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Avatar von sennahoj

mehr als 1000 Beiträge seit 17.07.2001

Re: der Nutzen von Fabeln

Propeller15 schrieb am 27.12.2020 18:46:

Wieso? Argumentiere doch direkt! Lass die Fabel weg und bring das Argument gleich.

Das macht Sinn.
Aber argumentieren?
Ich bin mehr für kommunizieren.
Schließlich geht es ja nicht darum Recht zu haben, sondern darum Erkenntnis zu generieren.

Mein Post ist ja überdies auch eine Reaktion auf den OP.
Also müssen wir dessen Aussage berücksichtigen.
Traumzauberbaum hatte eine einkommensbasierte Wahlstimmenwichtung vorgeschlagen.
Wie schon gesagt, dass ist nicht so ganz neu und war in den klassischen „Demokratien“ gar nicht unüblich. Es durfte dort oft nur derjenige wählen, der auch eine Spieß zur Verteidigung der Stadt stellte oder halt irgendwas in der Art.
„Wenn ich einen größeren Anteil an den Kosten der Verteidigung der Stadt trage, dann muss ich konsequenter auch einen größeren Anteil bei der Gestaltung der Politik haben.“
Argumentation halt. Ist sogar nachvollziehbar.
Bis jemand erwidert:
„Ok du besitzt in dieser Stadt mehr als andere, das ist sehr wohl wahr, also erwächst dir durch den Schutz im Gemeinwesen auch ein größerer Vorteil als anderen. Weswegen es nur gerecht ist, dass du auch einen höheren Anteil zu ihrer Verteidigung beiträgst.“
Argumentation halt. Ist auch nachvollziehbar.

Und so diskutieren wir dann auf dem Forum den lieben langen Tag in der Sonne herum.
Ja das war damals schon ein tolles Leben.
Kaufleute und Handwerker hatten dann aber doch noch mitunter so ein schlechtes Gefühl dabei und wollten lieber mal wieder ihren Gewerben nachgehen, weil etwas mehr zu haben, das entspracht ja viel mehr ihrem Wesen als diese endlose Plapperei.
Damit dann aber nicht nur Taugenichtse und Tagediebe auf dem Forum über solche Fragen diskutierten, haben sich einige der wohlhabenden Bürger dann einfach einen besonders guten Dampfplauderer gekauft, der dort ihre Position öffentlich vertrat.
Ja ok, das sind alles keine Argumente, sondern schon wieder Geschichtchen.
Einer dieser Plauderer hat dann, wie auch schon gesagt, den Größenkoller bekommen und „der Staat“ geschrieben. Darin sagt er, dass die Geschicke eines Gemeinwesens am Besten doch wohl in den Händen derer liegen sollten, denen es besonders in ihrem Wesen liegt, über die Fragen der Politik nachzudenken.
Und wer, so folgerte er als Philosoph dann sogleich messerscharf, wäre dafür wohl besser geeignet als die Philosophen, also eben genau jene, die sich den ganzen lieben langen Tag auf dem Forum herumtrieben und miteinander plauderten, derweil all die anderen eben ihrem Geschäften und Produktionen nachgingen, die sie sich als ihre Lebensgestaltung gewählt hatten, oder vom Schicksal dafür auserwählt worden waren.

Da ist also Traumzauberbaum und der sagt: „die Vermögenden sollen um ihres Vermögens willen einen größeren Einfluss auf die Politik haben als die Nichtsnutze,“
Und so ein Nichtsnutz hält dem entgegen, dass es „Nichtsnutze“ gäbe, die, weil sie nun mal nichts anderes täten, als über die Geschicke des Staates nach zu denken und zu reden, dazu weit eher qualifiziert seinen.
Argumentation halt. Ich denke das kann man dann sogar so nachvollziehen.

Und in diesem Zusammenhang bringe ich dann auch ganz leicht die Jotam Fabel unter.
Weil wer mit diesen früchtetragenden Bäumen gemeint ist und wer der Dornenbusch ist ist dabei doch klar.
Plato will einen Philosophen als König.
Der Dornenbusch in der Fabel will aber gar nicht einen Dornenbusch als König und die Bäume wollen erst mal ja auch keinen Dornenbusch als König und kommen dann erst ganz zum Schluss zu ihm, als keiner sonst, dieses Amt übernehmen will.
Es ist wohl möglich das sogar eine gute Qualifikation für die Übernahme eines Amtes dessen Ausübung mit Macht einhergeht, dass es von jemand ausgeführt wird, der es nicht haben möchte. Dass der Dornenbusch dann darüber hinaus noch Dornen hat, eigentlich ja sogar nichts als Dornen ist sehe ich als eine weiter Qualifikation ...
Aber ich fabuliere schon wieder.

