Hallo,
Rundulator schrieb am 14.07.2020 08:27:
Die offizielle Arbeitslosenrate lag im Mai bei 3,9 Prozent. Das entspricht 2,85 Millionen Menschen.
Das macht 73.07 Mio potentiell Berufstätige, dem Bruttosozialprodukt zugeordnete Menschen. Vermutlich auch Babys.
D.h. aktuell sind 70.22 millionen Menschen berufstätig.Wer rechnet da mit welchen Kennzahlen?
Die von
https://tradingeconomics.com/germany/indicators
scheinen verkehrt zu sein.Wie kommt diese Zahlen zustande?
Uups, jetzt zum Schluss sehe ich, die Inhalte kommen mal wieder aus der LMU... eine US Dependance.
Das ist ein Laden, man oh man.
Ich greife da mal ins Giftschränkchen auf meiner Festplatte. Ich bin so ein Datahorder der übelsten Sorte und habe eine grausam anzusehende Auswahl an Daten. Mglw. gibt es schon 2019er-Daten, aber ich habe erst mal nur die 2018er fertig verwurstet.
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Man sollte den monatlichen Fake News aus Nürnberg über den
Endsieg gegen die Arbeitslosen nicht unbesehen glauben.
Sehen wir doch mal in die Daten von Destatis für das letzte
angegebene Jahr, aktuell 2018:
Atypische Beschäftigung
Kernerwerbstätige nach Erwerbsformen und sonstige Erwerbstätige
Ergebnisse des Mikrozensus, in 1 000
<https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Tabellen/atyp-kernerwerb-erwerbsform-erwerbstaetige-zr.html>
Das ist ja sehr viel weniger Erwerbstätige als es die BA
damals 2018 vermeldete! Sonstige Erwerbstätige in den beiden
Spalten ganz rechts sind minijobbende Rentner (1,284 Mio.)
Schüler und Studenten (3,328 Mio.) Zieht man diese 4,482 Mio.
Nichterwerbspersonen von den 41,895 Mio. aller Erwerbstätigen
ab, so hatte man 2018 nur noch 37,282 Mio. erwerbstätige
Kernerwerbspersonen.
Aber wie viele Erwerbspersonen haben wir? Die Differenz wäre
die Arbeitslosigkeit. Dazu wird uns irgendwo auf der Seite ein
Link in die Genesis-Datenbank angeboten:
<https://www-genesis.destatis.de/genesis/online/data>
Wir klicken uns durch diese Seiten:
1 Territory, population, labour market, elections
13 Labour market
13321 Employment accounts
Das da brauchen wir: 13321 Employment accounts, auf deutsch:
Erwerbstätigenrechnung in der VGR (national)
Wir haben die Auswahl zwischen zwei Berechnungsmethoden,
einmal monatlich und einmal pro Quartal:
13321-0005 Economically active population (incl. rates of change):
Germany, months, original / seasonally adjusted values
13321-0006 Economically active population (incl. rates of change):
Germany, quarters, original / seasonally adjusted values
Im Dezember 2018 gab es etwa 46,479 Mio. Erwerbspersonen ... von
denen aber nur 41,895 Mio. ein Einkommen hatten. Die Differenz von
4,584 Mio., rund 4,6 Mio., hatte kein Erwerbseinkommen, ist also
erwerbslos und muss daher als Arbeitslose im landläufigen Sinn
betrachtet werden. Dabei ist aber zu beachten: In den Zahlen sind
auch 4,482 Mio. Nichterwerbspersonen enthalten. Rechnet man das
ganze mit nur Kernerwerbspersonen sieht das schon ganz anders aus.
41.997 Mio. Kernwerwerbspersonen
37,282 Mio. erwerbstätige Kernerwerbspersonen
4,715 Mio. erwerbslose Kernerwerbspersonen
Wir erhalten also eine ungehübschte Erwerbslosenquote von 11,2%.
Zum Vergleich die Zahlen vom Dezember 2017. Damals gab es etwa
45,616 Mio. Erwerbspersonen, von denen aber nur 41,134 Mio. auch
Kernerwerbspersonen waren. Von diesen hatten nur 37,159 Mio. ein
Einkommen. Die Differenz von 3,975 Mio., rund 4 Mio., hatte kein
Erwerbseinkommen. Die Quote war 2017 also nur 10,7%.
Das Jahr 2018 galt in den systemrelevanten Medien sogar noch als
ein gutes Jahr. Trotzdem nahm von 2017 auf 2018 die Zahl der real
Erwerbslosen von rund 4 auf rund 4,6 Mio. zu. Wie wird es da erst
bei einer echten Rezession oder Wirtschaftskrise aussehen?
Zurück zu den nackten Zahlen. Die BA berichtete doch was anderes?
Schaun wir mal ins Archiv und vergleichen ...
<https://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Arbeitsmarktberichte/Monatsberichte-Jahresberichte/Monatsberichte-Jahresberichte-Arbeits-Ausbildungsmarkt-Deutschland-Nav.html>
Arbeitsmarkt - Jahreszahlen (AMA) - Deutschland
Wähle 2018, lade PDF runter und staune ...
