Auf die Frage, wo der Grund für den Niedergang der nahöstlichen Zivilisation im 13. Jahrhundert liegt, wird mit "Kolonialzeit" geantwortet.
Was ist das denn für eine Antwort? Erkennt das nicht sofort jeder mit Basiswissen in Geschichte, dass das nicht stimmen kann?
Wie wäre es, wenn man sich mal anschaut, welche Auswirkungen die Mentalität von Menschen wie al-Ghazali und Seldschuken auf den Niedergang der Zivilisation hatte?
Al-Ghazali wollte alles unislamische aus Bildungseinrichtungen in von Moslems beherrschten gebieten verbannen. Die Seldschuken sahen Bildung vermutlich als eine Bedrohung für ihre Macht (ausser Koran auswendiglernen, das geht immer). Die heutigen Moslems sind im wesentlichen mehrheitlich al-Ghazaliten.
"Mutazilite" wird von einigen Moslems als Schimpfwort verwendet. Die Mutaziliten sind quasi das Gegenteil der al-Ghazaliten. Als sie herrschten bestanden sie darauf, dass die Vernunft den Vorrang vor der Religion hat. Wenn etwas im Koran der Vernunft widerspricht, dann wird es verworfen. Das gefällt der Mehrheit der heutigen Moslems nicht.
Damals gab es ausserdem noch Strukturen der persischen Zivilisation, die nur sehr langsam durch den Islam zerstört wurden. Ohne die persische Zivilisation hätte es vermutlich nie ein "Goldenes Zeitalter" gegeben, nachdem ungebildete und unzivilisierte Raubnomaden aus Arabien die Macht in Mesopotamien an sich rissen.
Es gab im Laufe der Geschichte immer wieder ein "Sunni Revival" / "Islamic Revival" / "Islamisches Erwachen" / "Reislamisierung", wo fromme religiöse Gruppierungen anfingen, den Fortschritt zu bekämpfen, und früher oder später auch erfolgreich damit waren. Auch heute findet wieder eine solche Reislamisierung statt. Dieses mal findet dies aufgrund der besseren Vernetzung religiöser Strukturen weltweit statt.
Hier irgendwas mit "Kolonialzeit" zu begründen ist vollkommen deplatziert. Letztlich gab es in Mesopotamien und der näheren Umgebung seit 7000 Jahren (mit Beginn der sumerischen Zivilisation) durchgehend Kolonialzeiten. Es gab nur äusserst kurze Zeiträume, wo sich einzelne Völker selbst regierten. Ansonsten wurden sie immer von aussen durch Kolonialherren regiert. Z.B. durch die Osmanen.
Die Herrschaft der arabischen Raubnomaden war letztlich auch eine Kolonialzeit. Und durch die langsame Zerstörung der Überreste der persischen Zivilisation war diese besonders destruktiv. Die mesopotamische Zivilisation, die viele Jahrtausende unter verschiedenen herrschenden Ethnien bestand, wurde nachhaltig durch die islamische Herrschaft zerstört, und man kann die Auswirkungen heute noch erkennen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.10.2021 11:30).