Ansicht umschalten
Avatar von Bernd Paysan
  • Bernd Paysan

mehr als 1000 Beiträge seit 11.01.2000

Immer die gleichen Fehler

Bei der Fallsterblichkeit von Grippe mit 0,1% sind auch nur die Fälle gegen die Toten gerechnet, nicht die Infektionen gegen die Toten (übrigens die Fälle gegen Tote+Dunkelziffer, denn die confirmed CFR ist größenordnungsmäßig bei 0,01%). Die Infektionszahlen bei Grippe werden aber gar nicht erhoben. Das beste, was wir haben, sind Arztbesuche. Grippe verläuft aber auch in wohl 80% aller Fällen asymptomatisch, also, äh, vielleicht schon mit Symptomen, aber nicht mit deutlichen Grippe-Symptomen, mit denen man zum Arzt rennt. Und als ich letztes Mal eine Grippe hatte (2013, vermutlich H1N1, war relativ harmlos, aber gefolgt von drei Monaten erhöhter Müdigkeit), bin ich auch nicht zum Arzt gerannt, denn ich brauchte keinen gelben Zettel. Und was anderes kann der Arzt bei Grippe auch nicht machen.

D.h. wir müssen die 0,01% (!) cCFR der Grippe mit dem 5,6% aus Wuhan, oder irgendwo zwischen 5 und 10% in westlichen Staaten vergleichen. Das ist die cCFR, Äpfel mit Äpfel. Wo die IFR liegt, kann man nur schätzen, um dann Birnen mit Birnen zu vergleichen. Den es fehlt ein großer Teil der Fälle (ca. 80% sind eben zu mild für Arztbesuche) und es fehlt ein großer Teil der Toten, und wie genau sich das aufhebt, ist übrigens schon unter Annahme, dass die Übersterblichkeit im Winter allein auf die Grippe zurückgeht, und das wage ich zu bezweifeln. Auch humane Coronaviren können all das machen, was COVID19 macht, also Lungenentzündung, Endothelentzündung mit Herzinfarkt und Schlaganfall, Enzephalitis und so weiter — und die infektionsabhängigen Herzinfarkte und Schlaganfälle machen ca. 30% dieser Todesursachen aus (die anderen 70% sind nicht erkennbar mit einer unmittelbar vorangehenden Infektion korreliert). Aber einfach die saisonale Übersterblichkeit der Grippe allein aufzubürden ist unredlich. Auch ein Schnupfen kann töten. Das muss nicht sehr oft sein, um statistisch relevant zu werden, denn wir haben viel öfter Schnupfen als Grippe.

Die bekannte IFR von SARS-CoV-2 liegt auch nicht bei 0,5-1%, sondern bei 2%. Spanien hat eine schöne, saubere Studie gemacht, bei der sie repräsentativ 60000 Leute von Murcia bis Madrid mit einem richtig guten Test auf Antikörper getestet haben. Ergebnis: 5,5% aller Spanier Antikörper-positiv. Aus den Ergebnissen in Murcia (1,5% zu 13% in Madrid) kann man sehen, dass es wohl ~0,5% Grundrauschen gab, weil in Murcia ja wohl eher weniger los war als nur 1/10 von Madrid. Das ist ein vernachlässigbarer Fehler, ob es 0,5%, 1% oder 0,2% waren (offizielle Fehlerrate beim Roche-Test) ist jetzt wirklich egal, ändert am Gesamtergebnis nicht so viel. Bei der Todesrate muss man die Dunkelziffer ebenfalls einfließen lassen, also eben die 45000 Übersterblichkeit in Spanien nehmen, und nicht nur die knapp 30000 offiziellen Toten. Wenn du Dunkelziffern bei den Infizierten nimmst, musst du auch Dunkelziffern bei den Toten berücksichtigen. Alles andere ist unredlich, und zeigt den cognitiven Bias.

