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  • Mrothyr

mehr als 1000 Beiträge seit 01.06.2001

Re: OK, mal ernst und ohne Polemik - naja, fast.

jope schrieb am 28.05.2018 10:41:

Das Problem ist nur, dass die in den letzten Jahren stattfindende "Demokratisierung" von Meinung sehr wohl gezielt von besonders Alt-Right und anderen rechten Bewegungen ausgenutzt und manipuliert wurde

Das liegt vor allem daran, daß sich "Links-Liberal" (die in der Hauptsache linksidentitär und marktliberal sind - aber kann man schön verkürzen. Links*liberal würde es glaub ich noch besser treffen) im klassischen Medienmainstream eingerichtet und festgesetzt hat - und diesen soweit verengt hat, daß alternative Sichtweisen erst Aufmerksamkeit bekommen KÖNNEN, seit es das Internet gibt. Klassischer Backlash, weil eine Seite das Übergewicht hatte und mit geänderten Bedingungen nicht zurechtkommt.

Mal konkret: Was hindert denn LiLi dran, die Mittel ebenfalls zu nutzen (so sie es denn, wie von dir postuliert, nicht tun)? Übrigens denke ich, daß sie es tun - und daß das ganze Zeigen nach populistisch-rechts in der Hauptsache eine "Haltet den Dieb"-Strategie ist. Manipulation ist im Internet ÜBERALL.

um so ziemlich alles als Meinung darzustellen, auch wissenschaftliche Fakten oder wissenschaftlichen Konsens.

Schlussendlich ist es auch Meinung. Eine Theorie ist eine verifizierte und nicht falsifizierte Hypothese - und eine Hypothese ist nun mal schlussendlich eine formulierte Meinung darüber, wie evidente Fakten in Ursache-Wirkung-Komplexen zusammenhängen. Daß eine Theorie, selbst wenn ein breiter Konsens darüber herrscht, die Realität einhundertprozentig, fehlerfrei und unwidersprechbar abbilden würde ist der Grundirrtum der nichtwissenschaftlichen Arbeit. Denn schlussendlich ist der breite Konsens der, der sich mangels BESSERER Theorie (im Sinne von Verifizierbarkeit, Falsifizierbarkeit und Ockhams Razor) in der Breite als Arbeitsgrundlage durchgesetzt hat, aber morgen schon durch eine noch bessere Theorie abgelöst werden könnte. Ein Wissenschaftler hängt sein Herzblut nicht an eine Theorie - und erst recht nimmt er sie nicht als unhinterfragbare Wahrheit. Das machen nur Ideologen.

Auf diese Weise sind wir in eine Situation geraten wo der ueberwaeltigende Konsens der Klimaforscher vom maechtigsten Mann der Welt als Verschwoerungstheorie dargestellt werden kann,

Das machen die Leute schon selbst, indem sie die Änderungsprozesse in komplexen Systemen monokausal erklären. Daß wir in einer ausklingenden kleinen Eiszeit leben und damit ansteigende Temperaturen normal sind (und nur die Geschwindigkeit, mit der das passiert, menschlichen Einflüssen geschuldet ist) - das ist denen, die mit monkausalen Erklärungen in der Aufmerksamkeitsökonomie reüssieren natürlich nicht der Rede wert.

Allein die Idee, das Klima auf der Erde wäre stabil und unveränderlich oder würde nur millionenlangen Änderungszyklen unterworfen sein ist eigentlich keinem Klimaforscher zu vermitteln. Grüne Ideologie braucht aber monokausalen Alarmismus zur politischen Manipulation der Gesellschaft - so wie rechte Ideologie einen fortgesetzten Bedrohungsustand benötigt. Everything in publicity is interest.

wo gut recherchierter (und damit teurer) Journalismus mit dem Click-Bait diverser Blogger und Tabloids ueberhaupt nicht mehr mithalten kann

Das ist Selbstkasteiung. Nur weil ein Meinungsblatt wie der Spiegel oder ein politisches Sprachrohr wie die ÖR die Meinungshoheit verloren haben ist das noch kein guter Journalismus. Das ist, als würde man vom Heise Newsticker ausgehend die publizistische Chancenlosigkeit der iX bewerten.

