1. "Zur Unsicherheit kommt hinzu, dass die PCR-Tests offenbar auch viele falsch positive Ergebnisse liefern. Sie könnten nach einer Studie, die Tests in China untersuchte, die Hälfte oder mehr als bestätigt Infizierten falsch identifizieren, umgekehrt wäre es dann vielleicht möglich, dass es auch falsch negative Ergebnisse gibt."
Zunächst mal: Der Artikel ist in chinesisch und Rötzer hat die Zahlen vermutlich sekundär herangezogen oder aus dem Abstract. Allein auf Basis des Abstracts Zahlen zu verwenden ist nicht verlässlich, die Autoren modellieren irgendwas, aber das ist nicht nachvollziehbar. Bezieht man ein, dass es in China als eines der wenigen Länder große Geldprämien gibt für internationale Publikationen, wäre ich bei einer solchen Quelle generell vorsichtig. Aber nehmen wir an, die Zahlen stimmen, dann sagt der Artikel: "the false-positive rate of positive results was 80.33%", d.h. die meisten sind gar nicht krank - dann würde entsprechend die Mortalität explodieren.
Allerdings, es gibt ja auch andere Vergleiche: https://pubs.rsna.org/doi/10.1148/radiol.2020200642
Und da sieht die Kongruenz zwischen der PCR und CT zum Beispiel sehr gut aus. Eine Beurteilung der Lage sollte immer alle Zahlen einbeziehen, das kann Rötzer ggf. nicht, aber einzelne Zahlen rauszugreifen ist nicht verlässlich.
2. "Durch die scharfen Maßnahmen in Wuhan sei die Mortalität von anfänglich 5,2 Prozent auf 0,58 Prozent gesenkt worden."
Nein, das ist grob falsch! Es geht um die basic reproduction rate in dem Artikel - ist ja verlinkt - das heißt die Ansteckung, und die wurde durch die Maßnahmen drastisch gesenkt!
Die Studie ist übrigens noch nicht peer-reviewed.
"Es herrscht Konfusion international über die Statistiken."
Ja, genau - vor allem in Rötzers Artikel. Die eine Quelle die er berichtet, geht davon aus, dass z.B. die Hälfte der positiv Getesteten gar kein SARS CoVid-19 hatten, die andere Quelle modelliert mit einem bayesianischen Modell, dass 1905526 infiziert waren, was einen Faktor 100 über den klinischen Fällen ist "total number of laboratory–confirmed cases during our study period is 19559".
Also, was soll der Leser, der keinen Zugang zur Fachliteratur hat, denn jetzt hier mitnehmen und schlussfolgern?
Gibt viel mehr Infizierte und Mortalität ist niedriger - aber die positiv Getesteten haben eigentlich kein SARS CoVid-19 usw.
Journalismus sollte Dinge aufbereiten und eine Meinung vertreten, einfach wild Studien berichten, die zum Teil nicht verstanden sind und die einander widersprechen, hilft in einer solchen Situation wie der aktuellen wenig.
EDIT: Nirgendwo wird übrigens ein Vergleich zur Influenza gezogen. Es wäre auch wieder grob falsch in Bezug auf die Mortalität, denn die bezieht sich bei der Influenza auch auf die Anzahl der Fälle in Behandlung (CFR im Artikel https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2020.02.12.20022434v2.full.pdf) - und die liegt bei SARS CoVid-19 je nach Herangehensweise zwischen 4 und 12% in Rötzers Quelle!
EDIT2: Es gibt die IFR und die CFR - Infection and Case fatality Rate. Die Grippe und SARS CoVid-19 sind mit CFR angegeben - in Rötzers Quelle mit 4.2-12.3% je nach Zeitbezug. Für SARS CoVid-19 die IFR zu nehmen und Influenza die CFR ist einfach nur dumm - und das macht übrigens in den wissenschaftlichen Quellen von Rötzer auch niemand, nur hat er sich damit eben nicht beschäftigt, wie leider auch hier die meisten nicht.
Um es einfacher zu sagen: CFR SARS CoVid Faktor 40 höher als Influenza CFR. Will man IFR mit IFR vergleichen - wie z.B. hier: https://institutefordiseasemodeling.github.io/nCoV-public/analyses/first_adjusted_mortality_estimates_and_risk_assessment/2019-nCoV-preliminary_age_and_time_adjusted_mortality_rates_and_pandemic_risk_assessment.html dann liegt die Mortalität ungefähr bei 50% der spanischen Grippe und ist höher als die der letzten dramatischen Grippe in 1957.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.03.2020 10:07).