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  • Guckstu

mehr als 1000 Beiträge seit 18.03.2024

Re: Russland bedarf einer Neubewertung der eigenen Rolle in Europa.

Aneri_2021 schrieb am 21.07.2024 18:09:

So hatte ich erkannt die Bedeutung der Medien in der Demokratie. Und leider muss ich feststellen, dass diese Säule hat nicht nur ein Riss in Fundament bekommen, sondern befindet sich nach meiner Einschätzung am Kippen.

Es gibt da auch Gegenkräfte. Die Faktenchecker sind nicht ohne Grund entstanden, der Stern hat nach der Hitler-Tagebuch-Affäre plötzlich wieder guten Journalismus gemacht, und so weiter.

Aber die Medienlandschaft ist in der Tat gefährdet, vor allem, seit Milliardäre entdeckt haben, dass sie da für relativ kleines Geld ihre Meinungen propagieren können. Hugenberg lässt grüßen.

Was geht den Begriff „Kapitalismus“ an, bin ich überzeugt, dass kapitalistische Beziehungen haben – in Gegenzug zur Planmarkt – die Eigenschaft der Selbstorganisation.

Ich ärgere mich immer ein bisschen, wenn von "Kapitalismus" die Rede ist.
Meistens ist es nur die Marktwirtschaft. Kapitalismus ist ja die Idee, dass man aus Kapital mehr Kapital erwirtschaftet, aber das ist eigentlich nicht die Triebfeder all der Probleme.
Auch die Marktwirtschaft an sich ist es nicht. Sondern diese neoliberale Idee, dass man alles marktwirtschaftlich organisieren sollte, selbst da, wo die Voraussetzungen für einen Markt gar nicht gegeben sind.

Es ist ebenfalls auch klar, dass mit Existenz eines Staates – das den Kapitalismus hervorgebracht hat -, bleibt der Planmarkt als Teil immer dabei (Regierungsaufträge, staatliche Infrastruktur). DieFrage ist eben nur, wie groß darf dieser Teil sein. Ich vermute, es gibt keine einzige für immer Lösung.

Es ist eher eine Frage, wo ist der Markt überhaupt der richtige Ansatz.
Es gibt da einiges, wo er es NICHT ist:
Überall dort, wo die Käufer die Qualität nicht beurteilen können; das trifft weite Bereiche des Medizinbetriebs.
Wenn Netzwerkeffekte wichtig werden. Die hebeln jeden Markt aus. Das betrifft Computersysteme ebenso wie Straßenbau und leitungsgebundene Infrastruktur.
Bei Gebieten, wo Macht verteilt wird. Also im Lobbyismus, in Justiz und Polizei, in gewisser Hinsicht wohl auch Schule.

Es spiegelt auch in Kenntnis der wissenschaftlichen Erfolge der SU – und zwar nach Stalin. Pionierleistungn in Raumfahrt, theoretische Physik und andere.

Immerhin fast wo viele wie deutsche Nobelpreisträger.
Ich finde das jetzt nicht sehr überzeugend.

Aber im Grunde ist das auch unwichtig. Wie gesagt: Wenn ein Genie eine Entdeckung macht, tut es das nur fünf Jahre vor dem Normalmenschen.
Es BRAUCHT kein einziges Land für wissenschaftlichen Fortschritt. Andere Länder können diese Lücke immer füllen.

Guckst nur die Liste der russischen Nobelpreisträger für Naturwissenschaft und Mathematik. Ich weiss nicht, was hier die Henne und was der Ei ist. Führt Unwissenheit zur einen herablassenden Sicht auf eine Kultur oder ist es die Ablehnung einer Kultur bzw. eines Volkes, die ein klaren Blick stört.

Die russischen Wissenschaftler sind nicht blöd! Sie leiden nur unter Unterfinanzierung und politischer Gängelung.
Aber es fehlt in Russland mittlerweile an Ingenieuren. Und die sind das Rückgrat mittelfristiger technischer Entwicklung, die Grundlagenforscher sind fürs Langfristige wichtig.

Übrigens dieses herablasendes Blick (aus deiner Erzählung) gilt nicht nur dem Russland sondern China auch. Ich würde sagen, stört mich nicht, glaubst, was du willst. Das Problem jedoch bleibt: Schätzt du falsch ein, richtest danach auch deinen Handlungen. Wenn aber deine Schätzungen falsch waren, na ja, dann greifen Evolutionsgesetze…

Die Evolutionsgesetze sind für Kulturen irrelevant.

Was betrifft asiatische Wurzeln, hast Du recht. Ich habe falsch formuliert. Ja, wie kann man es nennen? Asiatischer Zuwachs?! Jedenfalls der staatliche Körper, der ein Teil des asiatischen Kontinent ohne nennenswerten Gegenwehr absorbiert hat.

