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mehr als 1000 Beiträge seit 12.09.2014

CFR und IFR

Sorry, ist mal wieder ein laaaanger post geworden.

Zuerst einmal finde ich es äußerst löblich, dass Kolenda sich als einer der wenigen Autoren mal herablässt, die Fachbegriffe recht umfänglich und allgemeinverständlich zu erläutern, anstatt sich auf die Eigenrecherche des Lesers zu verlassen.

Leider blendet er aber einige Gegebenheiten bewusst oder unbewusst aus und kommt so, wenn auch inzwischen gegenüber dem herrschenden Medientenor doch schon abgeschwächten Form, zu überwiegend den altbekannten alarmistischen und fatalistischen Konklusionen.

Durch die anfängliche Beschränkung der Tests auf einen sehr spezifischen Personenkreis mit hoher Infektionswahrscheinlichkeit, also primär symptomatischen Verdachtsfällen und deren direkte Kontakte, auch noch gefiltert durch die Vorgabe, dass diese zudem ein Risikogebiet besucht haben müssen, hat man zu Beginn der Betrachtungen bereits die Kennzahlen verfälscht, indem dann die CFR nahezu identisch war mit der IFR. Man hatte ja keine Erfahrungswerte um eine Modellierung der Dunkelziffer und damit der Prävalenz durchzuführen. Welche Aussagekraft hat aber ein CFR=IFR bei einer Krankheit, die, wie sich inzwischen herausgestellt hat, bei ~80% der Infektionen symptomlos verläuft? Was bei einer hochansteckenden und zugleich stark mehrheitlich symptomatisch bis kritisch verlaufenden Infektion, wie bspw. Meningokokken, als klares Alarmzeichen gelten darf, stellt bei einer so hohen Asymptomatischen-Quote eben kein solches dar, solange die Prävelenz (oder hier eigentlich besser die Inzidenz) nicht bestimmbar ist.
Anders formuliert: Solange ich für meine Betrachtungen nur die behandlungspflichtigen Verläufe herauspicke und daraus die Gesamtheit aller Infizierten definiere, also den Anteil der Asymptomatischen völlig ausblende, kann ich bei einem Toten auf 10 allesamt hospitalisierungspflichtige Erkrankte auch eine CFR von 10 konstruieren und eine IFR von ebenfalls 10, weil die Gesamtheit der Infizierten behandlungspflichtig symptomatisch ist. Teste ich dann weiter und stelle fest, dass es 100 Infizierte gibt, von denen aber 90 völlig symptomfrei sind, so habe ich weiterhin eine CFR von 10 aber eine IFR von 1. Wenn ich denn eben nicht alleine das Vorhandensein des Erregers (PCR+) zur Falldefinition mache und damit definiere "infiziert=krank", wie von Medien und Foren-Alarmisten so gerne verkündet...
Was im Rauschen untergeht ist dabei die Hospitalisierungsrate (oder noch besser die Quote der behandlungspflichtigen symptomatischen Verläufe). Diese beträgt aber im Bezug alleine schon auf die Gesamtheit der Infizierten nur ~20%. Und auf diese ist dann eine CFR zu beziehen von 5%.
Also sollte doch eigentlich folgende Betrachtungskaskade angewendet werden:
Rate der Infizierten an der Gesamtbevölkerung; Rate der symptomatischen Verläufe an der Gesamtheit aller Infizierten; Rate der behandlungspflichtigen (und separat der hospitalisierungspflichtigen, evtl. sogar nochmal gefiltert nach ICU) Verläufe; Sterblichkeitsrate der Behandlungs- bzw. Hospitalisierungspflichtigen (, ICU).
Stattdessen werden aber lieber fortwährend kummulierte Infizierten- und Sterbezahlen durch die Medien posaunt... Na ja, inzwischen erwähnt man wenigstens mal die Genesenen...

So gab es dann eben auch höchst abweichende und z.T. widersprüchliche Prognosen, von denen medial und politisch dann die fatalistischsten herausgepickt wurden um auf deren Basis Entscheidungen zu fällen. Kann man gerade in Hinblick auf eine noch nicht klar abschätzbare Gefahr natürlich machen, sollte es sogar, nur muss dann, wenn validere Daten vorliegen auch die Prognose korrigiert und die darauf basierende Entscheidung hinterfragt und angepasst werden. Nun haben wir zwar bis heute noch keine repräsentative Studie (trotz der großangekündigten Reihentestung in München, deren Ergebnisse bisher nicht mal als pre-print veröffentlicht sind), dafür aber einiges an evidenten Erfahrungswerten, welche die zuvor angenommene Gefahr eher verblassen lassen.

