Ansicht umschalten
Avatar von jfmprof
  • jfmprof

844 Beiträge seit 24.09.2021

Re: Regimewechsel in Moskau statt in Kiew?

Du willst Putins Russland mit Nazi-Deutschland vergleichen? Ich denke, der Vergleich hinkt in so ziemlich jeder Hinsicht.

In moralischer Hinsicht schon, aber nicht unbedingt in jeder Hinsicht. Was mir in den Sinn kam, als ich Ihren Beitrag gelesen habe, war eine Stelle bei Arnold Gehlen, "Moral und Hypermoral", etwa sinngemäß und aus dem Gedächtnis: "In der Bedrängnis wird oft die Alles oder Nichts-Entscheidung gesucht, die verheerend ausgehen kann: So endete die sizilianische Expedition der Athener in den Steinbrüchen von Syrakus, so mußte Karthago in den dritten Punischen Krieg, den es nicht mehr führen wollte, und so scheiterte das glorreiche Preußen, vergeblich gegen seine Geographie ankämpfend." So etwas könnte hier auch passieren.

Dass müsste ja auch Deutschlands "Existenz" auf dem Spiel stehen, weil es Österreich, Pommern, Königsberg und noch sehr viel mehr Territorien verloren hat.

Es bedarf wohl keiner großen Erläuterungen, daß es das Deutschland des 19. Jahrhunderts nicht mehr gibt, und zwar nicht nur im Sinne bloßer Gebietsverluste.

Und es ist doch eine der wesentlichen Lehren aus den beiden Weltkriegen: Grenzen werden nicht durch militärische Aggression verschoben.

Doch. Wenn Du den Halys überschreitest, wirst Du ein großes Reich zerstören. Richtig ist hier allenfalls, daß die westliche Staatengemeinschaft in den letzten Jahren eher mit inszeniertem oder herbeigebombtem Regimewechsel bei Beibehaltung der Grenzen gearbeitet hat, ausgenommen die Zerschlagung von Jugoslawien.

Schau dir an, wie breit der Widerstand gegen Russlands international ist: nicht nur der gerne imaginierte "Westen" sondern auch Länder aus Afrika oder Asien stellen sich klar gegen Russland. Im UN-Sicherheitsrat hat z.B. auch Brasilien für eine Verurteilung Russlands gestimmt.

Die Frage ist halt, was passiert, wenn eine Atommacht sich in einer als existentielle Bedrohung empfundenen Frage in die Enge gedrängt fühlt.

Stimme dir soweit zu, dass eine Palastrevolution im Kreml derzeit wohl die wahrscheinlichste Option für einen Machtwechsel ist, langfristig wäre aber doch die bestse Option, wenn die Russen ihren Präsidenten in freien, fairen und geheimen Wahlen selber bestimmen und ihn nicht von obskuren Machzirkeln vorgesetzt bekommen, oder?

Das stimmt sicher, aber dazu müßte man erst einmal eine von beiden Seiten (Putinisten und Internationalisten) akzeptierte Wahl finden, bei der nach Möglichkeit irgendein Kandidat der Mitte siegt. Aber so wie die Dinge jetzt stehen scheint es auf eine Alles oder Nichts-Entscheidung hinauszulaufen. Wozu die Politik der NATO erheblich beigetragen hat.

(Gehlen-Zitat glaube ich etwas besser, aber noch immer aus dem Gedächtnis)

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (28.02.2022 18:07).

Bewerten
- +
Ansicht umschalten