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  • Raumflieger

365 Beiträge seit 12.08.2024

Re: Ein Blick in die Geschichte

Man sollte meinen, dass die ukrainische Militärführung sich mit der russischen Seele besser auskennt als diverse historische Figuren, die ihre Truppen gen Moskau geschickt haben.

Der Knackpunkt ist, dass die paar gewonnenen hundert Quadratkilometer um Kursk im Grunde bestenfalls Symbolcharakter haben, aber strategisch keine Wirkung zeitigen. Die Ukrainer investieren einen Großteil ihrer Kraft für den Vorstoß, vielleicht in der Hoffnung, dass die Russen Einheiten aus der Front herauslösen, um das Loch zu stopfen. Nur funktioniert das wohl nicht wie gewünscht. Ich zitiere den Artikel:

Vielmehr begegneten die Russen den einfallenden Ukrainern mit einer "bunt zusammengewürfelten Gruppe von Wehrpflichtigen aus dem Landesinneren und regulären Einheiten, die von weniger wichtigen Frontabschnitten innerhalb der Ukraine abgezogen worden waren".

Richtiger wäre vermutlich gewesen, von "Reserveeinheiten" zu sprechen, die sich in Vorbereitung für den Fronteinsatz befunden haben und nun beschleunigt und mit Unterstützung erfahrenere Truppen die ukrainischen Einheiten vertreiben und das Loch schließen sollen.

Wieso hat es jetzt Wochen gedauert, bis Russland eine Einheit aufgestellt hat, lässt sich auch erklären: es braucht Zeit, bis man die Einheit zusammengezogen und auf den Einsatz vorbereitet hat. Auch das ist Kalkül: was wäre denn passiert, wenn völlig unvorbereitet irgendwelche Rekruten grob in Richtung Feind geschickt worden wären? Sowas kommt auch in einer angeblich unpolitischen Gesellschaft wie der russischen sicher nicht gut an.
Also wird der Einsatz vorbereitet, die Truppen werden geschult, erhalten die nötige Ausrüstung und dann den Marschbefehl. Am Ende wird's darauf hinauslaufen, dass man die ukrainischen Truppen im Areal um Kursk erst einschließen und dann zur Aufgabe zwingen wird. Das Loch in der Front ist geschlossen, die Verluste auf der einen Seite gering, dem Gegner wurde eine Niederlage zugefügt, die Moral steigt. Es gibt also auf russischer Seite überhaupt keinen Grund zur Panikreaktion.

Und auf der anderen Seite? Nur um den Vorstoß zu ermöglichen wurden erfahrene Einheiten aus der Front abgezogen, mit wichtigem Gerät ausgestattet, was nun zur Verteidigung fehlt. Der Entlastungseinsatz hat aber nicht nur sein Ziel verfehlt, sondern womöglich sind die eingesetzten Einheiten auf futsch. Was macht das mit der Moral der Truppe?

Am Ende ist der Artikel erfrischend ehrlich. Hier zitiere ich ein weiteres Mal:

Generell ist die Bedrohung der Stabilität von Putins Herrschaftssystem durch Kursk nicht so groß, wie es sich manch westlicher Journalist wünscht. In vielen deutschsprachigen Presseartikeln wird auf einen Rückgang der Popularität Putins in den Umfragen der staatsnahen Forschungsinstitute FOM und WZIOM seit Beginn des Angriffs auf Kursk verwiesen.

Dem ist entgegenzuhalten, dass die dort ausgewiesene Unterstützung von einem sehr hohen lediglich auf ein immer noch hohes Niveau gesunken ist (um 5,1 Prozent auf 75,7 Prozent bei WZIOM).

Anders ausgedrückt: von solchen Zustimmungswerten können Regierungen in Frankreich, Spanien oder Deutschland nur träumen. Selbst wenn man annimmt, der Wert sei manipuliert, dürfte der russische Präsident sicherer im Sattel sitzen als Scholz mit seiner Ampel-Regierung, der wiederholt ein schlechtes Zeugnis ausgestellt wird.

Der Wunsch "westlicher Journalisten", demnächst würde es das System Putin zerbröseln, wird sich nicht erfüllen. Im dümmsten Falle könnte er sogar noch profitieren und die Offensive als Anlass nehmen, weitere Soldaten zu rekrutieren und das Marschtempo zu beschleunigen.

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