PsiWarrior5 schrieb am 21.02.2023 17:57:
Wenn Putin die Ukraine erobert hat, dann macht Putin weiter, bis die "historischen Gebiete" wieder alle zu Russland gehören und dazu zählt alles, was mal zum russischen Kaiserreich und zur Sowietunion gehört hat.
Die "Ausweitung des Krieges" droht also nicht nur durch eine "Eskalation der Waffenlieferungen", sondern auch dann, wenn man Putin nicht genug entgegensetzt.
Dieses Argument feiert zusammen mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine am kommenden Freitag seinen ersten Geburtstag; offenbar ist es nicht totzukriegen. Und das, obwohl es bei rechtem Lichte betrachtet durch nichts gestützt wird. Man kann weder aus russischen Propagandareden noch aus der Tatsache, dass Putin ein Nicht-NATO-Mitglied mit Krieg überzieht, schließen, dass Putin auch im Baltikum oder in ehemaligen Ostblockstaaten weitermachen würde. Denn dort würde die NATO-Beistandsklausel knallhart greifen, mit allen Konsequenzen. Es würde derjenige Fall eintreten, vor dem wir uns zwischen den 50er und 90er Jahren immer so gefürchtet haben - und der nicht eingetreten ist, weil keine Seite zuerst schießen und als Zweiter sterben wollte. Die Maßgabe war: Jede der zwei atomar bis an die Zähne bewaffneten Seiten behält ihren Einflussbereich; der kalte Krieg darf nicht heiß werden.
Als 1953 ein Volksaufstand in der DDR ausbrach, griff der Westen nicht ein. Als 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde, standen sich amerikanische und russische Panzer an der Demarkationslinie in Drohgebärde gegenüber, aber es fiel kein Schuss. Auch 1956 gab es keine westliche Hilfe für die ungarischen Freiheitskämpfer, auch die Tschechen warteten 1968 vergeblich auf Unterstützung - obwohl es verzweifelte Appelle an den Westen gegeben hatte. Der Frieden unter dem atomaren Damoklesschwert hielt, auch wenn das schreiend ungerecht gegenüber denjenigen Ländern war, die nach dem zweiten Weltkrieg über ihre Köpfe hinweg dem sowjetischen Einflussbereich zugeschlagen worden waren.
Der Westen tut heute gut daran, sein Gebiet abzustecken und einen neuen eisernen Vorhang zu ziehen. Das geschieht bereits, und es ist zu hoffen, dass Erdogan endlich seine Blockadehaltung aufgibt und Schweden und Finnland in die NATO lässt.
In der Ukraine aber ist der Krieg bereits heiß, und da gibt es einfach nur ein Riesen-Dilemma: Man hilft ja gerne, man muss aber dabei darauf achten, es nicht zu deutlich zu tun, um keinen Krieg zwischen den mit Abstand größten Atommächten der Erde zu riskieren. Im Ergebnis hält man damit einen erbarmungslosen Stellungskrieg am Laufen, der tagtäglich 1000 und mehr Opfer fordert. Kann dieses Dilemma nicht wenigstens mal akzeptiert werden? - Wir wären dann immerhin einen Schritt weiter.