Da hast du jetzt einen verklärten Blick auf die Vergangenheit.
Das "ohne nennenswerte Gegenwehr" war nur deshalb so, weil es in Sibiren keine größeren Staaten gab und die kleineren Verbünde sich haben gegeneinander ausspielen lassen. Also genau das, was in der Kolonisierung auch geschehen ist, die Kolonialstaaten sind ja fast alle ebenfalls ohne nennenswerte Gegenwehr entstanden.

Und natürlich kennst du nur die Geschichtsschreibung der Sieger, also des Zarenreichs.
Wenn man in die Details eintaucht, stellt man fest: Die Russen haben das Land nicht integriert, sondern nur Festungen errichtet, von denen aus sie ihre Raubzüge - entschuldigung, Steuereintreiber losgeschickt haben.
Die Untertanen hatten von der russischen Hoheit nichts: Es wurden keine Straßen für die Einheimischen gebaut, keine Krankenhäuser, nichts.
Und wer nicht zahlte, wurde eben massakriert. Oder geplündert. Da wurden auch gern mal Reiterhorden aus anderen Gebieten Russlands hingeschickt zum Plündern und Morden, und dann kam die russische Regierung und sagte: Wollt ihr nicht doch lieber Schutzgeld zahlen als regelmäßig überfallen zu werden?
Das WAR Kolonisierung.

Du nennst es Kolonisierung. Na ja, da hatten diese Völker wohl Glück. Wieviel von indigener Völker hatten die Expansion der weißen Amerikaner überlebt?! Und beginnst bitte nicht über Krankheiten, die Kolonisatoren mitbrachten. Es geht um physische Ausrotung um die Territorien frei für sich zu machen.

Nee, die Krankheiten waren eher versehentlich und wären mit und ohne Herrschaft über die Einheimischen gekommen.

Aber schau bitte nicht nur auf die Indigenen in Nordamerika. Es gab Südamerika, Afrika, Asien, und als ich das letzte Mal auf China geschaut habe, waren das immer noch Chinesen, trotz Ungleicher Verträge (auch eine Form der Kolonisierung).

Und woher willst du wissen, ob die Sibirier nicht doch weitgehend getötet wurden?
Hast du Zahlen?

Ironischerweise sind die asiatischen Teile der UdSSR tatsächlich aufgewertet worden, der Kommunismus und der Real Existierende Sozialismus haben die Gleichheit Aller propagiert.
Aber die asiatischen Teilrepubliken Russlands sind immer noch das Armenhaus Russlands, dort gibt es mehr Zwangsrekrutierung und wegen der Armut auch mehr Freiwillige als, sagen wir, aus dem Oblast Mokau.
So richtig weg ist diese Kolonialstruktur nicht.

Die Verbreitung von Russen in Sibirien ähnelte eher hanseatischem Handel. Auch sie hatten erfolgreich sich seßhaft auf südliche Seite der Ostsee gemacht.

Das ist schlicht falsch. Die Hanse hat mit Einheimischen Handel getrieben, Russland hat Sibirien ohne Gegenleistung geplündert.

In diesem Zusammenhang erinnere ich an einen – deutschen – Dokumentarfilm über alte sibirische Völker. Man zeigte ihre nomadische Lebensweise. Nur eines hat mich persönlich gekrazt. Es war die Geschichte über Kinder, die wegen der Schule die Familien verlassen müssten und in Schulzeit (ausgenommen Ferien) in Bezirkzentrum in Internat leben. Der Autor war so vertieft in sein Mitleid für diese Kinder, die 2/3 Jahr fernlebten, dass ihm keine Gedanke nach freien Wahl kam. Es hat mich eigentlich entsetzt. Was will man? Die Leute in Rezervaten leben lassen oder geben ihnen eine Wahl? Für mich ist es eine rhetorische Frage.

Na ja, du ersetzt da eine Einseitigkeit durch eine andere.
Hatten die Einheimischen denn überhaupt eine Wahl?
Was für Inhalte wurden den Kindern in den Internaten beigebracht - Sowjetpropaganda oder etwas, das mit ihrer Lebenswelt zu tun hatte?

Deine Passage über Behandlung der anderen Völker in Russland als zweite Klasse entspricht nicht der Realität. Zumindestens für die kommunistische Zeit.

Na doch, weitgehend.

Auch was zaristische Russland betrifft, war es nur bedingt der Fall. Aus dem Grund, dass Sibirien ist groß, Lebensbedingungen sind schwer, so die indigener Völker könnten nicht wachsen. Sie stellten keine bzw. keine nenneswerte Konkurenz für neuen Siedler.

