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Avatar von auf_der_hut
  • auf_der_hut

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2008

Re: Es ist immer leicht, das Leben anderer zu opfern

Aus den Waffenlieferungen erwächst für die Ukraine überhaupt erst die Möglichkeit, sich zu verteidigen. Aber das ist kein Zwang. Verantwortungsethisch geben wir der Ukraine also die Möglichkeit zwischen ethisch und völkerrechtlich erlaubter Verteidigung und ebenso völkerrechtlich und ethisch erlaubter Kapitulation (oder meinetwegen "Friedensverhandlungen", was mit Russland derzeit in der Praxis auf das gleiche hinausliefe) zu wählen. Welche Wahl die Ukrainer treffen ist hingegen nicht unsere Verantwortung.

Zumal Sie ja ebenfalls nicht selbst mitkämpfen werden, richtig?

Richtig, das werde ich nicht. Aber habe ich damit das Recht verwirkt, mich dafür einzusetzen, dass die Ukrainer weiterhin selbst bestimmen können ob sie kämpfen oder aufgeben wollen, weil die Verluste zu hoch werden? Habe ich die Pflicht, ihnen die Mittel dafür zu verweigern, weil ich die Verluste persönlich zu hoch finde und selbst nicht mitkämpfen und für die Ukraine sterben will?

Der Ukraine diese Wahl zu verweigern wäre nicht neutral, sondern im Resultat (also verantwortungsethisch) eine Parteinahme für den Aggressor. Egal was wir tun: wir stehen mit auf dem Spielfeld, nur eben nicht dort, wo gestorben wird. Und deshalb ist die Forderung an die Unterstützer der Ukraine, sie sollten gefälligst ein Gewehr in die Hand nehmen und an der Seite der Ukrainer kämpfen, pseudomoralisch und hat mit Verantwortungsethik absolut nichts zu tun. Es ist ein gesinnungsethisches Argument, das auf die unbefleckte Reinheit der Absichten zielt, aber nicht auf deren Auswirkungen. Wenn es in diesem Zusammenhang nicht so makaber wäre, könnte man auch von einem Totschlagargument sprechen.

Ansonsten ist Ihr Hinweis auf den Gegensatz zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik (also Gutes tun vs. Gutes bewirken) absolut richtig und relevant. Da bin ich völlig bei Ihnen und das Max Frisch-Zitat zielt ja auch in diese Richtung, nämlich auf den oft unauflöslichen Widerspruch zwischen den beiden. Ich freue mich aufrichtig, dass Sie Flüchtlinge unterstützen - das ist heute wirklich nicht mehr selbstverständlich. Es tut mir leid, wenn ich respektlos war. Aber wir diskutieren nur.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.09.2024 22:53).

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