Aneri_2021 schrieb am 22.07.2024 17:14:
Guckstu schrieb am 22.07.2024 11:41:
Wo du "interessant" sagst: Du äußerst dich nicht zu den Ursachen der weitverbreiteten Armut in Sibirien. Was hindert die Sibirier daran, sich in Massen aus dieser Armut zu lösen?
Ich äußere darüber nicht, weil für mich ist es triviales Wissen.
Das ist jetzt etwas merkwürdig.
Du nimmst für dich in Anspruch, aus der Gegend zu kommen, hast die Ursachen für die Armut aber unter "trivial" abgehakt?
Das weiß eigentlich niemand über die Probleme im eigenen Land.
Und für Leute von außerhalb ist es erst Recht nicht trivial.
Ich habe schonmal erwähnt, dass nach Zusammenbruch der SU, wann staatliche Institutionen zum Teil ihre Berechtigung verloren (z.B. in ehem Republiken) hatten und neue noch nicht gebildet wurden, wann Geldverkehr zusammenbrach und Menschen (gerade Elterngeneration tat leid) haben ihre gesamte Ersparrnisse verloren, wurden wir - und das meine ich wirklich - nicht um Jahzehnte - um Jahrhunderte zurückgeworfen.
Und warum hat Russland sich nicht darum gekümmert, diese Zusammenbrüche zu beheben?
Zentralrussland hatte die Ressourcen, gleich mehrere Kriege anzuzetteln, aber keine Ressourcen dafür, diese Institutionen rasch wieder aufzubauen?
Ich meine, wenn eine Region Jahrhunderte verliert, wäre das doch die allererste Priorität, die Menschen dort wissen ja, wie es vor 10, 20 Jahren war und könnten wieder dort anknüpfen, diese Sorte Hilfe wäre doch die effektivste!
Nee, sorry, diese Geschichte macht einfach keinen Sinn.
Und die Geschichte, dass da Jahrhunderte verlorengegangen sind, ist nicht mal glaubhaft.
Das wäre ja ein Rückfall aufs Jahr 1823. Also noch vor der Revolution, tiefste Zarenzeit.
Wenn es möglich ist, dass eine Region binnen eines Jahrzehnts um so viel zurückfällt, dann war alles, was dort gewesen ist, ein mikrometerdünner Lackanstrich.
Und wie hat sich das dann geäußert? Was war nicht mehr möglich, was vor dem Zusammenbruch möglich war, also zu Sowjetzeiten?
Ich erinnere, wie ich mit litauischen Bauarbeitern mit Bus nach Litauen gefahren habe (sie mit Lohn für mehrere Monate) und uns nah litauische Grenze in Polen Räuber überfallen. Ich saß vorne und habe direkt in die feuernde Waffe gesehen. Ofiziell in Botschaft hat man gewarnt, dass keinesfalls stoppen sollte, wenn man ein Unfall sieht, es könnte eine Falle sein. Man füllte sich wie in Mittelalter mit Lagerern, die an Waldrande lauen. Damailge Anekdote, die treffend die Gegebenheiten beschrieb: Wenn du bis zum Hals in Kloacke stehst, darf den Kopf nicht sinken lassen.
Was hat denn ein Überfall in Polen mit den Verhältnissen in Sibirien zu tun?
Das wird jetzt echt absurd.
Deine Bildung spielte keien Rolle.
Ich meinte die Bildung, die die Perspektiven deiner Eltern und damit auch von dir selbst geprägt hat.
Bildungsbürgertum ist sehr, sehr, sehr weit weg von dem, was einfache Arbeiter wissen, können und was sie träumen.
Ich komme selbst aus dem Bildungsbürgertum, hatte aber einiges an Kontakt mit sehr viel bildungsferneren Menschen. Das geht schon mit ganz anderen Wertvorstellungen los.
Und ich habe immer staunend auf die Diskrepanzen gesehen, was ich selbst erlebt habe mit diesen Menschen einerseits, und was ich andererseits an Meinungen meiner Eltern gehört habe (verständnislos) und von meinen Großeltern (da gibt es keine höflichen Worte dafür, obgleich die Großeltern in jeder anderen Hinsicht wirklich feine Menschen waren, aber die hätten genauso gesprochen wie du).
Ganz andere Begabungen waren gefragt. Ick kenne auch Händler, die ihren Leben verloren haben, geschlagen bis zum Tod usw. Andrere Beispiel, den ich auch schon mal beschrieben habe: ein Bekannter, der später zum Oligarchen gewachsen hat (also Jacht für 35 Mio., privates Fluzeug etc.) hat seinem Partner in Kasachstan erzählt, dass sein Mitarbeiter ihn betrogen hatte. Nach kurzer Zeit erhielt er ein Postpaket - mit dem Kopf des Beschuldigten. So waren damals Verhältnisse. Ich bin mir sicher, hierzulande kein deutsche sich annäherend es vorstellen.
Doch, sicherlich. Das ist gar nicht weit weg von dem, wie die Mafia in Süditalien die Dinge regelt.
Akzeptabel ist das nicht, aber dass auch Inakzeptables geschieht, ist nun mal so.
Und - Achtung! - es war in Republik, die s.z. Marschalhilfen erhalten hat. Was meinst du, war damals in Russland? Ich war dort nicht seit Ende 80-er. Aber was ich gehört habe, war viel schlimmer. Ich meine in Sachen Kriminalität, Armut, Obdachlossigkeit, Kinderobdachlossigkeit usw. Es erinnerte eher an Verhältnisse nach Revolution und Bürgerkrieg. Es ist eigentlich auch die Ursache, warum Leute sich scharren um Putin. Sie erinnern noch gut was war vor ihm...
Und warum sind dann die asiatischen Republiken jetzt so viel ärmer, dass die Soldangebote hauptsächlich Menschen aus diesen Gegenden anziehen und nicht Menschen aus Moskau?
Warum werden in erster Linie Kompanien aus diesen Gegenden in die Fleischmühlen geschickt und nicht die mit Moskauer Wehrpflichtigen?
Warum sind die Quoten für diese Republiken höher als die für Moskau?
Wann ein Staat am Ende ist, dann vorhanden Infrastruktur geht kaput. Die vorher intakte Dörfe werden verlassen. Menschen wollen überleben und ziehen dort hin, wo sie Perspektive sehen. Da bleiben nur alten, die nicht gepflegte Infrastruktur geht weiter kaput usw. Ich weis nicht übrigens, wie dortzulande jetzt ist. Du schreibst über bittere Armut. Na dann muss du es besser wissen.
Ich weiß nicht, wie bitter die Armut dort ist.
Ich weiß nur, dass die asiatischen Republiken so viel ärmer sind, dass sich Leute von dort in den Krieg schicken lassen, aber nicht welche aus Moskau.
Warum?
Du bist hier der Fachmann, erklär mir das mal.