In keinem wirklichen Verhältnis dazu stehen dann jedoch die "vorsichtigen" Rücknahmen von Einschränkungen, da diese fast immer politischem Zeitgeist geschuldet sind, anstatt auf eben den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu fußen, welche die Basis ihrer Verhängung darstellten. Vielmehr wird man nicht müde bar jeden wissenschaftlichen Belegs die unbedingte Wirksamkeit der getroffenen Maßnahmen zu betonen, auch wenn inzwischen immer klarer wird, dass der postulierte Einfluß eher gering gewesen sein dürfte und dafür an anderer Stelle notwendiger Schutz völlig unterblieb.
Deutlich ersichtlich wird dies, wenn in einigen Bundesländern oder auch nur Landkreisen jetzt Beschränkungen fallen, die tatsächlich sogar einen anzunehmenden Effekt auf das Pandemiegeschehen nehmen könnten, während andere, die aller Empirie und Erfahrung nach reine Gewissenskosmetik darstellen, weiter aufrecht erhalten werden. Dies reicht von wieder erlaubten Gruppenveranstaltungen vs. Einschränkung der sich treffenden Haushalte bis zu wiedereröffneten Thermen während in Sportstudios das Duschen (und z.T. sogar Umkleiden) verboten bleibt. Oder wenn, wie heute auf der Arbeit selbst erlebt, zwar das Großraumbüro neun Stunden auf engstem Raum ohne Masken und ohne Schutzscheiben aufeinanderhockt, aber der Aufzug zu den Räumlichkeiten, der nur von den Mitarbeitern dieses Büros genutzt wird, nur noch einzeln benutzt werden darf, bzw. von maximal zwei Kollegen, die dann aber dafür extra Maske aufsetzen und zwei Meter Abstand wahren müssen, während den Rest des Tages eher 50cm üblich sind.

Was mir bisher in der ganzen Diskussion völlig fehlt sind konkrete Aussagen zur Kontagiosität des Virus. Da wird aber immer noch über Übertragungswege gestritten... und völlig unklar ist weiterhin, ob nun 15min näherer Kontakt im Abstand von wahlweise 1, 1,5 oder 2m, mehrstündige kollektiv geatmete Aerosolwolke in geschlossenen Räumen oder gar Schmierinfektionen bis zu 9 oder sogar 27 Tagen in Frage kommen.
Es gibt dazu sehr viele unterschiedliche, widersprüchliche und oftmals einzig panik- und ekelbehaftete Aussagen, aber eben wenig tatsächliche wissenschaftliche Erkenntnis, auch wenn z.B. Streek in Heinsberg keine ansteckungsfähigen Viren auf Oberflächen nachweisen konnte...
Dafür müssen (nicht nur in den USA, wo an einigen Stellen sogar Handschuhpflicht an öffentlichen Orten eingeführt wurde) sämtliche Räumlichkeiten, in denen sich zuvor jemals ein corona-positiv Getesteter aufgehalten hat, mit schwerster chemischer Keule grunddesinfiziert werden und Hotelzimmer erhalten eine 7tägige Wiederbelegungssperre... Einkaufswagengriffe sind plötzlich Virenherde und müssen nach jedem Nutzer chemisch desinfiziert werden, zusätzlich "Hygienehaken" verwendet werden und selbst vor Ämtern, der Arztpraxis oder manchen Supermärkten werden einem inzwischen die Flossen mit Desinfektionsmittel (meist ausschließlich zur Flächendesinfektion zugelassen oder auch gar nicht viruzid) besprüht.
Da frage ich mich manchmal, ob wir es mit einem luftübertragenen Atemwegsvirus zu tun haben oder mit einer E.coli-Epidemie... und schon werden Listen veröffentlich mit Tönnies-Produkten, weil ja das Corona-Virus im Fleisch sitzt und einen aus der Bratpfanne sofort anfallen könnte. Ekelfaktor zieht halt...

Aber wie hoch ist eigentlich die nötige Virendosis für eine "erfolgreiche" Infektion? Reicht anhauchen, muss es kurzes Anhusten sein, oder ist man schon nach mehrminütigem Aufenthalt im selben Raum mit einem Infizierten dem Tode geweiht? Sollten es nicht lieber 100m statt 2m sein? Oder besser gleich die mobile Isolationszelle mit eigener Sauerstoffversorgung? (Gab doch mal diese Folienkugeln, in denen wohl Allergiker komplett abgeschirmt wurden...)
Bisher keine Antwort gefunden... und so kann hier schön weiter die Panik geschoben werden, dass bereits ein einzelnes Exemplar von SARS-CoV19 ausreicht um am nächsten Tag auf der Intensivstation zu landen...
Alles andere könnte ja auch die gewünschte Panik und die wunderbare volksbeherrschende Angst kaputtmachen und evtl. die bösen VT-Nazis statt der "guten" BLM-Aktivisten wieder auf die Straße bringen, wenn immer mehr sich veräppelt fühlen.

Dass bei der Influenza IFR und CFR nur äußerst grobe Schätzungen sind, betont Kolenda zwar auch, scheut dann aber dennoch nicht den Vergleich mit Covid-19, dass aber gleichzeitig so "neu" ist, dass man auch hier kaum empirisches Datenmaterial in Hinblick auf die oben erwähnten Grundfaktoren hat, bzw. nach wie vor versäumt, solches zu schaffen, zumeist wohl aus politischer Motivation heraus.

