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  • teutolith

mehr als 1000 Beiträge seit 25.03.2014

Bitte gerne

"Wer aber meint, diese Gefahr einer Ausweitung des Krieges bestehe schon, doch das müsse – für welches hehre Ziel auch immer – in Kauf genommen werden, sollte erklären können, warum es das wert ist; und warum es aus seiner Sicht der Ukraine hilft, wenn am Ende europaweit Krieg ist."

Das kann ich tun. Im Unterschied zur Ukraine kämpft Rußland nicht um sein Überleben als Nation. Putin läßt seine Soldaten für seine revanchistischen imperialen Ambitionen zu Zehntausenden auf fremder Erde verrecken. In Gefahr ist bei einem Rückzug der Russen hinter ihre eigenen Grenzen höchstens Putins Regime. Es liegt daher ganz bei ihm, ob er den Krieg ganz bewußt zu einem europaweiten Konflikt eskaliert. Er kann sich auch einfach endlich ermannen, seine zahllosen Fehleinschätzungen und strategischen Fehler einzugestehen, und den Rückzug seiner Truppen anordnen, in dieser Minute. Damit wäre der Krieg vorbei. Niemand hat vor, auf Moskau zu marschieren. Ich frage mich, warum diese naheliegende Lösung in den Äußerungen so vieler "Pazifisten" keinerlei Rolle spielt. Kann man sich tatsächlich hinstellen, den russischen Überfall aufs Schärfste verurteilen, der Ukraine zugestehen, daß sie jedes Recht hat, sich zu verteidigen, dann aber jeden als "Bellizisten" und "Kriegstreiber" diffamieren, der ihr dabei so helfen will, daß sie das auch tatsächlich tun kann?

Die Reaktion der Russen auf den Beitritt der Finnen und der Schweden zur NATO, ihr Verhalten gegenüber den Balten zeigt, daß man im Kreml ganz genau weiß, mit wem man sich anlegen kann und mit wem nicht. Die Gefahr einer Ausweitung halte ich daher nicht nur für überschaubar, ich bin auch überzeugt, daß die NATO mit dem, was von der russischen Armee noch übrig ist, innerhalb weniger Wochen den Boden wischen würde. Und ich denke, im Kreml weiß man das genauso.

Die Wortklauberei, ob "Eskalation der Waffenlieferungen" nun "Eskalation bei der Art der gelieferten Waffen" oder "Eskalation durch die Waffenlieferungen" meint, ist nur am Rande von Bedeutung. Man muß nur mal in die Foren schauen, dort wird deutlich, daß beides eine Schwächung der Ukraine, bis sie endlich "verhandlungsbereit" ist, meint. Der Aufruf will, daß die Bundesregierung die Ukraine nicht weiter aufrüstet, mit dem erklärten Ziel, sie zur Aufgabe ihres Ziels zu zwingen, das ganze Land in seinen international anerkannten Grenzen von den Invasoren zu befreien. Verklausuliert als "Kompromisse auf beiden Seiten". Was allerdings die Russen bei diesen Verhandlungen auf den Tisch legen könnten, interessiert wie immer in diesen Diskussionen und Aufrufen kein Schwein. Das nenne ich "die Ukraine aufgeben". Denn die Russen haben immer wieder öffentlich erklärt, daß sie sich nehmen werden, was sie kriegen können.

Und das ist der springende Punkt. Die zeitliche Reihenfolge legt nahe, daß man die Ukraine verraten will. Wenn man zuerst die "eskalierenden" Waffenlieferungen verringert oder einstellt, bis die Ukrainer keine Chance mehr haben, ihr gerechtes und durch das Völkerrecht gedecktes Kriegsziel der Befreiung des ganzen Landes zu erreichen, ist es zu spät. Je mehr man die Ukrainer schwächt, um sie zu faulen Kompromissen zu zwingen, desto weniger Grund gibt es für die Russen, überhaupt noch zu verhandeln. Wer soll denn verhindern, daß sie dann doch bis Kiew und weiter bis zur polnischen Grenze marschieren? Die NATO? Was für eine Deeskalation, was für ein Frieden soll das werden?

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.02.2023 18:37).

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