Guter Journalismus ist (a) nicht schneller Journalismus und (b) hält sich an Grundregeln und Prinzipien. Das wichtigste Prinzip formulierte E. E. Kisch so:

"Der Reporter hat keine Tendenz, hat nichts zu rechtfertigen und hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen Zeuge zu sein und unbefangene Zeugenschaft zu liefern."

Jetzt dürfen wir gern noch mal über "guten Journalismus" diskutieren. Und über unsere Edelfedern, die uns erziehen wollen.

"und wo die einzige Moeglichkeit, ueberhaupt noch Aufmerksamkeit zu bekommen darin besteht, jede Behauptung skandalisierend zu ueberhoehen."

"Wenn Neunundneunzig normal reden muss der Eine hundertmal so laut sein, um gehört zu werden." Auch das eine Folge von actio = reactio

Drum: es muss weitergkaempft werden bis die Flat Earth Theory und Kreativismus endlich gleichberechtigt als Theorie in der Wikipedia vorgestellt werden und das Monopol der Globe-Earther und Evolutionists endlich gebrochen ist!

Und hier sind wir beim typischen Problem. Es gibt nur noch schwarz-weiß. Es gibt nur noch wir oder die. Bist du nicht mein Freund, bist du mein Feind. Es gibt keinen theoretischen Diskurs, kein Grau mehr. Es gibt kein Reflektieren mehr, der Diskurs wird als persönlicher Angriff und als Abwertung der Person angesehen. Zweifelt man am Common sense - und sei es nur wegen 1% desselben - wird nicht argumentiert (oder gar reflektiert), sondern man ist sofort Verschwörungstheoretiker, Flachweltler oder Nazi. Theorien haben es an sich, daß sie nur im Rahmen ihrer Grundannahmen und ihres Zweckes gültig sind (Sozialdarwinisten machen schließlich auch immer wieder denselben Fehler bei der Fehlinterpretation von Darwin, die verprügel ich dann gern verbal mit "The selfish gene") und niemand in der Wissenschaft ernsthaft annimmt, daß sie die Realität zu 100% abbilden. Aber sobald eine Theorie den "inner circle" verlässt und quasi das"common sense" der praktischen Anwendung bildet wird sie als Verkündigung der reinen Wahrheit kommuniziert und Zweifel an ihren Grundprämissen werden mindestens als Majestätsbeleidigung wenn nicht gar als Häresie betrachtet.

Es gab früher mal das Argumentationsprinzip des "advocatus diaboli" - also das Betrachten und Diskutieren eines Postulates aus der Gegnerperspektive. Sehr effektiv, um den eigenen Standpunkt zu reflektieren, das Postulat zu objektivieren und sich argumentativ zu immunisieren. Macht niemand mehr, seit Sprachverbote und politische Konnotation JEDE Tätigkeit durchzieht.

