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  • Ice Tea

217 Beiträge seit 10.07.2020

Noch'n Thriller

Er (Burgis) entlarvt ein globales Netzwerk, das stets im Geheimen agiert, in das auch die vermeintlich unbestechlichen westlichen Regierungen verstrickt sind. Vom Kreml bis nach Peking, von Harare bis Riad und von Paris bis zum Weißen Haus – ein Reality-Thriller, der einem der Atem verschlägt.

Der "Reality-Thriller" scheint nur sehr wenig Interesse an dem ganz offensichtlichen "globalen Netzwerk" zu haben, das sich Welthandel nennt, und in seiner gar nicht so geheimen Normalität täglich in den Zeitungen thematisiert wird.
Wie vielen anderen Autoren auf dem "investigativen" Büchermarkt ist ihm das Aufdecken übler und vor allem "geheimer Machenschaften" so wichtig, dass die normale Brutalität des anerkannten kapitalistischen Geschäftsgangs samt seiner politischen Betreuung nur noch für die Rolle des "Opfers" vorgesehen ist.
Es gibt in dieser Vorstellung also eigentlich zwei globale Netzwerke. Einen unanständigen, korrupten und geheimen Kapitalismus, der "auch" den anderen, anständigen, demokratischen Kapitalismus in seine Machenschaften "verstrickt". Den "westlichen Regierungen" attestiert er daher zwar eine grundsätzliche "Unbestechlichkeit", aber eben nur eine "vermeintliche".

Auch die bekannten (westlichen) Finanzmärkte werden so dargestellt, als ob sie mit ihren "Finanzdiensten" für Unternehmen und weltweite Geschäftspartner in Steueroasen ansonsten nur saubere Geschäfte abwickeln (würden). Höchste Geheimhaltung versteht sich da von selbst, wenn renommierte Unternehmen oder die Kirchen ihren Zaster dort unterbringen. Wenn die westlichen Finanzplätze aber "autoritäre Kleptokraten" ebenso bedienen, lassen sie sich nach Burgis Ansicht auf schlechte Weise instrumentalisieren. Von den "Falschen" eben, aber zum Glück lassen die sich ja mit dem Kunstbegriff "Kleptopia" von den guten westlichen Anlegern und Geschäftsleuten abgrenzen:

Kleptopia ist der Bereich, in dem die Korruption regiert. Es erstreckt sich von mächtigen autoritären Kleptokratien in Moskau, Peking, Riad, Caracas und so weiter bis in die Finanzzentren, die die Kleptokratie globalisieren, vor allem die City of London und die Wall Street, über die Knotenpunkte der Geheimhaltungsindustrie an Orten wie den Cayman Islands und der Schweiz.

Um die Unterscheidung von gutem Welt-Kapitalismus und schlechten äußeren Einflüssen auf ihn noch deutlicher zu machen wird sogar die erfolgreiche Eingemeindung der sozialistischen Staaten nun in Frage gestellt, weil er wie selbstverständlich als eine Art "westlicher Besitzstand" gesehen wird. Über die reichlich bekannten krummen Touren im westlichen Finanzwesen wird da großzügig hinweg gesehen, das Übel lässt sich eindeutig bei anderen lokalisieren, und es "sickert" in "unsere" Weltwirtschaft ein.

Die Kleptokratie sickert schon seit Jahrzehnten in den globalisierten Kapitalismus hinein. Das Ende des Kalten Krieges hat diesen Prozess noch beschleunigt. Damals wurden große korrupte Regime in die Weltwirtschaft integriert.

Ja, und man hat sich gigantische neue Geschäfte davon versprochen, wie etwa mit dem "China-Boom", für den Delegationen aus Politik und Wirtschaft dort hingereist sind um gegen andere westliche Konkurrenten möglichst gute Absatzmärkte für VWs und Ausschreibungen für Schienenausbau und andere Infrastruktur-Projekte für Siemens zu ergattern. Über Korruption (bei den Chinesen) wusste damals natürlich keiner was, da es dieses Buch ja noch nicht gab.

Das Unheil der Korruption soll aber nicht nur von den vom Sozialismus befreiten und geöffneten Märkten verursacht sein, sondern auch durch "kleine Kleptokraten", die schon länger zum Weltmarkt gehören und durch den Handel "legitimiert" wurden. Bei denen ist es dann nicht ihre "sozialistische Vergangenheit", die sie eigentlich für den westlichen Weltmarkt de-legimiert, sondern "mafiöse Strukturen", die dort irgendwie nicht reinpassen sollen.

Und die ganze Zeit über legitimierte die Weltwirtschaft kleinere Kleptokraten, indem sie mit ihnen Geschäfte machte. Vor allem mit dem Ölgeschäft. Fast jeder große Ölexporteur wird von mafiösen Strukturen kontrolliert: Saudi-Arabien, Angola, Russland, Äquatorialguinea und die anderen.

Doch die wertvollsten Unternehmen – Exxon, Shell, Mobil und so weiter – behandeln sie als die rechtmäßigen Eigentümer des Erdöls, das sie verkaufen. Unsere reichen Volkswirtschaften leben von diesem Erdöl, also geben wir dieser Lüge nach. Jetzt wiederholen wir diese Lüge, wenn es um die Antriebstechniken der Zukunft geht, wie etwa das Kobalt des Kongo.

Unglaublich! - soll man nach-denken. Unsere "wertvollsten" Musterknaben demokratischer Ölförderung, Exxon, Shell, usw. behandeln ihre Öl-Verkäufer, als wären die die "rechtmäßigen Eigentümer", und nicht "Wir", weil "unsere Volkswirtschaften" das schließlich brauchen und es uns deshalb zusteht! - Eine ziemlich koloniale Sichtweise klingt da beim Autor durch.

Mal abgesehen davon, dass es sich beim "Verkauf" von Öl aus manchen dieser Länder nicht um regulären Verkauf handelt, sondern eher um Pfändung von Öl für Kreditschulden, und auch davon abgesehen, dass diese Firmen mit ihrer eigenen und der höheren Politik ganze Landstriche mitsamt ihren Bewohnern vertrieben, verarmt oder verseucht haben. So zu tun als wären diese Firmen und ihr politischer Einfluß die Betroffenen von lokalen "mafiösen Strukturen" mit denen sie ursächlich gar nichts zu tun hätten, diese Behauptung verdreht die Verhältnisse allerdings ins Irrsinnige.

Die allgemeinen Behauptungen am Anfang, dass der Kapitalismus an sich nicht schon die geeigneten Grundlagen bietet, bestimmte Sonderinteressen und Entscheidungen durch Geld zu begünstigen, blamiert sich ja schon an den reichlich bekannt gewordenen Schmiergeld-Affären, die im Westen über die Jahrzehnte auch ohne "Autoritäre und Sozialisten" angesammelt wurden.
Das Eingeständnis im Mittelteil, dass die westliche Seite seit den 80ern selbst zur Kleptokratie "von außen" "beigetragen" hat, sich bedrohlich "einwickeln" und selbst bestechen ließ, fördert nur das schräge Bild vom jungfräulichen Kapitalismus, der von zwielichtigen Kleptokraten besudelt wird.

Das Buch vom (früheren) Financial Times-Mitarbeiter bietet sicherlich wieder einige gute Thriller-"Geschichten" für Leser, die sich hauptsächlich Sorgen über Bedrohungen unseres demokratischen Kapitalismus machen möchten. Als "Sachbuch" eignet es sich nicht.

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