prummels.com schrieb am 25.04.2021 12:02:
Manche Artikel von Stephan Schleim sind ja unterhaltsam und nicht völlig abwegig.
Dieser "Wissenschaft und Religion" Serie habe ich aber Schwierigkeiten zu folgen.
Wir können nicht beweisen, dass Gott nicht existiert. Je nach Weltanschauung hat dieser Gott diese oder jene Eigenschaften. Häufig auch innerhalb der jeweiligen Weltanschauung Eigenschaften, welche sich untereinander widersprechen. Gott wird als Begründung für jede Menge Sauereien herangezogen.
Und aus welchem Grund sollen wir nun an Gott glauben? Und an den Gott welcher Weltanschauung? Dazu kann ich keine stringente Erläuterung in den Schleim'schen Artikeln finden.
Ich habe erhebliche, gut begründete Zweifel, dass der Glauben an Gott Frieden, Freiheit und Wohlstand auf Erden schafft. Die Wissenschaften, vor allen Dingen wenn sie sich nicht vereinnahmen und instrumentalisieren lassen, leisten zu den genannten Zielen einen erheblich grösseren Beitrag.
Also nochmal: what's the point?
Intention des Artikels ist es, Religion und Wissenschaft auf einen Konflikt hin zu untersuchen. Er kommt zu dem Schluß, daß es einen solchen Konflikt nicht gibt.
Ich bin da anderer Meinung. Im Grunde genommen dreht sich die Kontroverse gar nicht nicht um die beiden Pole Religion/Wissenschaft (das hieße bei der Analyse mittendrin steckengeblieben zu sein und zwei auf unterschiedlicher Bedeutungsebene liegende Dinge vergleichen zu wollen). Es dreht sich um die ihnen zugrundeliegenden philosophischen Auffassungen über die Beschaffenheit der Welt, und die liegen so weit voneinander entfernt wie nur möglich.
Kurz: Es geht mal wieder um Deutungshoheit, und die Naturwissenschaften sollen die erforderlichen Argumente dafür liefern. Und da der Artikel sehr kritisch mit naturalistischen Anschauungen und ihren Verfechtern umgeht, die idealistischen Anschauungen dagegen unhinterfragt und unkritisiert läßt, entsteht der Eindruck, daß die Argumente letztlich dazu dienen, eine idealistische Position in ihrer Bedeutung zu erhöhen, indem man die Bedeutung naturalistischer Positionen herabstuft. Die Ironie dabei ist, daß man sich dabei ausgerechnet wissenschaftlicher Methodik als Argument bedient. Irgendwie erinnert mich das - ohne einen Bezug dazu herstellen zu wollen - an die Methode des Intelligent Design.
Der Artikel kommt wie ein Lob der Wissenschaften daher, aber ich betrachte es als ein - nicht leicht erkennbares - Lob der Religion auf Kosten anderer.
Um noch eines klarzustellen: Der Konflikt besteht nicht darin, daß gläubige Menschen nicht wissenschaftlich arbeiten könnten - von diesem Irrtum hat uns schon der höchst religiöse Newton befreit. Und deshalb sind auch Statistiken über Anzahl und Art religiösen Glaubens von Wissenschaftlern nutzlos, um diese Frage zu erörtern. Er besteht an all den Berührungspunkten, zu denen idealistische und naturalistische Positionen gegensätzliche Auffassungen haben. Die Tätigkeit der allermeisten der Wissenschaftler dürfte sich aber fernab dieser Berührungspunkte abspielen. Ein Konflikt könnte sich in einer Situation auftun, wenn ein Wissenschaftler eine Beobachtung macht, die ohne Zweifel die Verletzung eines Naturgesetzes bedeutete.
Wie könnte der religiöse Naturwissenschaftler reagieren, und wäre es dieselbe Reaktion, die man von einem nicht religiösen Naturwissenschaftler erwarten könnte, der ebenfalls anwesend war?
Und hier sind wir wieder bei meiner Interpretation der Aussage, was auf dem Grund des leergetrunkenen Bechers wartet: Das Spiegelbild der eigenen Weltanschauung.