Zu der Zeit dieser Geschichten waren die politischen Einheiten kleine lokale Strukturen.
Es galt also für die Machthaber sie nach außen hin zu verteidigen, aber ebenso die innere Ordnung zu gewährleisten.
Heutzutage sind die nominellen politischen Strukturen noch national organisiert, das steht außer Frage. Aber das entspricht in der bereits angebrochenen Epoche der globalen Ökonomie (und Ökologie!) nicht mehr den tatsächlichen Machtverhältnissen.
Mag aber sein, dass ich damit zu weit vorpresche …
Dennoch eines lässt sich aus der Geschichte recht deutlich erkennen, wenn die nominelle Aufteilung der Macht zu weit von der realen Aufteilung der Macht abweicht, kommt es zu einer dies korrigierenden Transformation und je länger diese hinausgezögert wird, um so gewaltsamer gestaltet sie sich.

Man kann eine Komponente des Dornenbusches durchaus auch als ein abstraktes Machtsystem interpretieren, das die innere Ordnung (Rechtssicherheit und Verlässlichkeit auf das Weiterbestehen der Verhältnisse, damit die Menschen Planungssicherheit haben) garantiert.
Im Vorfeld einer Transformation liegt diese Planungsicherheit allerdings nicht vor, was dann die Spannung hin zur Transformation nur noch vergrößert.
In der Epoche mit einer globalen Ordnung, wenn also keine Ressourcen mehr zum Schutz der Außengrenzen des Gemeinwesens aufgewendet werden müssen, richten sich alle Dornen nach innen.
Ein wuchernder Dornenbusch, also eine Machtstruktur mit einem Hang zur Expansion (aber diese findet nur statt bei Dornenbüschen die sich von sich aus nach der Macht sehnen) wäre dann ja wohl keine so gute Sache.
….

Wärst du bereit, mich aufzuklären? Den ersten Teil verstehe ich, vielleicht,

Ich gebe mir Mühe, aber ich erzähle nun mal eher Geschichten.
Im günstigen Ausgang regen sie ja Gedanken in anderen Menschen an.
Und wenn man ganz viel Glück hat dann formt sich aus zwei Halbwah[nr]heiten eine(r).

In einer globalen Welt
(was immer das sei, meinst du die momentane Globalität? Ansonsten kommt global von Globus=Kugel, oder hier Weltkugel. Also eine globale Welt ist eine Welt-liche Welt.)

Sophist? :-)
Ich verwende global im Sinne von planetar.
Die historisch gewachsene Aufteilung dieses Planeten kommt mir ziemlich unnatürlich und unpraktisch vor.
Vielleicht könnte man noch eine Vorgabe durch die Kontinente nachvollziehen, aber auch das scheint mir angesichts der ökologischen Untrennbarkeit des Ganzen zu sehr letztes Jahrhundert zu sein.

in der die Nationalstaatlichkeit nur noch eine Anachronismus ist
(ok, diese Welt also, aber das ist nicht unsere, denn da ist Nationalstaatlichkeit (noch) kein Anachronismus)

Ich bin wohl nicht so ganz wortsicher.
Anachronismus habe ich im Sinne von „nicht mehr ganz zeitgemäß“ verwendet.
Selbstverständlich sehe ich diesen Planeten aktuell auch noch in einer nationalstaatlichen Aufteilung organisiert.
Aber ich erkennen nicht, wie damit die Probleme die im planetaren Rahmen auftreten gelöst werden können.

gilt es nur primär das Recht (nach innen) durchzusetzen.
(gut, aber die Voraussetzung ist unrealistisch, bzw. ein Wortspiel. Denn Konflikte zwischen Regionen gelten vorher als "außen" und nachher gilt derselbe Konflikt halt als "innen" ist also bloss umdefiniert)

Ja das ist ein guter Punkt.
Es hat in der Geschichte aber auch schon Intergrationsprozesse gegeben.
Ansonsten wäre Deutschland halt immer noch ein Flickenteppich von sich bekriegenden Fürstentümern.
Wie also kommt es zu solchen Vereinigung?
Und so wie ich das noch in Erinnerung habe, waren es vor allem wirtschaftliche Erwägungen. Durchaus auch im Sinne von mehrere Fürstentümer überlappenden Märkten.

Also das nur auf sich selbst fixierte Streben der Bäume und Sträucher und Gräser und Kräuter miteinander in Ausgleich zu bringen.
(den versteh ich nicht)

Ich versteh mitunter ja auch nicht immer was ich so fabulieren :-)
Aber in diesem Fall und ich bleibe im Bild.
Jede Pflanze, also jedes Individuum hat seine Eigeninteressen, die dann durchaus in Konflikt mit den Eigeninteressen anderer stehen können.
An jeder Stelle wo es zu Überlappungen der Interessen kommt müssen diese also bei möglichst geringen Spannungen irgendwie in Einklang miteinander gebracht werden.
Aber bei jedem Mal, bei dem der Dornenbusch sich dabei einsetzen muss, verliert das System als Ganzes an innerem Frieden.

Ich muss darüber noch ein bisschen nachdenken.

Danke für deiner Anregungen.

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