Siedler gab es zur Zarenzeit nicht.
In der Sowjetzeit gab es Leute, die in die Bergwerks- und Militärstädte gezogen sind. Die wurden von den Sibiriern aber getrennt gehalten, das hat miteinander nicht viel zu tun.

Gerade in sowjetische Zeit hat es geändert durch Gesundheitsversorgung. Wobei durch schulische Bildung passierte zugleich eine Selektion. Teil Indigener kehrten zurück zu ihrem Ursprung, Teil lebten irgendwie dazwischen, wurden seßhaft, heirateten Russen, blieben aber Natur nah, noch andere folgten weiterer Ausbildung und teilweise hatten großen Positionen in Russlandsbürokratie erreicht (so etwa Schoigu – ehem Verteidigungsminister, jetzt Sekretär des Sicherheitsrats).

Und ja, es gibt noch andere Völker, die schon staatenähnliche Strukturen gehabt hatten, bevor sie in zaristisches Russland integriert wurden. So etwa Tataren, den kann z.B. Elvira Nabiullina repräsentieren, die Präsidentin des russischen Nationalbank, übrigens höhstfähige Person, die den Post aus eigenen Fähigkeiten und nicht durch Quoten erreicht hat. Wenn man auch hier eine Kolonisierung sehen will, dann muss man aber auch an eigene Nase fassen. Russen scherzen, dass sie jetzt die Dekolonisierung Schotlands oder Kataloniens fordern werden. O-oh, ich glaube, da könnte man noch mehr finden, der entkolonisiert werden könnten 😉…

Da sind schon einige aufgestiegen, ja.
Ändert aber wenig daran, dass die Einheimischen immer noch im asiatischen Armenhaus leben, oder?

Nächste Ebene wäre die ehem. Republiken, die kolonisiert wurden. Das Thema möchte ich hier doch nicht anfassen. Nur eines solltest du bedenken. Wer hat Sowjet Union aufgelöst? Nicht die kleinen baltischen Republiken, nicht die asiatischen Republiken. Es war Russland, Belaruss und Ukraine. Warum wohl? Weil andere – gerade in schweren Zeiten – wurden als Ballast empfunden, weil sie nahmen mehr als gaben. Entspricht es dem Mechanismus der Verteilung: Kolonie-Zentrum? Wohl nicht…

Deine Darstellung ist so nicht richtig.
Die offizielle Beschlussfassung ist so erfolgt, aber die Zentrifugalkräfte waren in allen Teilrepubliken.
Und die Republiken sind teilweise gegen den ausdrücklichen Willen der Zentrale sezessioniert, z.B. das Baltikum.

Zuletzt, nein, vorletzt möchte ich eine These außern, die einerseits korelliert mit westlichem Wert: Vielfalt, dennoch in der Praxis wird es doch m. E. sehr eingegrenzt. Es ist meine Überzeugung: ethnische/kulturelle Vielfalt ist ein Reichtum eines Staates. Deshalb multiethnischen Staaten haben ein Potential, die kleine monogene Staaten nicht haben. USA ist ein künstlich durch Kolonisation, Sklaventum und Migration entstandene multiethnische Staat. China ist ein solches oder Indien. Russland ebenfalls. Auch Deutschland. Dieses Phänomen ist ähnlich der „Reibung“, die ich schon mal behandelte. Es kann schmerzhaft werden, es wird Lösungen fordern.

Ich bleib dabei: Vielfalt kann Synergien bewirken, ja, aber sie kann auch destruktiv sein.
Meistens ist das Ergebnis teils/teils.

Die USA sind ein klassisches Beispiel: Schwarze sind dort bis heute Bürger zweiter Klasse, und auch ein Barack Obama ändert daran nichts, und diese Unterdrückung hat den USA schrecklich geschadet in Form von Bandenkriminalität, Drogenhandel, Wertverlust bei Immobilien, Vandalismus und am meisten wohl die Vergeudung menschlichen Potenzials in Form von versperrten Bildungs- und Karrierewegen.

Andererseits sind Latinos und Chinesen dort sehr viel erfolgreicher und tragen auch sehr bei.
Weil man sie lässt.

Was also lässt dich vermuten, dass es mit den asiatischen Bürgern Russland unterm Strich gut läuft?
Einzelne Karrieristen sind kein Beleg. Du brauchst die Querschnittsdaten.

Die Achilesferse solcher Staaten ist der Ausland, der bestimmte Bevölkerungsgruppen gezielt instrumentalisiert. Für Russland z. B. islamische Radikale eine Gefahr darstellen, die aber nach Bedarf von anderen finanziert werden bzw. werden können.

Das stimmt, in Deutschland versucht die Türkei ihre Auslandstürken zu mobilisieren, Ungarns Nachbarn haben unter der Einmischung der ungarischen Regierung wegen der Auslandsungarn zu leiden.

