Die Formulierungen in diesem Artikel zeigen deutlich, wie schlimm die Lage ist. Da rührt der Autor die Trommel für eine eigentlich banale, selbstverständliche Forderung, nämlich im Fall der Suche nach einem Impfstoff gegen einen Virus, der mittelfristig Millionen Menschen töten könnte, alle Kräfte zusammenzulegen. Nicht von Ideologie getrübter Menschenverstand sollte logischerweise spontan zustimmen, dass die Forschungsgruppen kooperieren, wichtige Ergebnisse im Sinne von open science sofort an alle Interessierten weiterleiten sollten, um so schnell wie irgend möglich zu handfesten Resultaten zu gelangen. Danach die Produktion und Verteilung des Impfstoffes einer Non Profit-Organisation - ob es unbedingt eine UNO-Depandance sein muss, sei mal dahingestellt - überlassen und für speditiven und universellen Zugang ermöglicht werden.
Aber nein, das ist ganz offensichtlich nicht selbstverständlich. Der Autor hält es für nötig mit expliziten ethischen Argumenten der Kritik vorzubeugen, es handelte sich um einen unerhörten Einbruch, eine Manipulation des Marktes, ja rieche nach Planwirtschaft - der leibhaftige Gottseibeiuns.
Besonders lächerlich und absurd sind solche vorauseilenden Beschwichtigungen, wenn man sich vor Augen führt, dass die wichtigsten Zentralbanken dieser Welt den heiligen Markt manipulieren bis zum Äussersten. Nicht etwa damit, dass sie, wie es ihre Aufgabe im System ist, die Spielregeln immer wieder anpassen, also etwa Zinssätze ändern, sondern durch den massenhaften Ankauf nicht bloss staatlicher, nein privater Anleihen und Aktien. Wo die Dow-Kurse stünden, wenn nicht ein stetig wachsender Anteil z. B. der Blu Chips der FED, der EZB, der SNB, der BoJ, der BoE etc. gehören würde, weiss niemand so genau.
Die hohlen Phrasen der Marktextremisten sind so tief eingesunken, dass sie geglaubt werden, nicht anders als Religiöse an die Ge- und Verbote ihrer jeweiligen Religion glauben. Wo es noch kooperative Oasen gibt, werden sie von Hohepriestern der Ideologie als Problemzone ausgemacht und gesetzlich aufgemischt. Und sie haben auch im letzten Jahrzehnt, also nach der Zombifizierung des Kapitalismus, damit weiter erhebliche Fortschritte gemacht.
Am Beispiel Corona-Virus sieht man besonders deutlich die potentielle Fatalität der Marktideologie. Aber sie ist überall schon aus dem potentiellen ins reale Stadium übergegangen. Um im medizinischen Bereich zu bleiben - es gibt genügend Beispiele auch in anderen - denke man an die Versorgungsengpässe bei essentiellen Medikamenten, hervorgerufen durch das maximierte streamlining von Produktion und Vertrieb. Oder die Antibiotikakrise, befeuert durch hemmungslosen Antibiotikaeinsatz in der Tiermast etc., was die Resistenzenbildung beschleunigt einerseits und die Weigerung von Big Pharma weiterhin Grundlagenforschung im Hinblick auf neue antibiotische Wirkstoffe zu betreiben - wegen mässiger Profitaussichten. Und wenn ein Konzern ruchlos genug war, auszusteigen, machen es ihm die anderen nach - Konkurrenz beim shareholder value.
Dass betriebswirtschaftlich im Turbokapitalismus durchaus intensiv geplant wird, ist dann noch die andere Ironie, aber das nennt man dann anders.