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  • Der Psychater

406 Beiträge seit 05.04.2020

Perspektive zu einseitig

Ich sehe es nicht so, dass Europa unbedingt die Ukraine in der NATO haben wollte. Schon 2008, Jahre bevor die Farbenrevolution des Maidan die ukrainische Regierung veränderte, gab es schon ukrainisches Interesse am NATO-Beitritt, was von Europa abgewiesen, auf die lange Bank geschoben wurde. Die NATO-Erweiterungen erfolgten stets auf ausdrücklichen Wunsch der jeweiligen Staaten, wobei die Regierungen den Wünschen der Bevölkerungen folgten. Selbstverständlich dienten NATO- und EU-Beitritte der Stabilität. Wenn das Baltikum, Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Kroatken, Rumänien, Bulgarien nicht diesen Weg gegangen wären, dann würden sie ökonomisch wie sicherheitspolitisch in einem desaströsen Vakuum sich befinden. Ich denke, die Vorstellung, aus Rücksichtnahme gegenüber Moskau die Anfragen nach Nitgliedschaften abzulehnen, war realpolitisch gar keine Option.

Die Ukraine war im engeren Verbund mit Moskau das Armenhaus Europas. Schwer zu sagen, welchen Anteil rein innenpolitische Gründe daran hatten, aber offensichtlich bedeutet die Verbundenheit das Gegenteil von Prosperität. Insofern ist der Wunsch nach Verbundenheit mit der EU vefständlich.

Es ging also weniger um EU-Imperialismus, sondern es ging darum, die souveränen Wünsche der Staaten zu berücksichtigen und Stabilität in Osteuropa herzustellen. Bis heute ist ein NATO-Beitritt der Ukraine völlig offen, selbst Schwedens Wunsch wird derzeit abgelehnt.

Leider gibt es heute keine fundierte Analyse, warum die Verhandlungen der EU mit der Ukraine von 2012/2013 darauf hinaus liefen, der Ukraine zu sagen, wir oder Russland. Ich hielt das damals und halte das noch stets für ein Verhandlungsdesaster. Ob es daran lag, dass die EU eine 'neutrale' Ukraine aus imperialistischen Gründen ablehnte, wie das im Text suggeriert wird, bezweifel ich.

Ebenfalls einseitig ist die Sichtweise, Moskau wäre bloß ds Opfer von NATO-Imperialismus. Die von Moskau geäußerte Ansicht, die Ukraine hätte keine Souveränität, da sie historisch ein Teil Russlands sei, ist grundsätzlich ultraimperialistisch, nicht konform mit der UN-Charta und ein permanenter Anlass für einen Krieg. In meinen Augen hat Moskau keine Ambitionen Frieden zu schließen, da sie keine Anzeichen von Mäßigung in ihren panslawistisch-imperialistischen Äußerungen zeigen. So blöde ist Moskau nun auch wieder nicht, dass sie nicht wissen, dass eine solche rhetorische Mäßigung eine Voraussetzung für Verhandlungen sind. Verhandlungen, die sie mit Kiew führen müssen, nicht mit Washington oder Brüssel. Die Weigerung Moskaus, mit Kiew zu verhandeln, führt erneut zur Negierung der Souveränität der Ukraine, was eindeutig ein Grund für diesen Krieg ist.

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