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Avatar von jope
  • jope

mehr als 1000 Beiträge seit 08.05.2000

Re: Ich sehe zwar die Probleme, aber sehe Wikipedia eher als Teil davon

aquadraht schrieb am 28.05.2018 11:13:

...

Sehe ich weitgehend auch so.

Wo nun "Alt-Right" etc. mit den alten (wenn auch oft pervertierten) Mitteln linker und aufklärerischer Bewegungen Milieus aufmischen (oft die, die durch den Verrat der Linken preisgegeben wurden wie die Arbeiterklasse und andere "Deplorables"), hilft es nicht, den Grassrootmethoden mit Zensur und "Gatekeepers" entgegenzutreten.

Das sehe ich allerdings anders: es gibt einen Unterschied zwischen Zensur und Review: ich bin ja ganz gegen Zensur, wenn es um Meinungsfreiheit geht, etwas was mir schon immer den Zorn meiner linken Freunde eingebracht hat.

Aber in gewissen Bereichen, bei wissenschaftlichen Publikationen und eben auch beim Lexikon, geht es nicht um Meinungen sondern um Fakten. Und hier kommt man um den Versuch eines Reviewing leider nicht herum. Leider bleibt dieser Versuch immer nur eine Annaeherung -- das ist selbst in "harten" wissenschaftlichen Bereichen, dort wo ich publiziere, der Fall, und natuerlich bei so Themen wie Zeitgeschichte schlicht nicht 100% korrekt handhabbar. Im grossen und ganzen funktioniert das aber bei Wikipedia gar nicht so schlecht. Uebrigens: was steht den in den sonstigen Lexika zu den Themen 9/11 oder Giftgasangriff in Syrien so? Oder eben in aktuellen zeitgeschichtlichen wissenschaftlichen Publikationen? Oder fallen die auch alle unter Verschwoerern, die die Wahrheit unterdruecken?

An den Fehlern muss man arbeiten aber mit "Orwellschem Wahrheitsministerium" hat es wirklich nichts zu tun.

Und die Gegenüberstellung von "gut recherchiertem und damit teurem Journalismus", der angeblich hilflos gegen "gewisse Blogger" ist, ist einfach unredlich. Der gut recherchierte Journalismus findet auf weiten Strecken nicht mehr statt oder wird, wie Seymour Hersh, Patrick Cockburn, Karin Leukefeld et alii ausgegrenzt und verschwiegen. Die Trivialisierung, Streichung der Korrespondenten etc. ist Teil des Mainstream. Die Flat Earth Theory von heute heisst White Helmets, Bellingcat und Skripal. Und die Türen von Wikipedia stehen ihr weit offen.

Da weiss ich nicht mal ob ich zustimme oder nicht: ich denke schon dass gut recherchierter, teurer Journalismus hilflos gegen die derzeit sich ausbreitende alternative Medienlandschaft ist.

Aber ich behaupte ja gar nicht dass das die Schuld der Alt-Right oder von Verschwoerern ist. Aber wie in der natuerlichen Evolution stellt diese alternative Medienlandschaft, kombiniert mit der gaengigen kapitalistischen Vermarktung ein Umfeld dar, in dem gut recherchierter Journalismus noch weit weniger Gehoer finden kann als es eh schon immer der Fall war: in einem kapitalistischen Dschungel, in dem die Waehrung der schnelle "like"-click ist, setzen sich einfach systembedingt die marktschreierischten, aufmerksamkeitsheischenden, sensationellsten und verschwoererischten Behauptungen am schnellsten und einfachsten durch. Die unsichtbare Hand des Aufmerksamkeitsmarktes regelt das ganz automatisch.

Ich habe nicht die leiseste Idee was dagegen zu tun waere, aber die Symptome dieses Wahnsinns sind unuebersehbar.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.05.2018 12:12).

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