Jeydan schrieb am 30.11.2024 22:49:
Wenn wir ein vereintes Europa hätten, dann könnten wir es uns gemeinsam leisten etwas Souveräner gegenüber China und Amerika aufzutreten.
Haben wir, tun wir bereits.
Aber da wir ja nicht von unseren nationalstaatlichen klein-klein lassen können werden wir uns meiner Meinung nach bestenfalls aussuchen können ob wir zum Amerikanischen oder zum Chinesischen Imperium gehören wollen (falls wir diese Wahl überhaupt haben).
Nee, so schlimm ist es nicht.
Es ist ja ein fließender Übergang.
Wir sind selbstbewusst genug, von den Amis eine DSGVO einzufordern, wenn auch nicht stark genug, um das auch konsequent durchzusetzen - aber es hat die Amis immerhin gezwungen, so Feigenblättchen wie Safe Harbor einzuführen.
Vor 50 Jahren wäre sowas völlig undenkbar gewesen. Die Amis hätten uns ausgelacht, jetzt müssen die Verhandlungen führen.
So, wie die Amis ihr Schulsystem seit Jahrzehnten gegen die Wand fahren, hat die EU sogar Chancen, mit den USA gleichzuziehen, selbst wenn wir uns nicht enger zusammenschließen.
Aber die EU neigt doch sehr zur Konvergenz. Nach und nach kommen doch mehr und mehr Kompetenzen dorthin, einfach, weil's wirkt.
Oder weil die Notwendigkeiten zu drängend sind. Es wird wieder viel über eine EU-Armee nachgedacht, ohne den Ukrainekrieg wäre das gar nicht in Gang gekommen.
Aber ernsthaft, du stellst es dir viel, VIEL zu einfach vor das wir doch jetzt einfach mal "unsere eigenen Interessen" durchsetzten sollten. Wir sind über jahrzehntelang gewachsene Strukturen wirtschaftlich, militärisch (und ehrlicherweise auch Kulturell) mit Amerika verbunden.
Sind wir, aber die Amis sind auch von uns abhängig.
Sie BRAUCHEN die Basis in Ramstein.
Sie WOLLEN Zugang zum EU-Markt.
Die Abhängigkeit ist durchaus gegenseitig.
Auch wenn manche US-Hinterbänkler tatsächlich immer noch glauben, notfalls die ganze EU vernichten zu können.
Können sie nicht. Schon wegen Widerständen im eigenen Land nicht.
Das mit "Widerstände im eigenen Land" klingt ja auch vertraut. Es gibt halt Viele, die von der US-Anbindung profitieren.
Diese Strukturen zu zerstören ist keine kleine Sache, sondern wäre ein wirtschaftlicher und militärischer Supergau (ok, vielleicht kein Kultureller :)). Und wo sollen dann Ersatzstrukturen herkommen? Mit wem sollen wir uns dann verbandeln? Und nein, allem Nationalistengeschwätz zum Trotze geht es alleine einfach nicht mehr, zumindest nicht wenn man in der Welt mithalten will.
Sehr richtig.
Aber die Ersatzstrukturen entstehen ja gerade, wir nennen das EU.
Das ist halt ein Projekt von Jahrzehnten.
Eben weil man das - vernünftigerweise! - nicht als Supergau machen will.
Aber da wird noch mehr. Einfach, weil es so besser funktioniert als für Einzelstaaten; man braucht halt Zeit, damit die Staaten ausloten können, wie sie diese Gemeinsamkeiten gestalten wollen, ohne sich selber aufzugeben, deshalb ist das so langwierig.
Ich stimm dir in vielen Punkten zu. Ich könnte mir auch eine Reihe von Dingen vorstellen die anders besser laufen könnten. Aber wie wir nach dahinkommen sollen, ist kein einfache Frage.
Meistens geht es nicht nach Masterplan, sondern nach Möglichkeiten und konkreten Interessen.
Aber es konvergiert, selbst ohne Masterplan.
Und alles ist eigentlich aus dem Wunsch entstanden, die innereuropäischen Kriege abzuschaffen, gar nicht mal deshalb, weil man ein Gegengewicht zu den USA haben wollte.
Die Geschichte macht halt gern solche Witze.
Von daher, sei nicht zu vorschnell in deinem Urteil was "unsere Interessen" sind. Träume sind gut, aber die scheitern immer an der Realpolitik.
Volle Zustimmung.