Nein - ich beziehe das nicht auf den alternden und resignierten Stanislav Lem - einen meiner Lieblingsautoren neben Ray Bradbury, Philip K. Dick, den Gebrüdern Strugatzki und Terry Pratchett.
Ich betrachte Lem, ebenso wie die anderen oben genannten nicht als (Hardcore-)SF Autor wie Assimov oder Clarke, weil es bei ihnen eher um die Wirkung der Technik auf die Menschheit und das Individuum als um die Technik selbst geht.
Das Problem der Menschen-gemachten technischen Evolution ist ihre hohe Geschwindigkeit gegenüber der sehr langsamen biologischen Evolution. - Die Menschen und alle anderen biologischen Lebensformen kommen mit der von ihnen voran getriebenen technologischen Evolution nicht mehr mit, greifen aber immer stärker auf die Lebensbedingungen ein, denen sie auch selbst als biologische Art bzw. Lebensform unterworfen sind.
Dafür gibt Lem in diesem Interview viele Beispiele und inzwischen kennt man noch viel mehr Faktoren, die bereits interplanetare Reisen fast unmöglich machen, weil das Leben der Erde so stark an diesen Planeten angepasst ist. Nicht nur die Schwerkraft, auch der Einfluss des Mondes (etwa durch Gezeiten), der uns vor Strahlung (Sonnenwind) schützende Van-Allen Gürtel, Kontinentalverschiebung etc. etc. haben durch exakte Anpassung zu genau jenen Lebensformen geführt, welche die Erde heute besiedeln. In vergangenen Erd-Epochen wären im Umkehrschluss die meisten heute bestehenden Arten schon nicht mehr lebensfähig. Die frühe Erde hatte z.B. fast keinen Sauerstoff in der Atmosphäre, sondern wie viele andere Planeten überwiegend Methan und Kohlendioxid, Vulkane steuerten noch viel für uns giftigen Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxyd bei. Der zuerst von Schwefelbakterien erzeugte Sauerstoff bedeutete (weitestgehend) ihr Ende - man findet sie nur noch in für uns tödlichen Umgebungen der Tiefsee und in der Nähe von Vulkanen.
Wahrscheinlich werden Menschen (im Gegensatz zu den meisten SF-Geschichten) niemals zu einem anderen für Menschen wirklich "habitablen" Planeten gelangen, denn für interstellare Reisen setzt uns (nicht nur) die Lichtgeschwindigkeit Grenzen und in diesem Sonnensystem bleibt eigentlich nur der Mars als ziemlich "unwohnlicher" Ort, wo Menschen nur tief vergraben im Boden überleben können, denn Sauerstoff kann der Mars nicht halten und Strahlung (kein schützendes Magnetfeld) und Meteoriteneinschläge machen die Oberfläche zu unsicher. Mag sein, das dort irgendwann mit Terraforming, künstlichem Magnetfeld und viel CO2- Emission zwecks Treibhauseffekt mal mehr geht, dagegen bleiben aber auch die Wüste Gobi oder die Antarktis eine komfortables Habitat.
SF Romane wie Bradburys Mars-Chroniken oder Dick's Marsianischer Zeitsturz bleiben zwar gute Literatur, weil dort die Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht unrealistische technische Phantereien, aber sie machen auch Lems Resignation begreifbar, denn kein SF konnte bislang die wahre Lebensfeindlichkeit (für irdisches Leben) des Universums außerhalb der Erde beschreiben.
Auch die Geschwindigkeit und den Umfang, mit der die technische Evolution dieses einzige uns zugängliche Habitat anscheinend völlig unkontrollierbar zerstört bilden nur wenige SF-Geschichten realistisch ab.
Wir haben uns als Art mit der technologischen Evolution von der meist langsam verlaufenden natürlichen Evolution schlicht abgehängt und von uns selbst entfremdet. Wir erkennen nun nicht nur biologisch unsere Grenzen, sondern sind auf sozial und kognitiv nicht auf ein Leben angepasst, das uns unsere Technologie aufzuzwingen scheint, sind dabei den Planeten noch zu übervölkern und seine Ressourcen zu erschöpfen und haben die Grenzen unserer eigentlich recht hohen biologischen Anpassungsfähigkeit schon lange überschritten.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.08.2019 12:58).