Ich bin, im Gegenteil, davon überzeugt, dass Russland zum sofortigen Ende des Krieges bereit wäre. "Der Eroberer ist immer friedfertig" sagte schon Clausewitz.
Das Problem ist, dass die Ideen Russlands zur Beendigung des Krieges völkerrechtswidrig sind. Die Legitimierung von gewaltsam erobertem Territorium ist ein völkerrechtlich ein absolutes No-go. Diese Vorstellungen stammen anscheinend noch aus der Zeit der Kabinettskriege, wo man sich nach ein paar Schlachten zusammensetzte und Provinzen mitsamt ihrer Bewohner von hier nach dort und wieder zurück schob. Das ist lange vorbei.
Ein von einer vor der Vernichtung stehenden Ukraine erpresstes Abkommen, das die russischen Annexionen anerkennt, wäre rechtlich wertlos und könnte von der Ukraine bei der ersten Gelegenheit für nichtig erklärt werden. Durch den initialen Verstoß gegen das Gewaltverbot sind alle daraus folgenden Rechtsakte unwirksam - inklusive der Annexion der Krim. Der rechtliche Status Russlands in den besetzten Gebieten wäre noch schlechter als der von Israel in der Westbank - denn Israel kann sich immerhin darauf berufen dass die Eroberung das Ergebnis eines Verteidigungskrieges war. Gegenangriffe auch auf das Territorium des Aggressors sind durch das Recht auf Selbstverteidigung gedeckt. Darauf kann Russland sich aber nicht berufen.
Letztlich würde eine Legitimierung der russischen Ansprüche einen Rückfall in die Zeit vor dem Völkerrecht bedeuten. Und damit steht Russland dann doch relativ alleine. Nichts deutet darauf hin, dass das Zulassen einer Ausnahme, um dem Sterben in der Ukraine ein Ende zu setzen (wovon ich einfach mal annehme, dass alle das wollen), zu einer Befriedung führen würde. Denn während Russland gerade erst langsam die Gebiete erobert, die es bereits annektiert hat, geht in Moldau / Transnistrien bereits der nächste Konflikt nach dem gleichen Muster los. Ein Dominoeffekt ist leider weitaus wahrscheinlicher als die Rückkehr zu einem stabilen Zustand, von Frieden gar nicht zu reden.
Annexionen bringen keinen Frieden. Die wenigen Beispiele von Annexionen aus der jüngeren Vergangenheit, die keine unmittelbare Folge des 2. Weltkrieges waren, oder durch Entkolonialisierung entstandenen Leerstellen füllten empfehlen sich nicht unbedingt zur Nachahmung. Tibet ist so ein Beispiel oder Ost-Jerusalem und die Golan-Höhen. Frieden gibt es dort bis heute nicht, sondern Unruhen und massive Unterdrückung.
"Was man mit Gewalt gewinnt kann man nur mit Gewalt behalten" - dieser Satz von Gandhi drückt es ganz gut aus. Russland kann vieles erzwingen, aber die ganze Welt davon zu überzeugen, dass es die eroberten Gebiete rechtmäßig erworben hat - das dürfte schwierig werden, selbst wenn es eines Tages die Ukraine mit der Wucht seiner überlegenen Militärmacht zerquetscht haben wird.
Eine Anerkennung der Gültigkeit des russischen Rechts in den besetzten ukrainischen Gebieten im internationalen Verkehr (wie auf der Krim) ist kein konkludentes Handeln in Bezug auf die Anerkennung der Annexionen. Die faktische Kontrolle über ein Gebiet ist eine Tatsachenfrage, die Anerkennung eines Gebietsanspruchs hingegen eine Rechtsfrage. Vielleicht könnte diese Sichtweise einen Ausweg öffnen: die Ukraine (und die übrige Welt) erkennt die Annexionen nicht an, nimmt aber die faktische Kontrolle durch Russland hin und verzichtet auf eine gewaltsame Rückeroberung, ohne ihre Ansprüche aufzugeben.
https://law-journal.de/archiv/jahrgang-2018/heft-1/okkupierte-und-annektierte-gebiete/