1.2 Entwicklung der Erwerbstätigkeit
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat die Erwerbstätigkeit
(nach dem Inlandskonzept) 1 im Jahresdurchschnitt 2018 2 um 562.000
oder 1,3 Prozent auf 44,83 Mio genommen, ...
Destatis fand aber nur 41,895 Mio.? Was ist mit den rund 2,94 Mio.
Plus in den Zahlen der BA? Das sind erwerbslose Erwerbspersonen, die
keine Arbeitslose nach SGB-III sind und daher umgebucht werden? Eine
Erwerbsperson die nicht arbeitslos ist muss doch erwerbstätig sein,
oder? So ist die Logik dahinter. Diese müssen auf die Zahl der
registrierten Arbeitslosen nach SGB III aufgeschlagen werden.
Eine Suche in den Daten der BA und Destatis zeigt ein erstmaliges
Auftauchen dieses Bilanzbetrugs 2013 mit etwa ½Mio. und danach ein
stetiges Ansteigen auf. Bis 2012 findet man diese Diskrepanz nicht
in den Daten der beiden Quellen. Bis 2012 liefen die Zahlen noch
weitgehend synchron. Aber lesen wir weiter im Bericht der BA?
4.1 Arbeitslosigkeit im Bund und in den Ländern
Im Jahresdurchschnitt 2018 waren in Deutschland 2.340.000
Menschen arbeitslos gemeldet, 193.000 oder 8 Prozent weni-
ger als vor einem Jahr.
Damit waren in den Datenbanken der BA rund 5,18 Mio. erwerbslose
Erwerbspersonen registriert? Das sind die 2,24 Mio. registrierten
Arbeitslosen nach SGB-III und die 2,94 Mio. kreativ umgebuchten
Arbeitslosen. Damit diese nicht in der Unterbeschäftigung auftauchen
gibt es viele Möglichkeiten diese aus den Zahlen zu werfen. Kein
Anspruch auf ALG-I oder -II ist da eine Möglichkeit. Man sieht hier
aber auch die ersten Probleme. Die Zahl der bei der BA gemeldeten
Erwerbslosen plus die Zahl der Erwerbstätigen Kernerwerbspersonen
ist leicht höher als die Zahl aller Kernerwerbspersonen.
41.997 Mio. Kernwerwerbspersonen nach Destatis
37,282 Mio. erwerbstätige Kernerwerbspersonen nach Destatis
5,18 Mio. Erwerbslose in der Datenbank der BA
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42,36 Mio. Kernerwerbspersonen nach BA
Das ist aber durchaus noch im Rahmen und kann als eine natürliche
Abweichung durch die verschiedenen Erfassungsmethoden betrachtet
werden. Allerdings fehlt da die stille Reserve? Diese sollte in
den Daten von Destatis enthalte sein, in denen der BA aber nicht.
Spätestens hier wird es schwierig und man erkennt die großen
Inkonsistenzen in den Zahlen, die durch den Bilanzbetrug erzeugt
werden. Wir haben also mit Sicherheit nicht alle Erwerbslosen
erfasst. Da gibt es wahrscheinlich noch einen Nachschlag.
Zum Vergleich sehen wir uns wieder die Zahlen aus dem Vorjahr an.
2017 waren in den Datenbanken der BA rund 5,2 Mio. erwerbslose
Erwerbspersonen registriert. Das sind die 2,533 Mio. registrierten
Arbeitslosen nach SGB-III und damals rund 2,67 Mio. sehr kreativ
umgebuchten Arbeitslosen. Die angebliche Verbesserung auf dem
Arbeitsmarkt war in Wirklichkeit nur eine kosmetische Umbuchung.
Das Buzzword Digitalisierung ist auch nur eine Umschreibung für
die altbekannte Rationalisierung. Und diese frisst jedes Jahr
bis zu 4½% aller Arbeitsplätzchen. Dem gegenüber entstehen durch
Wirtschaftswachstum im sehr langen Schnitt so irgendwas um die
2 bis 2½%. Bleibt also eine nachhaltige Lücke von mindestens 2%.
Die demografische Entlastung des Arbeitsmarktes liegt die letzten
Jahre irgendwo zwischen rund ½% und 1%, wenn die geburtenstarken
Jahrgänge aus dem SGB-II (Hartz-IV) in das SGB-XII (Grundsicherung
im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit) abgeschoben werden ist mit
etwas über 1% zu rechnen.Bleibt also immer noch ein Effekt von
langfristig gemittelt 1% im Jahr.
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Das sollte als kleiner Überblick ausreichen. So sah der Arbeitsmarkt bereits vor SARS-CoV-2 und die dadurch ausgelöste Panikpandemie aus. In der Weimarer Republik ist die soziale Absicherung bei 6 Mio. Erwerbslosen auf etwa 23 Mio. Erwerbspersonen gecrasht. Das entspräche bei 42 Mio. Erwerbspersonen irgendwas um die 11 Mio. Alles weiter können wir dann in den Geschochtsbüchern von morgen lesen.
MfG