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  • Demophob

mehr als 1000 Beiträge seit 11.01.2000

Deutschland versaut es sich selbst!

Ich lebe jetzt seit knapp 25 Jahren in Deutschland und als Nicht-Deutscher kann ich die Entwicklung in Deutschland aus etwas unvoreingenommenerer Sicht bzw. aus der Perspektive eines "Fremden" beobachten. Und da muss ich sagen, dass Deutschland sich die Sache selbst schwer macht.

Versteht mich nicht falsch: Ich will hier kein dumpfes Deutschland-"Bashing" betreiben und bin damals aus freien Stücken (d.h. weder aus wirtschaftlicher Not heraus, noch weil ich aus irgendeinem Grund nicht mehr in meiner alten Heimat hätte bleiben dürfen/können) nach Deutschland gezogen, aber mir tut es manchmal weh mit anzusehen, wie die Deutschen sich in vielen Dingen des Lebens selbst ein Bein stellen.

Es gibt Dinge, die typisch Deutsch sind, doch mit denen man sich aber auf Dauer irgendwie abfinden kann. Das wären zuerst einmal diese typisch deutsche Oberlehrerhaftigkeit/Besserwisserei (Jeder meint, in den unterschiedlichsten Lebensbereichen anderen erklären zu müssen, dass sie absolut keine Ahnung von der jeweiligen Materie haben und man selbst so viel mehr Ahnung hat bzw. sogar der Kenner schlechthin ist) und diese Reduzierung von allem auf eine irgendwie messbare Form von Leistung (sportliche Leistung, Arbeitsleistung, Motorleistung eines Kraftfahrzeugs usw.). Als ob das Leben ein einziges Quartett-Spiel wäre und seine Mitmenschen "Gegenspieler" wären, die man bei auch wirklich jeder Gelegenheit "ausstechen" müsste. Aber das macht ja auch ein bisschen die Stärke von Deutschland aus; Deutschland hätte es wohl – vor allem wirtschaftlich – nicht so weit gebracht, wenn es diese Form von Kompetitionsdenken nicht gäbe.

Was Deutschland viel hinderlicher ist, ist dessen "Wir müssen der ganzen Welt beweisen, dass wir nicht mehr die bösen Nazis aus früheren Zeiten sind"-Manie. Konflikte scheuen, immer moralisch übervorbildlich handeln wollen (und andere Völker nach dem Motto "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen" gleich mit moralisieren wollen), den sakrosankten Datenschutz auf die Spitze treiben (weil ja Deutschland sich rein theoretisch nochmal zum Unrechtsstaat entwickeln und mit den Daten Missbrauch betreiben könnte), bloß nicht autoritär auftreten, bloß keine zu strengen Gesetze erlassen etc. – alles muss so weichgespült sein, dass Deutschland für den Rest der Welt auch nicht im Ansatz an die autoritären Regimes der Vergangenheit (DDR, Nazireich, Kaiserreich) erinnert. Die Absicht mag ja gut sein, aber da übertreibt es Deutschland bzw. der Deutsche IMHO oft mit der "Wir wollen es allen recht machen"-Haltung. Das geht im Leben so nicht; da muss man – auch als Nation – mal mit der Faust auf den Tisch hauen, Risiken eingehen, autoritär und/oder martialisch auftreten, manche bewusst benachteiligen (weil sie es vielleicht auch nicht besser verdient haben), uvm..

Und hört auch bitte auf, die Wirtschaft und Industrie als das Heiland anzusehen! Ja, "das große deutsche Wirtschaftswunder" war ein großer Segen für Deutschland und hat vielen den Wohlstand gebracht. Aber das bedeutet NICHT, dass man alles jederzeit und überall wirtschaftlichen Interessen unterordnen muss und sich den Großkonzernen unterwürfig machen muss. Die Wirtschaft und Industrie konnte nur den Wohlstand nach Deutschland bringen, weil die Menschen kollektiv darauf hin gearbeitet haben; der Mensch ist also der Wirtschaft und Industrie nichts schuldig, weil Letztere auch auf den Menschen als Arbeitskraft angewiesen ist. Das ist ein symbiotisches Verhältnis, wo beide Seiten gleichermaßen voneinander abhängig sind bzw. abhängig sein sollten, also hört auf, ständig den großen Kotau vor der Wirtschaft und Industrie zu machen. Und der Mensch ist auch nicht da, um der Wirtschaft und Industrie zu dienen, sondern umgekehrt; also tut nicht immer so, als ob die Wirtschaft und Industrie stets geschont werden müsste, damit sie bloß nicht aus purer Verstimmung irgendwo hin abwandert und hier nur wirtschaftliche und soziale Misere hinterlässt. Fordert das ein, was euch zusteht – und da sind wir auch wieder beim ersten Kritikpunkt, wo ihr einfach mal resoluter auftreten sollt...

Amen.

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