Ich habe einen Traum.
Ich stelle mir mein kleines schwäbisches Nest (15k Einwohner) vor, was da an 3 von 4 Tagen im Jahr stromautark sich mit einem eigenen, kommunalen Kraftwerk versorgen könnte. Dieses Kraftwerk hat eine Nennleistung von 10MW, hat aber installiert 10MW Wind, 10MW Sonne und 10MW Backup (Bio)Gas und einen kleinen Pufferspeicher, um einen wind- und sonnenarmen Tag zu brücken (24 Stunden, 280MWh Speicherkapazität).
Dieses Kraftwerk ist zwar unter kommunaler Verwaltung, wird aber unter Bürgerbeteiligung gebaut, z.B. genossenschaftlich. Jedermann kann Teilhaber und Nutznießer werden, anders, als dies der Fall ist bei privaten Solaranlagen auf Dächern (nur was für Immobilienbesitzer). Jedermann kann investieren und jedermann erhält einen Anteil an den Erträgen zum Spotmarktpreis am Zähler. Statt 30c/kwh sind es dann nur noch 10c/kwh.
Dieser kleine Traum krankt natürlich an der Realität: genossenschaftlich finanzierte Kraftwerke unter kommunaler Verwaltung mit Ertragsbeteiligung für die Genossenschaftler - das klingt irgendwie nach "Volkseigentum" und obendrein auch noch nach "gemeinnützliche Einrichtung": das geht nicht. Denn die zum Naturgesetz erhobene Profitmaximierung privatwirtschaftlicher Versorger wird eingeschränkt. Aber es gibt auch eine Reihe realer Probleme.
Problem 1: Wind und Sonne sind halt nicht 24/7 gleichmäßig verfügbar. Tatsächlich herrschen in meiner Ecke an 7 von 10 Tagen "Flautewetter" - ganz ohne Wind. Und die restlichen 3 Tage entfallen größtenteils auf die Herbstzeit und sind wahlweise stürmisch oder leicht windig - die Bedingungen sind also denkbar bescheiden. Windenergie ist aus gutem Grund praktisch nicht ausgebaut in Süddeutschland: die Windlagen sind zumeist suboptimal. Hier gibt's praktisch keine Windparks wie in Norddeutschland.
Und die Sonne gibt's nur satt im Sommer, nicht aber im Winter und niemals in der Nacht.
Problem 2: Speicher ist teuer. Jede Stunde Speicher in Höhe der Nennleistung kostet fast so viel wie die Nennleistung der Erzeuger selbst (also 10MW Solarpanele und 10MWh Solarspeicher sind fast gleich teuer). Wenn man aber die Verfügbarkeit von Wind- und Sonne ein Stück weit ausgleichen wollte, reicht ein Pufferspeicher von einer Stunde nicht aus. Das absolute Minimum sind 12 Stunden, das Optimum liegt bei 24 Stunden Kapazität, zzgl. Reserve. Und das macht halt den Kombipark mit Speicher sehr, sehr teuer.
Speicher kann hier auch nur als "kurzfristig" betrachtet werden: Langfristige Speichermethoden wie etwa Wasserstofferzeugung wird nicht berücksichtigt.
Problem 3: Überproduktion von Strom ist eine Störung im Verbundnetz. Das Netz regelt ständig nach, schaltet Pumpspeicherwerke zu oder ab bzw. von Erzeugung auf Speicherung, je nachdem, wie's gerade die Netzbelastung bestellt ist. Die Grundbedarfskraftwerke sind praktisch nicht regelbar. Die schnell reagierenden Gaskraftwerke sind relativ teuer, aber können längere Verbrauchsphasen abfangen. Und für kurze Lastspitzen stehen die Pumpspeicherwerke zur Verfügung, die "einfach so" die nötige Leistung für einen kurzen Zeitraum zur Verfügung stellen können. Allerdings eben nur, wenn sie auch zuvor Energie speichern konnten.
