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  • hdwinkel

mehr als 1000 Beiträge seit 16.06.2012

Re: Ich versteh Russland nicht

Ich glaubemal, dass einige Ihrer Prämissen nicht stimmen und Sie deshalb zu fraglichen Schlussfolgerungen kommen.

Herbert Wichmann schrieb am 20.06.2024 17:09:

Die Ukraine ist schwach, es mangelt an Munition und Soldaten. Aber selbst in dieser Phase ist die russische Armee nicht in der Lage nennenswert vorzudringen. In Kharkiv ließ sie sich sogar zurückdrängen und hatte bisher hohe Verluste. Putin selbst beziffert die russischen Verluste auf 20.000 Mann pro Monat.

Was macht Sie so sicher, dass Russland vordringen will? Das ist ein Abnutzungskrieg, in dem es eher um Verluste des Gegners geht, als um Geländegewinne.

Die aktuelle Rüstung ist nicht in der Lage, die laufenden Verluste zu decken. Das ist nur möglich durch die aufbereiteten Panzer aus der Sowjetzeit, die seit Jahrzehnten in den Depots vor sich hin rosten. Auf Sattelitenaufnahmen kann man verfolgen, wie sich diese Depots mehr und mehr leeren.

Welche Verluste sind denn jetzt gemeint? Panzer?
Hier dürfte doch wohl gelten, das nicht die eigenen Verluste das Entscheidende sind, sondern die eigenen Verluste im Vergleich zum Gegner.

Die Sanktionen konnten Russland nicht am Krieg hindern aber sie sind ein langsam wirkendes Gift, dass Russlands Wirtschaft allmählich die Luft abdrückt. Sowohl Importe wie auch Exporte sind erheblich zurückgegangen. Zudem optimiert der Westen sein Sanktionsregime immer weiter. Große Unternehmen wie Gasprom steuern auf die Pleite zu.

Die Sanktionen stoppen die Rüstung nicht, aber sie machen sie teurer. Die allgegenwärtige Korruption und die Ineffizienz der alten sowjetischen Fabriken tun ein Übriges. Die Einnahmen verringern sich, die Ausgaben steigen. Auch die Soldaten kosten. In manchen Gegenden haben sich die Kosten für einen Freiwilligen inzwischen verdreifacht. Wahrscheinlich hat sich herumgesprochen, dass nicht jeder Gelegenheit hat, das Geld auch auszugeben. Berichte russischer Soldaten, dass von hundert Mann nur 12 nach einem Angriff noch übrig waren, werden auch in Sibirien wahrgenommen.

Sanktionen sind teuer, aber halt für beide Seiten. Und nur der Westen macht mit, d.h. Russland ist alles andere als isoliert, sondern Werteströme verlagern sich nur.
Gazprom könnte pleite gehen, klar. Wer sind denn die Gläubiger, die sich da Sorgen machen müssen?

Das führt dazu, dass Putin den russischen Wohlfahrtsfonds nun nach und nach plündern muss. Zusätzlich muss er die Steuern erhöhen. für Investitionen in die russische Infrastruktur und das Gesundheitssystem bleibt da schon garnichts über. Den Russen wirds gefallen.

Ist das nicht bei uns irgendwie gerade genauso? Wir haben einen Bestand von mehr als 13.000 sanierungsbedürftigen Brücken und gerade heute hat unsere Regierung Geld genau dafür gestrichen.

Die Rüstung läuft also in Russland bereits an der Obekannte. Der Westen hat aber noch nichtmal richtig angefangen. Wenn die unterstützenden Staaten des Westens (mehr als eine Milliarde Menschen mit einem BIP von 50.000 Mrd Dollar) nur 1% ihres BIP in die Unterstützung der Ukraine geben, kann dies aus den laufenden Haushalten bestritten werden ohne dass die Volkswirtschaften davon viel merken. Die Ukraine könnte dem russischen Druck damit noch lange standhalten.

Der Westen kann theoretisch natürlich mehr.
Nur wird er es auch tun?
Ein Prozent klingt nicht nach viel, sind es aber. Denn jeder bemüht dasselbe Argument, sind ja nur ein Prozent.

Der Ukraine gehn die Soldaten aus. Bisher hat sich die Ukraine gescheut mehr Soldaten zu rekrutieren. Das Potential der Ukraine wird von Russland allerdings auf 2 Millionen Mann geschätzt, die noch im Land zur Verfügung stehen, trotzdem viele junge Männer vor dem Wehrdienst geflüchtet sind.

Wie das so ist mit dem Potenzial. Was macht Sie so sicher, dass die 2 Millionen sich in den Krieg schicken lassen und nicht in Richtung Kiev marschieren?

Russland kann den Krieg sicher noch lange weiterführen. Die Ukraine aber auch, wenn sie will und der Wille scheint nach Umfragen ungebrochen zu sein. Die Zeit arbeitet gegen Russland und der Preis wird für Russland immer höher. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem ein russischer Rückzug den Russen mehr nützt als ein langsames Aufreiben an der Front. Wenn die alten sowjetischen Bestände aufgebraucht und der staatliche Fonds gegen Null gelaufen ist, wird Russland seine Entscheidungen überdenken müssen. Manche Analysten schätzen, dass dieser Zeitpunkt in 2 Jahren erreicht sein könnte.

Russland soll ja nicht gewinnen. Das haben weder die Ukraine noch das Völkerrecht verdient. Nur sind Ihre Argumente nicht sehr überzeugend.

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