Der Ukraine-Krieg ist jetzt an einem für die ganze Welt gefährlichen Punkt angekommen. Es besteht die reale Gefahr, dass Putin versucht, sein Ende mit der Wahnsinnstat des Einsatzes von Atomwaffen abzuwenden. Wer diese Gefahr nicht sieht, ist kein Realist.
Gibt es auch nur eine ernstzunehmende Figur, die die Gefahr nicht sieht? Die Unterschiede liegen doch alle in der Bewertung der Sachlage. Die Gefahr ist letztlich eher klein, weil u.a. China ein veritables Interesse daran hat, dass dieser Krieg konventionell bleibt und das so auch unverblümt artikuliert (vulgo: fordert).
Denn wenn in diesem Krieg Russland auch nur taktische Vorteile durch Atomwaffen erzielt, werden ein gutes Dutzend latenter Atommächte in Chinas Nachbarschaft binnen Monaten zum Status einer offenen Atommacht aufrüsten. China hat dann nicht nur das Problem mit dem Raketenmann, sondern plötzlich eine absolut instabile Lage an seinen Grenzen, welche ggf. nicht einmal eine Interaktion Chinas erfordert, um darin zu münden, dass einzelne Spieler ihre Arsenale als Abschiedsgruß auf China abzuladen. Nein, China weiss nur zu gut, dass eine Ordnung eine Hierarchie und Regeln erfordert. China sieht sich in dem Selbstbild als Führungsmacht in Asien. Diese Rolle, wenngleich mit Argwohn gesehen, wird von den anderen nicht angerührt. Sehr wohl aber, verfügen Länder wie Süd-Korea über relevante konventionelle Armeen um sich ggf. eines Angriffs zu erwehren. Eben diese stillschweigende Übereinkunft würde durch einen russischen Atomschlag pulverisiert.
Ein zweiter Punkt ist schlicht eine Maximal-Sanktion aller Länder die in dem Fall Russland nicht mit Maximal-Sanktionen belegen. Weder China noch Indien können sich diesen Fall leisten. In China wären hunderte Millionen Hungertote die unmittelbare Konsequenz. Indien würde ebenso ins Chaos gestürzt und könnte sich langfristig China und Pakistan nicht erwehren. Beide haben aber Besseres zu tun, als sich den Aufstieg zur Weltmacht von einem abgehalfterten Imperium verbauen zu lassen. China weiss sehr genau wem sie ihren Aufstieg zu verdanken haben. Es waren nicht die Russen.
In der Gesamtschau wird Russland wissen, dass in dem Fall eine gesalzene Antwort aus Beijing kommt. Russland weiss aber auch, dass die angezogene Handbremse bei den Waffenlieferungen an die Ukraine gelöst werden wird. Die Raketen die am Tag-X+1 die Krimbrücke zerstören werden, werden aus Uzhgorod angeflogen kommen. Die starten einen Kilometer hinter der Grenze und Russland wird dem zusehen. Müssen. Russland wird die Zerstörung strategischer Ziele tausend Kilometer im Inland erleben und hinnehmen. Russland wird die Versorgung seiner Truppen über wenigstens diese 1000km organisieren.
Das gibt zwar entsprechendes Gefasel von roten Linien, aber die Sanktion auf die rote Linie ist bereits ausgeschöpft. So what?
Nein, Russland wird das ganz sicher nicht versuchen um im Ergebnis einen läppischen Quadratkilometer zu verwüsten. Das lohnt sich schlicht nicht. So ein Problem löst man in Russland traditionell mit einem Zerg-Rush. Es gibt in Russland einen menschenverachtenden Spruch über die Gebährfähigkeit russischer Mütter. Das ist der Ansatz. Der Quadratkilometer wird auch nicht das Problem Russlands mit dem Krieg lösen. Russland müsste schon entlang einer Frontlinie von >1000km hunderte taktische Atomwaffen zünden um ein relevantes Ergebnis zu erzielen. Wer daran auch nur denkt, hat offenkundig nie auf eine Karte geguckt und nicht verstanden was Russland als sein Heartland definiert. Nein, den Fall wird die Russische Armee zu verhindern wissen.
Wenn in das Kabinett der strategischen Atomwaffen gegriffen wird, dann gute Nacht. Geographie-Nerds wissen, dass Russland die nördlichst gelegene Atommacht ist. Entsprechend geht das Russische Interesse an einem Krieg mit strategischen Atomwaffen auf dieser Welt, z.B. zwischen Indien und Pakistan, gegen Null. Bei der Aussicht würden die sogar einen Volltreffer auf den Kreml im Megatonnen-Bereich hinnehmen, weil denen schlicht nichts anderes übrig bleibt; Jedenfalls wenn etwas von Russland übrig bleiben soll.
Nein, der Krieg in der Ukraine wird ein konventioneller Krieg bleiben und angesichts der sich auftürmenden russischen Verluste auch in absehbarer Zeit enden. Der Krieg begann mit einer desaströsen Fehleinschätzung des Gegners, aber er wird nicht mit einer solchen enden.