Aber es geht eben auch ohne ausländische Einmischung, dass die Minderheiten zum Problem werden, siehe die USA mit ihren Schwarzen, die sie ums Verrecken nicht in eine produktive Situation hineinkriegen.

Jetzt wirklich das Letzte, was ich ansprechen möchte. So etwa schreibst Du: „Nee, die USA lebt nicht von Raubkriegen“. Raubkriege hast Du eingeführt. Ich meinte aber allgemein – auch egal von wem geführte – Kriege.

Es ging aber um Raubkriege.
Und dass der Westen das nicht macht, im Gegensatz z.B. zu Russland, das das sogar wird tun müssen, weil sie anders die Kosten aus dem Ukrainekrieg nicht werden tragen können.

Mein Akzent war auf militärisch-industriellen Komplex der USA, der beliefert Waffen für alle Kriegsbeteiligten und hat von dem ein Gewinn, von dem er Steuern an Staat zahlt.

Das ist für den MIK lediglich ein Zubrot.
Die richtig fetten Einnahmen kommen aus den eigenen Staatsaufträgen. Und von denen kann der MIK auch wunderbar leben.

Sicher auch andere Staaten liefern Waffen, aber der Ausmass ist anderer.

Russland stand und steht an zweiter Stelle aller Waffenexporteure.
Direkt nach den USA, aber die Russen bestreiten immerhin 16% der weltweiten Waffenexporte, die USA 40%.
Wenn man das jetzt in Bezug auf das BIP nimmt, heißt das, dass Russland einen viel höheren Anteil seines BIP exportiert als die USA...

Die Zahlenreihe endet 2022.
Ich vermute mal, die russischen Exporte sind weitgehend eingestellt, während die Amis für ihre Lieferungen in die Ukraine nochmals eine starke Steigerung haben.
Aber die Vorstellung, dass die Amis vom Waffenexport leben, stimmt viel weniger als für Russland.

Es gibt noch ein Aspekt der Kriege oder militärische Operationen von USA oder NATO, die Du überhaupt nicht wahr genommen scheinst. Leben wir in verschiedenen Welten? Nehmen wir die letzten 3 Jahrzehnten: Zuerst die Förderung der Teilung Jugoslawiens (getreu dem Motto“ Teile und herrsche“),

Da ist nichts gefördert worden.
Jugoslawien war immer ein Staat mit starken Zentrifugalkräften, der von Tito zusammengehalten wurde. Mit Titos Tod und dem Einflussverlust seiner Clique ist das alles auseinandergeflogen.

Der Westen wäre auch überhaupt nicht an sowas interessiert gewesen.
Verhandlung mit einem halben Dutzend Teilrepubliken, die sich obendrein gegenseitig teils spinnefeind sind, sind immer viel komplizierter und schwieriger als wenn man mit wenigen Größeren verhandeln muss, da muss man nur einmal Kompromisse schließen.

Ich weiß nicht so recht - woher hörst du, dass der Westen die jugoslawischen Teilrepubliken auseinanderdividiert hat?
Weil: Mit Herrschen ist ja herzlich wenig passiert, weder die Serben noch die Kosovaren scheren sich sonderlich darum, was der Westen will, und in beiden Staaten gibt es immer noch zu viele Waffenträger, die Krieg führen wollen und damit die Interessen der EU stören, die lieber Handel und ungestörte Transportwege hat.

dann Bombardement Serbiens, Afghanistan, Irak, Lybien, Syrien… Man hinterlässt die verbrannte Erde, die „failed states“, mit Millionen toten, geflüchteten, vertriebenen. Und dann moralisiert auf eigenen Sofa. Es gibt ein Spruch: Wenn Du auf jemanden zeigst, vergisst nicht, dass drei Finger auf dich selbst zeigen…

Na, wenn du mir diesen Schuh zum Anziehen hinhältst: Denk dran, der passt genauso auf deine Füße.

Was Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien angeht: Das waren ebenfalls keine Raubkriege, und um Raubkriege ging es ja. (Dass die Kriege immer mal wieder einen wirtschaftlichen Hintergrund haben: Geschenkt.)
Die Kosten für die Kriege in Afghanistan und im Irak haben die Amis übrigens dazu gebracht, den Interventionismus doch lieber bleiben zu lassen. Deshalb gibt es ja heute überhaupt die starken Strömungen gegen die Ukrainehilfe in der US-Politik: Man will einfach nicht mehr überall Krieg führen, nur weil irgendwelche US-Interessen berührt sind, sie sich durch Krieg ohnehin nicht retten lassen.

Und ja, entschuldige für die grammatische Fehler.

Kein Problem.

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