Solar- und Windstromerzeugung ist im Grunde eine Belastung für's Verbundnetz: beides kann nicht reguliert werden und liegt mal an oder eben mal nicht. Falls zu viel Strom erzeugt wird, kann man noch die üblichen Speicher auffüllen (Pumpspeicherwerke), aber wenn die voll sind, was dann? Akkuspeicher ist teuer und langfristige Speichermöglichkeiten sind rar. Also was macht man mit dem auf einmal überflüssigen Strom? Man verschenkt ihn. Aber wenn in Deutschland Tag ist, dann auch bei den Nachbarstaaten. Die wollen den Strom auch nicht, sondern verlangen sogar Gebühren dafür. Es ist also billiger, Solaranlagen aus dem Netz zu schmeißen und Windparks stehen zu lassen, als den überflüssigen Strom irgendwo zu "verklappen". Und das verdirbt einfach die Effizienz des Ganzen.
Problem 4: die Winterzeit selbst. Von Oktober bis Ostern ist das alles nicht so lustig. Aber eigentlich geht es nur um die Monate November bis Februar - volle 4 Monate. In der Zeit ist der Himmel meist grau, die Tage sind extrem kurz und der Sonnenstand niedrig: damit fällt Solarenergie fast immer aus. Liegt dann noch Schnee auf den Panelen kommt nichts mehr durch. Und der Winter ist nicht unbedingt gesegnet vom Wind.
Nun gibt's zwei Methoden: langfristige Speicher oder ökonomisch sinnvollere Optionen wie z.B. (Bio)Gaskraftwerk als Backup. Das Backup springt dann an, wenn kein Wind anliegt, kein Solarertrag möglich ist und der Kurzzeitspeicher leergelaufen ist. Also genau so, wie's eigentlich sein sollte, wenn man pragmatisch an die Sache herangehen würde und akzeptiert, dass im Winter man nicht auf CO2-emittierende Stromerzeugung verzichten kann.
Dann könnte man aber vielleicht unsere allseits beliebte "Wärmewende" genauer betrachten und vielleicht die Abwärme als Fernwärme sekundärnutzen: dann steigt die Effizienz nochmal an. Alles in allem könnte der Energiebedarf der Gemeinde zumindest an 3 von 4 Tagen im Jahr mehr oder weniger regenerativ gedeckt werden, aber den vierten Tag muss man halt in Kauf nehmen, dass Gas verstromt wird. So what? Warum macht man das nicht?
Aus den o.g. Gründen. Es ist vor allen Dingen politisch nicht gewollt, aber auch technisch problematisch. Die ganze Idee steht und fällt effektiv mit der vierten großen Komponente, und das ist ein langfristiger Speicher. Das Backup-Kraftwerk für (Bio)Gas müsste eigentlich auch mit Wasserstoff bzw. synthetischem Erdgas laufen, etwa, indem erst Wasserstoff erzeugt wird und dann in einem Reaktor mit Kohlenstoff zu gasförmigen Kohlenwasserstoffverbindungen reagiert. Nicht nur lassen sich diese Gase leichter speichern, sie haben auch einen höheren Brennwert. Dafür ist aber die Effizienz so richtig schlecht: für jede Kilowattstunde Brennwert darf man fast 10 Kilowattstunden investieren. Gut, wenn man sowieso "zu viel Strom" produziert, ist das eigentlich egal. Aber wieviel "zu viel" will man haben?
Das Beispiel mit dem Kleinkraftwerk zur Versorgung einer Kleinstadt zeigt doch, wo die Probleme liegen. Auf dem Papier ist das schnell hingezirkelt. Mit Zahlenspiel & Statistik bekommt man das auch theoretisch zum Laufen. Und an drei von vier Tagen mag das auch wunderbar funktionieren. Der größte Saboteur nach dem politischen fehlenden Willen ist aber einfach der Winter. Keine Sonne, kein Wind, kein Strom. Auch nach über 20 Jahren "Energiewende" gibt es dafür keine Antwort. Eigentlich hätte man die letzten 20 Jahre das Geld lieber in die Speicherforschung stecken sollen, statt als Pacht den Landwirten für ein paar Windräder zu überweisen. Vielleicht hätte man statt "Gewinngarantien" lieber auf "Verpflichtungen" setzen sollen bei den privatwirtschaftlichen Energieversorgern. Vielleicht hätte man sogar die Privatisierung in dem Feld zurückdrehen müssen.
Vielleicht haben wir schlichtweg für die Profitinteressen einiger weniger die Energiewende nicht einfach nur "verpennt", sondern uns so gründlich ins Knie geschossen, dass wir am Ende des Tages die einfach nicht mehr gewuppt bekommen. Und vielleicht wäre es ein echter Kurswechsel, die Privatinteressen der Wirtschaft hier für das Allgemeinwohl zu opfern.