chrygel schrieb am 25.04.2023 13:53:
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Entwicklung in der Ukraine zu betrachten.
1. Indem man die Prinzipien von Gesetz und internationaler Ordnung hochhält
2. Indem man situativ die Entwicklung des Kriegs betrachtet und die Risiken, für die mittelbar und unmittelbar Betroffenen hochhält.Auf der einen Seite sehen wir einen eklatanten Bruch von internationalen und bilateralen Verträgen und Vereinbarungen. Dafür gilt es Russland zu verurteilen und zu versuchen, Recht und Ordnung wiederherzustellen.
Auf der anderen Seite muss die Frage erlaubt sein, ob es in der aktuellen Situation nicht im Interesse der vor Ort Betroffenen ist, die Eskalationsspirale und den Kreislauf von Gewalt, Zerstörung und Tod zu unterbrechen. Auch auf die Gefahr hin, dass Russland seine eroberten Gebiete behalten, konsolidieren und das bisherig erreichte als Erfolg verbuchen kann.
Die vor Ort Betroffenen sollten dazu natürlich befragt werden.
Und das sind nun mal die Ukrainer, und auch nicht nur die.
Verlautbarungen des Angreifers lassen den unbedingten Schluß zu, dass auch andere postsowjetische Staaten unmittelbar betroffen sein werden - und schon sind.
Diejenigen, die auf der unbedingten Seite des Rechts stehen, müssen sich selbst die Frage stellen, ob sie diese Unbedingtheit in allen Lebenssituationen und zu jeder Zeit bereit sind einzufordern.
Die Toten können es nicht mehr, also müssen das die Lebenden entscheiden.
Also die Angehörigen und Nachkommen der Opfer der russischen Rechtsverletzungen.
Wir machen nicht Gebrauch von jedem Recht, dass uns auf dem Papier zusteht.
Hilfe zur Verteidigung - von dem Recht machen "wir" Gebrauch.
Wir wägen vielmehr genau ab, auf welchen Streit wir uns einlassen, bzw. welche Kröte wir schlucken.
Kann die Ukraine allerdings gerade nicht, weil überfallen.
Wir akzeptieren Aspekte in unserem Alltag, die eigentlich nicht zu rechtfertigen sind, um den Bestand der Gemeinschaft zu sichern.
Seit wann akzeptieren wir Mord, Raub und Vergewaltigung?
Wir integrieren mehr Handlungen und Wissen in unsere Welt, als wir vor uns und unserem Wertesystem rechtfertigen können, leben aber trotz oder gerade wegen diesem Wiederspruch recht gut.
Wenn keine Bomben fallen, kann man das auch sehr gut.
Sieht man ja aktuell.
"Es ist nicht klug, an die Welt höhere Maßstäbe anzulegen, als jeder von uns an sich selbst und an sein eigenes Leben anlegt. Man kommt mit Prinzipien nur begrenzt weit. Das heißt nicht, dass Prinzipien unnütz sind und über Bord geworfen werden können. (Dann würde man ein Prinzip daraus machen, prinzipienfrei zu leben.) Es heißt nur, dass man Prinzipien nicht prinzipienhaft anwenden sollte, dass man sich ihrem Gegenteil: dem situativ Notwendigen, nicht verschließen sollte.
Die Situation sein Land verteidigen zu müssen, kann nicht nur situativ gelöst werden.
Diese Situation kann auch nicht mit höheren Maßstäben negiert werden.
[i]Aber kann dann nicht in Zukunft jeder beliebige machtgierige oder Territoriums gierige Potentat kommen und sich irgendetwas unter den Nagel reißen? Ich glaube: Das folgt nicht. Das wäre das Prinzip, das daraus abgezogen würde. Aber mein Punkt ist: Wir haben jetzt eine Situation, um nicht nach Prinzipien zu handeln. Prinzipien sind eine späte Errungenschaft. Situationen sind basaler als Prinzipien. Wir brauchen eine Situationslogik, die Prinzipien übersteigt, die mehr schon eine Überlebenslogik ist.
(…)
Genau das wird folgen.
Sagen die Angreifer im Grunde täglich.
Das gehört zur Situation dazu - und nicht einfach weg zu lassen.
Es glaubte auch niemand an die Situation, dass Russland die Ukraine tatsächlich derartig überfällt.
Gerechtigkeit und Tragik hängen zusammen, und ebenso hängen die Bereitschaft zum Nachlassen in Gerechtigkeitsansprüchen und die Chance auf Lebensglück zusammen. Im Moment wäre der Zeitpunkt, das auf Weltebene einzusehen.[/i]"
https://systemagazin.com/page/7/
Der letzte Absatz (Chance auf Lebensglück und Gerechtigkeit) im Zusammenhang mit diesem terroristischen Angriffskrieg Russlands auf den 2. größten Staat Europas zu nennen, ist schon ein wenig infam.