JohnGeorge24 schrieb am 01.12.2024 12:40:
IN einer Gesellschaft !! Das ist mir wichtig zu betonen !!
Kulturrelativismus?
Nee. Davon halt ich nix.
Manche Dinge kann und sollte jede Kultur so halten, wie sie will, aber ob mich nun Fritz Haarmann oder Putins Soldateska umbringt, das ist beides Mord, und Mord ist in JEDER Kultur verboten.
Nein, wir liegen in Gaza und der Ukraine nicht falsch. Wir liegen dort genausowenig falsch wie Russland, China, Iran und Nordkorea. Wir formulieren unsere Interessen, suchen den gewinnbringenden Ausgleich, oder, sollte das nicht möglich sein, sie durchzusetzen, auch mit Krieg. Unsere Werte sind dabei unsere Form der hybriden Kriegsführung. Dass wir die Guten sind, glauben wir gerne, aber das glaubt die konkurrierende Gesellschaft genauso und mit dem gleichfalls gerechtfertigten Anspruch auf Gültigkeit.
Putins Vorstellungen von Richtig und Falsch sind allerdings wahnhaft.
Putins Diplomaten, Nachrichtenagenturen und Schulbuchregulierer verbreiten krasse Lügen, und Putin weiß das ganz genau. Gerade, dass er die deutsche Wiedervereinigung sowohl legal als auch legitim, sollte er als in Deutschland stationiert gewesender Offizier nun wirklich mitgekriegt haben, aber in Schulbücher lässt er das Gegenteil hineinschreiben - was daran kann man nach egal welcher Kultur rechtfertigen?
Ergo: Krieg ist möglich und notwendig, da nur so zwischen konkurrierenden Vorstellung derjenigen zur Geltung verholfen wird, die genügend Überzeugungs und dadurch Durchsetzungskraft hat.
Krieg ist möglich: Ja.
Krieg ist notwendig: NEIN.
Putin stellt sich hin und verkündet russische Größe, gespeist aus russischer Leidensfähigkeit. (Ja, tatsächlich dieses unsägliche Klischee. Völker haben auch Klischees über sich selbst.)
Er hätte die Wahl gehabt, diese Größe, so klischeehaft sie auch ist, in einer wirtschaftlichen Aufholjagd zu machen - "Marktplatz", wie du schreibst.
Er hat sich für Krieg entschieden. Auf einem Kontinent, der Marktplatz will.
Also gibt es Krieg - sobald einer Krieg führen will, lässt sich das halt nur noch durch Krieg abwehren und nicht auf dem Marktplatz.
Aber dennoch. Interessen per Krieg durchzusetzen ist ein Verbrechen, nicht einfach eine gelegentlich notwendige Aktion.
Und warum hat dies nicht funktioniert? Weil deutsche Politiker nicht selbstbewußt aufgetreten sind. Wäre Opel verkauft worden, hätte NordStream Bestand, gäbe es noch funktionierende Handelsbeziehungen, könnte man in Moskau erhobenen Hauptes durch die geöffneten Türen des Kremls gehen und auch ablehnen, an diesem demütigenden Tisch Platz zu nehmen.
Das macht für mich jetzt keinen Sinn.
Opel in russischer Hand, Gazprom in Deutschland hätte weder am russischen noch am westlichen Selbstverständnis irgendwas Wesentliches geändert.
Im Gegenteil. Die Westfirmen ziehen sich ja aus Russland zurück, die russischen Firmen waren im Westen sowieso nie konkurrenzfähig.
Natürlich gibt es Moral, aber nur die Moral des Faktischen.
Wäre das richtig, hätte man nach dem Weltkrieg nicht die deutsche Bevölkerung per Erlass zum Besuch von Kinovorstellungen gezwungen, in denen Bilder aus Auschwitz gezeigt wurden.
Das war ein - damals DRINGEND notwendiger - Weckruf. Der hat die in der Wollte gefärbten Nazis sicherlich nicht abgeholt, aber die meisten waren ja doch Mitläufer, die sich eingeredet hatten, dass sie damit nichts zu tun hatten, und die sind den Nazis aus dem Rekrutierungspool entzogen worden.
Ich halte nichts davon, nur die Moral des Faktischen anzuerkennen, weil so Sachen wie Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht kompliziert sind.