FTR: ich betrachte mich als liberal im gesellschaftlichen Sinne (also: Mach was du willst, ist mir egal, solang es mich nicht einschränkt), bin für Marktkontrolle im ordoliberalen Sinn (also heute üblicherweise links verortet), sehe den Staat primär als homogenen Rechtsraum und dessen Aufgabe primär darin, zu verhindern, daß wir uns die Köpfe einschlagen (also schlussendlich im INTERESSENAUSGLEICH, nicht in Interessendominanz), sehe die kritische Bewertung des menschlichen Einflusses auf das Klima als wichtig an und denke, daß wir dem gegenarbeiten müssen, damit die natürlichen Klimaveränderungen nicht krisenhaft verzerrt werden und stehe üblicherweise fest auf dem Boden der Wissenschaft. Nur weiß ich auch, daß Wissenschaft eben KEINE Bibel schreibt. Und daß Zweifel einerseits Verständnisprobleme beim Zweifler, andererseits auch Lücken in der Theorie sein können. Und die dämlichste Reaktion darauf das Niederbrüllen des Zweiflers ist. Und daß Pressefreiheit vor allem Pressevielfalt bedeutet - und zwar von ganz rechts bis ganz links. Und daß Freiheit eben auch bedeutet, ein Arschloch zu sein - ich kann, im Gegensatz zum grünlinkspoulistischen LiLi-Mainstream nämlich noch private Meinung und politisches Handeln unterscheiden. Oder anders gesagt: Ich kann ablehnen, daß in meinem Umfeld Menschen leben, die ich aus welchem Grund auch immer nicht mag - und trotzdem dagegen sein, daß man diese Menschen JURISTISCH oder POLITISCH benachteiligt. Ich bin nämlich bekennender Arschist und nicht Rassist - ich teile Menschen ganz subjektiv in Arschlochmenschen und Nichtarschlochmenschen ein und diskriminiere ganz persönlich die, die ich FÜR MICH als Arschlochmenschen klassifiziert habe. Und das sind zumeist die, die es nicht schaffen, im persönlichen Umgang die Politik draußenzuhalten und mir mit ihren Egoismen auf den Sack gehen. Und ja, ich mag mein PERSÖNLICHES UMFELD relativ homogen, ich muß mir Menschen, die ich als zu mir nicht kompatibel ansehe, nicht in meinem engeren Umfeld dulden. Völlig egal ob das verdummte Hitler-Anbeter, feministisch-antifaschistische Sprachnaz*Innen oder AfD-Marktextremisten sind. Oder Machos aus archaischen Kulturen, die Muskeln oder Messer als Argumentersatz betrachten. Oder deren wie Altklamottensäcke daherkommenden Weibchen (und ja, das ist bewusst abwertend formuliert, entmenschend gemeint - ein Aspekt des Menschlichen, das uns über Tiere erhebt, ist für mich nämlich die Individualität - mit allen ihren zwischenmenschlichen Problemen).

Daß die Spaltung der Gesellschaft nicht nur "den Rechten" zuzuweisen ist, die merkwürdigerweise anscheinend allein die modernen Medien zur Manipulation nutzen können (auch eine Verschwörungshypothese, mal ganz nebenbei - es gibt kein Anzeichen, daß "Rechte" durch irgendeine spezielle psychische Eigenschaft anders mit modernen Medien umgehen als "Linke") - das ist ein modernes Märchen des universitären linken Umfelds. Daß die Linken selbst identitäre Politik machen und den Klassenkonflikt, der längst global aufgeflammt ist und die eigentliche Ursache der Teilung darstellt ignorieren geht ihnen aber nicht ein - Ausnahmen bestätigen die Regel.

Schlussendlich betrachte ich den Kampf gegen Nazis als rückwärtsgenannt. Die Gefahr ist höher, daß in einer zukünftigen rechten Ständegesellschaft nicht die Hautfarbe, sondern der Zugang zu Bildung und Medizin entscheidend für die soziale Stellung wird. Ganz ohne Rassentheorie (da diese spätestens dann, wenn es um pränatale Auslese und medizinische Prädiktion geht, definitiv keine Bedeutung mehr hat). Ich halte es für wahrscheinlicher, daß uns Szenarien wie in Gattaca, In Time oder meinetwegen Elysium blühen (ohne die Technogadgets) als daß ein neuer Hitler auftritt. Einfach weil die Anfänge bereits zu beobachten sind - und systematisch gefördert werden. Auch und gerade von denen, die sich "links" nennen, aber tief im universitär-publizistisch-wirtschaftlichen Establishment verankert sind.

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