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  • DJ Holzbank

mehr als 1000 Beiträge seit 03.09.2011

Der Mann ist ja lustig.

Putin hat den Russen über lange Zeit hinweg erzählt, alle Probleme kämen nur aus dem Ausland. Aber ich halte das für eine Entschuldigung dafür, dass wir uns selbst nicht gut verstehen, weder unsere Fehler noch unsere Stärken und unser Potenzial.

Dieses Unverständnis unserer selbst führt zu solch dummen und selbstmörderischen Schritte, obwohl das Potenzial für andere Lösungen vorhanden wäre. Es gäbe ja die Möglichkeit, unser Land für unsere Nachbarn attraktiver zu gestalten – auch, damit sie sich nicht von selbst fremden Militärblöcken anschließen, was für ja nicht vorteilhaft ist.

Auch Herrn Jundin sollte beispielsweise bekannt sein, dass Russland der Ukraine nach dem Ende der Sowjetunion brüderlich über Jahrzehnte hinweg - meiner Erinnerung nach bis 2006 - die Energieträger zum Freundschaftspreis verkauft hat.
An diesem Subventionspreis haben sich so einige "bekannte Persönlichkeiten" der Ukraine gesund gestoßen und darauf aufbauend ihr Vermögen gemacht, beispielsweise die "Gasprinzessin" Timoschenko. Diese Attraktivität des russischen Gaspreises hat aber bei den genannten ukrainischen Profiteuren nicht etwa zu größerer Liebe zu Russland geführt, bei Timoschenko könnte man glatt behaupten: im Gegenteil.
So läuft das also nicht, Herr Jundin. Internationale Politik wird nicht nach der Logik von Schönheitswettbewerben ausgetragen.

Die Amerikaner dagegen haben mit viel geringerem Aufwand - Frau Nuland sprach bekanntlich von insgesamt 5 Mrd. $ - die öffentliche bzw. eher die veröffentlichte Meinung in der Ukraine in erheblichem Maße zu ihren Gunsten gedreht, indem sie "Multiplikatoren" und Meinungsmacher vor allem in der Medienbranche (!) schlichtweg eingekauft haben (Stipendien, Grants, "Studienreisen" etc.)

Und dennoch hatten nicht einmal derartige "strategische Zuwendungen" ausgereicht, sondern vielmehr musste der "prorussische" Präsident Janukowitsch, der trotz seiner "Pro-Russischkeit" erstaunlicherweise über drei Jahre hinweg mit der EU über eine Assoziation verhandelt hatte, am Ende einfach mit Gewalt weggeputscht werden, weil er nicht spurte. (Weil sich kaum noch jemand erinnern kann: Janukowitsch wurde ein halbes Jahr vor den turnusmäßig anstehenden Präsidentschaftswahlen gestürzt. Nicht "vom ukrainischen Volk", das sich nach den Schießereien vom 20. Februar 2014 nicht auf die Straße wagte, sondern von den "Hundertschaften" sog. "Maidan-Selbstverteidigung", die kommandiert wurde vom Gründer der faschistischen Svoboda-Partei Parubij und laut der Übereinkunft mit drei "europäischen" Außenministern sich eigentlich aus Kiew ebenso hätte zurückziehen müssen, wie es die Sondereinheiten der ukrainischen Polizei dem Vertrag gehorchend taten.)

Diese historischen Tatsachen übergeht der hochqualifizierte Soziologe, weil's offenbar nicht in sein Weltbild passt, und hält so letztlich sein Publikum und sich selbst zum Narren.

Aber wir weigern uns, das Russland-Bild in der Welt ehrlich wahrzunehmen. Dabei wäre diese Analyse sehr wichtig. Wenn sich der aktuelle Wahnsinn weiter entfaltet, wird das unmöglich werden. Russland war Teil eines Imperiums, das bereits zu zerfallen begonnen hat und dann weiter zerfallen wird.

Das Russlandbild in den Weltgegenden, die Jundin für "die Welt" hält, hat sich in dem Moment erheblich verändert, als Putin 2007 in München die NATO davor gewarnt hat, sich weiter nach Osten auszudehnen und implizit eine zukünftige multipolare Welt angedeutet hat.

Jundin beklagt zurecht, dass Putin - angeblich? - alle Probleme auf's Ausland schiebe. Bei Jundin selbst dagegen erscheint das Ausland nur als eine Ansammlung unbeteiligter Zuschauer.

Ganz verrückt wird's aber, wenn Jundin die gegenwärtige Situation in Russland mit der von 1939 im Dritten Reich vergleicht. Glaubt dieser soziologische Spaßvogel wirklich, dass es 1939 an deutschen Universitäten angestellte, regimekritische deutsche Soziologie-Professoren gab, die a la Jundin dem feindlichen Ausland anti-nazistische Interviews zum laufenden Krieg geben konnten?

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.04.2022 18:37).

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