D.h. wir sind bei 2% IFR, ziemlich solide. Die Vermutung, dass das durch den Zusammenbruch des Gesundheitssystems in Spanien so viel war, ist weitgehend widerlegt: Die Intensivstationen sind jetzt nicht so der große Retter. Auch da hilft das Einschließen von Murcia in die Untersuchung, in Murcia ist nichts zusammengebrochen. Die cCFR-Sterblichkeit in Murcia ist aber mit Madrid vergleichbar. Vielleicht kann man zusammen mit den aktuell verfügbaren Medikamenten (Cortison) und Beatmung aller die Sterblichkeit auf die Nähe von 1% drücken, aber gerade bei den älteren Leuten, die in Spanien ohne Versorgung gestorben sind, glaube ich, dass die Triage völlig korrekt war: Die hätten nur Kapazität gebunden, ohne dass man ihnen helfen hätte können. Eine Triage gibt eher 10% der Fälle auf als 50%, sie entlastet das Gesundheitssystem wesentlich stärker als sie die Patienten belastet. Deshalb macht man sie ja.

Was aber bei dieser Betrachtung völlig ignoriert wird, sind die Langzeitfolgen. SARS-1 hatte in (je nach Studie) bis zu 40% der Fälle permanente schwere psychische Beeinträchtigungen, typisch ME/CFS (chronische Müdigkeit). Da das eine Langzeitfolge ist, und man 6 Monate braucht, bis man das sicher diagnostizieren kann, wissen wir darüber Stand Juni halt noch wenig, außer der anekdotischen Evidenz, dass es Leute gibt, die das wohl haben. Wie viele? Dauerhaft? Mehr Forschung nötig!

Leute die an ME/CFS leiden, sind nicht arbeitsfähig. Du bist dann nicht tot, aber auch nicht gesund. D.h. die Abbildung „genesen“ ist dann halt nicht korrekt. Du hast nur kein akutes respiratorisches Syndrom mehr, aber gesund bist du dann keineswegs.

Man kann dieses Virus erfolgreich eindämmen. Es ist günstiger, als es nicht einzudämmen. Man muss es aber wollen, und es reicht nicht, auf Freiwilligkeit zu setzen, weil der Bodensatz Doofer ausreicht, um R>1 zu halten. Wir sehen derzeit sehr deutlich, dass gerade die Länder besonders hart getroffen sind, bei denen der Politik dieser Wille fehlt. Es ist teurer, zu spät einzudämmen, und es ist auch teurer, zu früh zu lockern, dann eine zweite Welle zu bekommen, und dann zumindest den freiwilligen Lockdown der nicht-ganz-doofen sehr stark zu verlängern. Es ist viel teurer, wenn die Doofen das Virus am Leben erhalten, weil dann keine Rückkehr zur Normalität möglich ist (und ja, auch nicht mit Impfung, denn solange die Doofen sich nicht impfen lassen, sorgen sie dann dafür, dass das Virus oft genug mutiert, um die Impfung wieder wirkungslos zu machen).

Es ist schon interessant, dass ausgerechnet westliche Länder stark betroffen sind. 3/4 der Toten sind bislang Bewohner mehr oder weniger schlimm regierter Dummokratien, je schlimmer die Dummokratie, desto mehr. Italien und Frankreich, die praktisch gleichzeitig die ersten Fälle hatten wie Wuhan, haben halt nicht gemerkt, was da lief. Aufgrund der Abhängigkeit von Superspreader-Ereignissen war es wohl reiner Zufall, dass der Fischmarkt in Wuhan das erste solche Ereignis war.

Leute, wenn ihr das Ende der Demokratie wirklich wollt, und ein chinesisches System weltweit, dann setzt jetzt auf Verharmlosung und Verkacken bei dieser Pandemie-Bekämpfung. Es wird dann der Sargnagel der Demokratie.

Bewerten
- +
Ansicht umschalten