berlin: Stiftung Wissenschaft und Politik, SWP-Studie 10 Juni 2018 – https://www.swp-berlin.org/publikation/das-voelkerrechtsverstaendnis-russlands bzw. direkter Download: https://www.swp-berlin.org/publications/products/studien/2018S10_slr.pdf –, Seite 20.

Kurzum, wenn diese zitierten Informationen noch immer gültig sind, dann kann man sich über internationale bewaffnete Konflikte ohne UN-Mandat kaum wundern.

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