Dabei sollte man auch im Blick haben, dass alleine schon die Testung auf Influenza-Viren, und wenn, dann meist auch nur als Antikörper-Schnelltest, in der hausärztlichen Praxis als erste Anlaufstelle eher die Ausnahme ist, auch während der Grippesaison, und eigentlich nur vorgenommen wird, wenn der zuvor meist diagnostizierte grippale Infekt nicht abklingt oder plötzliches hohes Fieber hinzutritt. PCR findet hingegen zumeist nur in der stationären Behandlung statt, wo dann aber auch der Verdacht angesichts der Symptomatik schon deutlicher ist und die Häufigkeit kritischer und letaler Verläufe erwartbar höher.
Insgesamt ist also die Testdichte und Testhäufigkeit zwischen Influenza und Covid-19 nicht mal ansatzweise vergleichbar. Zudem bedient man sich dann auch noch bei der Influenza des Tricks der statistischen Übersterblichkeit ohne hier auch mal grundlegend etwas in Hinblick auf Datenerhebung ändern zu wollen. Es wäre doch eigentlich ein leichtes, zumindest den Influenza-Antikörpertest bei jedem schwer erkälteten und spätestens bei jedem zusätzlich fiebernden Patienten standardmäßig während der Grippesaison durchzuführen. Selbst eine Reihentestung bei Symptomlosen, z.B. im Rahmen von ohnehin stattfinden Kontrolluntersuchungen (v.a. bei Risikogruppen) wäre durchaus umsetzbar und würde neben dem wissenschaftlich-statistischen Erkenntnisgewinn auch eine höhere Sicherheit für die Patienten bedeuten. Vielleicht bin ich aber auch als HIV-positiver durch meine Quartalslabore etwas verwöhnt von unserem auf's Sparen getrimmten Gesundheitssystem...

Worauf ich jetzt, um den Post nicht völlig ausufern zu lassen, nicht näher eingehen will, ist auch die Bedeutung der Komorbidität in Hinblick auf Influenza-Todesfälle, gerade in der gerontologischen Versorgung. Diese spielt ja bei der Corona-Diskussion eine bedeutende Rolle, während man sie bei der Betrachtung der Influenza-Übersterblichkeit gerne ausblendet. Dabei kann nahezu jedes Seniorenheim ein leidvolles Lied davon singen, wenn mit der jährlichen Grippewelle die Alten wegsterben... Aber vor dem bösen neuen Virus müssen wir sie jetzt alle retten, weil, da gilt ja die Ausrede nicht, dass jedes Schnupfenvirus, manchmal schon ein einfacher Hautkeim, das Ende bedeuten kann, wenn er das Fass der Krankheiten zum Überlaufen bringt, die geschwächte Abwehr überrennt und nur noch das kleine Sandkorn war, das das stotternde Getriebe gänzlich lahmlegte.
(Mein Vater ist vor einem Jahr an einer Torsade-de-pointes-Tachykardie infolge einer Endokarditis, ausgehend von einem infizierten Dialyse-Shunt, verstorben. Neben völlig kaputter Nieren als Diabetes-Folge, bestehender Herzmuskelinsuffizienz, 13 relativ glimpflich verlaufenen Schlaganfällen, 6 überstandenen Herzinfarkten, Demenz v.a. infolge von Deprivation nach Hörverlust und zunehmender Erblindung nebst Polyneuropathien bis hin zu Strikturen, mehreren vorhergehenden Lungenentzündungen, schwerer Schädigung der Harnröhre durch Kathetherisierungsfehler und davon ausgehenden chronifizierenden Harnwegsinfekten, war dies dann eben jener letzte Aspekt der noch fehlte, die Maschine Mensch zum finalen Stillstand zu bringen. Es hätte auch Influenza oder jetzt Covid-19 sein können. Wir sahen es dann eher als Erlösung an...)

Letztlich ist die Influenza wohl eine der am wenigsten statistisch konkret untersuchten, dafür aber umso mehr geschätzten, Infektionskrankheiten, trotz jährlicher Impfstoffanpassung auf Grundlage der eigentlich tatsächlich nur spärlichen Daten. Und so kommt es eben auch gerne mal zu einer Fehlentscheidung hinsichtlich des zu erwartenden nächsten Stammes, wenn im Vorjahr die Gruppe der Getesteten halt etwas "selektiver" ausfiel...
Aber leider kennen viele nicht mal den Unterschied zwischen Virusgrippe und grippalem Infekt, haben aber eine sehr rigide Meinung hinsichtlich der Gefährlichkeit von Covid-19, weshalb gefälligst die gesamte Bevölkerung am besten für mindestens drei Jahre komplett voneinander isoliert und quarantänisiert gehört und jeder interniert oder besser gleich standrechtlich erschossen, der dagegen aufmuckt. Schließlich wollen sie möglichst ewig leben und das am liebsten in einer völlig sterilen, viren- und mikrobenfreien, ja gänzlich risikofreien Umwelt und ohne lästige potenzielle Viren- und Bazillenschleudern aka "Mitmenschen"...

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (23.06.2020 01:38).

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