Portiert aus dem Forum vom 27.12.2020 16:02:
Mir ist das ganze Gedöns schon vor über 30 Jahren auf den Geist gegangen. Obschon noch nicht so deutlich sichtbar, war schon damals klar, wohin die Reise gehen würde. Die Globalisierung war unabwendbar, weil sie eben kein politisches Konzept oder gar Produkt einer weltweiten Verschwörung ist, sondern schlicht die Folge technischer und demografischer Entwicklungen, die zum Teil schon mehrere hundert Jahre zurückreichen. Der Planet fragt uns nun mal nicht, ob und wie er sich wohin drehen darf. Und manches, was uns plötzlich und unerwartet erscheint, ist es nur deshalb, weil wir die Zeichen der Zeit allzu lange ignoriert und nicht wahrgenommen haben oder nicht wahrhaben wollten.
Mit der fortschreitenden Globalisierung kam über kurz oder lang auch die Nation an sich unter die Räder als von Anfang an künstliches Gebilde und staatstheoretisches Konzept. Heute gerade mal etwas über 200 Jahre alt stellte sie lediglich eine Übergangsform dar zu noch größeren staatlichen oder staatsähnlichen sozialen Gebilden. Die Nationen wandelten sich schleichend mehr und mehr zu reinen Verwaltungseinheiten mit staatlichen Befugnissen.
Anonyme Verwaltungseinheiten stiften jedoch keine Identität, was für funktionierende menschliche Gemeinwesen aber nun mal notwendige Voraussetzung ist, denn die funktionieren nicht nur hierarchisch und vertikal, sondern - mindestens ebenso wichtig - auch chaotisch und horizontal auf der Ebene des "gemeinen Volks". Dort ist Emotionalität gefragt, während von der jeweiligen Führung Rationalität gefordert ist.
Nationalstaaten hatten immer schon Schwierigkeiten, diesen inneren Widerspruch zu überwinden und bedienten sich dafür aus dem "Brot&Spiele"- Repertoire des alten Rom. Das war aber eben kein Nationalstaat, sondern multiethnisch und synkretistisch - also "multikulturell" - konzipiert. Die größeren europäischen Nationalstaaten in Nachfolge der Französischen Revolution waren hingegen stark abhängig von einem "Nationalgefühl", das künstlich erzeugt und aufrecht erhalten werden musste.
Die Nazis trieben das auf die Spitze, indem sie sich nicht nur eine eigene Genealogie erfanden ("Germanentum"), sondern gleich eine mythische Abstammung dazu ("arische Wurzelrasse"), die auf esoterischen Lehren einer gewissen Helena Blavatsky aus dem 19. Jhdt. fußte, aber nichts mit den historischen und ethnischen Tatsachen zu tun hat.
Mitteleuropa ist seit grauer Vorzeit schon Einwanderungs- und Durchzugsgebiet, was allein schon auf geografische Gegebenheiten zurück zu führen ist. Die Hauptverkehrsader von Osten und Süden nach Westen bildete seit der letzten großen Eiszeit die Donau. Dazu kamen archaische Religionsvorstellungen, nach denen die Sonne nicht "unterging", sondern allabendlich in ein fernes Reich hinter dem "Ende der Welt" (dem Atlantischen Ozean) wanderte. Dort wollte man immer schon hin - vor allem, wenn's aus irgendwelchen Gründen zu Hause zu eng würde.
So kamen die Erbauer der Megalithkultur, später nicht näher zuzuordnende bronzezeitliche Völker, die über die "Bernsteinstraße" bereits einen regen Austausch zwischen der Ostsee und dem Mittelmeerraum pflegten, mit Beginn der Eisenzeit keltische Stämme, zu denen später auch solche stießen, die ein westgermanisches Idiom wie das viel spätere "Deutsch" sprachen, nach ihnen noch die Römer, die sich aber schon "multikulti" transformiert hatten. "Ureinwohner" in Reinform wird man hier vergeblich suchen.
Die Grenze zwischen Galliern und Germanen legte seinerzeit Julius Caesar aus allein politischen und strategischen Gründen willkürlich fest: links vom Rhein lebten die Gallier, rechts davon die Germanen. So einfach machte er sich das. Deshalb machte er z B. die Belger, die stammesgeschichtlich eindeutig zu den westgermanisch sprechenden Friesen gehörten, kurzerhand zu Galliern. Er hob sie sogar lobend als "tapferste unter den Galliern" hervor, obwohl er sich nie mit ihnen geprügelt hatte. Das war antike PR und sonst gar nichts.
Unter römischem Einfluss wurde der Rhein zunehmend zur Sprachgrenze: westlich davon sprach man ein latinisiertes keltisches Idiom, östlicherseits blieb man bei den westgermanischen Sprachen und Dialekten. Zur Unterscheidung nannte man sie "diutsh", was sich vom keltischen Wortstamm "Tuath" ableitete und nicht mehr bedeutet als "eine Menge Leute". Die germanische Stammesbezeichnung "Teutonen" leitet sich ebenfalls davon ab, stand aber nicht Pate für die spätere Verwendung als Volksname, wie oft fälschlicherweise angenommen wird. "Deutsch" waren einfach die, die kein romanisches Idiom sprachen. Generationsübergreifende genealogische Abstammung interessierte damals außerhalb der führenden Sippen und späteren adeligen Eliten niemanden.
Zurück zu unseren "Rechten" von heute: sie haben schlicht und ergreifend so ziemlich jeden Boden unter den Füßen verloren. Die Nation als Grundlage ihrer völkisch-nationalen Ideologie verliert zunehmend an Bedeutung, ihr Geschichtsbild, das vorwiegend auf romantischen Vorstellungen des 19. Jhdts. beruht, entlarvt sich im Licht neuerer Erkenntnisse der Archäologie zunehmend als reine Fantasy, gentechnische Fortschritte zerstörten gründlich ihren Traum einer "Herrenrasse", der sie sich zugehörig wähnten, und zuletzt werden sie jetzt noch Zeuge des destruktiven Niedergangs ihres letzten lebenden Idols Donald Trump.
Vor etlichen Jahren hatte ich einmal aus beruflichen Gründen - ich war zu der Zeit Leiter einer Werkstatt für Behinderte - über "narzisstische Persönlichkeitsstörung" recherchiert und stieß in einem Forum auf folgenden Text: "Stell' Dir einen Elefanten im Porzellanladen vor, der nicht einsehen kann, dass er keine Primaballerina ist."
Voilà! Heute kann die ganze Welt zusehen, was damit gemeint ist.