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  • Sumari

mehr als 1000 Beiträge seit 27.01.2017

Re: Amüsant? Eher uninteressant

the observer schrieb am 26.04.2021 01:02:

Sumari schrieb am 25.04.2021 23:04:

sehr amüsant und passend zum Thema

ist folgdender Vortrag von Rupert Sheldrake:
The Science Delusion
https://www.youtube.com/watch?v=JKHUaNAxsTg

Die Gleichsetzung eines wissenschaftlichen Glaubens, wie es Sheldrake nennt, mit einem religiösen Glauben ist bereits die erste fragwürdige Behauptung. Er meint, daß dieser Glaube an eine ganz bestimmte Weltsicht, die er Materialismus nennt, ein freies, ungezwungenes Forschen nach Erkenntnissen (das doch das Lebenselixier wissenschaftlichen Bemühens darstellt) unmöglich mache.

Die Art der Plausibilisierung seiner Begründung kann nur Kopfschütteln hervorrufen. Wie kommt er zu der Behauptung, die Wissenschaftler seien der Überzeugung (eines ihrer Dogmen laute derart), das Universum sei wie eine Maschine oder maschinenartig, Tiere und Pflanzen seien wie Maschinen, wir seien Maschinen? Aus welchem verstaubten Buch aus vergangenen Jahrhunderten hat er das hervorgezogen? Hat er niemals etwas von Themen wie Emergenz, Selbsorganisation, Bewußtsein mitbekommen, mit dem sich Wissenschaftler seit langer Zeit beschäftigen?

Diese Vielfalt wissenschaftlicher Arbeit kann er freilich mit einem überkommenen Begriff wie des Materialismus nicht erfassen, und so bleibt ihm nichts weiter als diese rudimentäre Darstellung dessen, was er für Wissenschaft hält. Es wäre klüger und angebracht, den Begriff des Materialismus durch den des Naturalismus zu ersetzen und von dieser Warte aus die Diskussion zu führen.

Wer die Richtungen kennt, in die sich seine Studien bewegen, wird darüber nicht verwundert sein. Indem er die methodischen Beschränkungen, die die Wissenschaftstheorien wissenschaftlichem Arbeiten notwendigerweise auferlegen, als hinderlich abtut, ist es ihm möglich, Wissenschaftlichkeit auch solchen Gebieten wie Parapsychologie beizumessen. Mit der gleichen Begründung könnte der Umfang wissenschaftlicher Betätigung leicht auch auf Gebiete wie Astrologie oder Homöopathie driften. Und wenn wir schon so weit gegangen sind, warum nicht noch einen Schritt weiter, etwa in Richtung des Intelligent Design? Weshalb sollte man sich nicht - streng wissenschaftlich natürlich nach den neuen wissenschaflichen Regeln! - damit beschäftigen, Beweise für die Existenz eines Gottes zu suchen?

Ich fange mal von hinten an, beim 'Intelligent Design'. Nicht die Hypothese, eine bewusste Intelligenz würde in die Evolution eingreifen, lässt die Neokreationisten bekloppt aussehen, sondern dass sie empirische Daten leugnen, um die Geschichte des Lebens auf diesem Planeten an die Zeitlinie des Alten Testaments anpassen zu können.

Mir leuchtet die Theorie von der Entstehung der Arten durch ziellose Mutation und Selektion überhaupt nicht ein. Man mag damit Mikroevolution zur Anpassung an sich verändernde Biotope erklären können, aber niemals die Entstehung völlig neuer, fortpflanzungsfähiger Lebensformen. Mir leuchtet allerdings das Postulat einer in die Evolution eingreifenden Intelligenz ebenso wenig ein. Die Frage wie sich die Vielfalt der Arten auf der Erde entwickelt hat ist für mich völlig ungeklärt.

Astrologie und Homöopathie überspringe ich mal und komme direkt zur Parapsychologie. Ob man Forschung Wissenschaftlichkeit beimisst, hängt doch nicht vom Forschungsgegenstand, sondern ausschließlich von den verwendeten Methoden ab. In allen Forschungsgebieten gibt es gute und schlechte Forschung. Forschung alleine aufgrund der Forschungsgegenstandes als Unwissenschaftlich einzuordnen, entlarvt nur den Einordnenden als engstirnigen Dogmatiker, frei nach dem Motto: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet. In seinem Vortrag zielt Sheldrake gerade auf die Dogmen in den Naturwissenschaften ab und plädiert dafür diese immer wieder neu auf den Prüfstand zu stellen. So sollte Wissenschaft sein. Man kann viel von Emergenz und Autopoiese schwadronieren, wenn man etwas nicht erklären kann, und einem sonst nichts besseres einfällt. Es bleibt dann am Ende doch nur hochgestochenes Geschwafel.

Sheldrake beginnt seinen Vortrag mit den Worten:

The science delusion is the belief that science already understands the nature of reality in principle, leaving only the details to be filled in. This is a very widespread belief in our society. It's the kind of belief system of people who say "I don't believe in God, I believe in science".

Und das ist doch genau der Tenor von 80% der Kommentare zu Schleims Artikel.

Aus meiner Perspektive trifft Sheldrake damit den Nagel auf den Kopf. Anscheinend ist es nun so, dass sich viele mit dem Nagel identifizieren und so sehr über Sheldrakes Ansichten ärgern, die er sehr stringent, eloquent und amüsant darlegt, dass TEDx aufgrund von Beschwerden den Vortrag gecancelt und aus seinem YouTube-Kanal gelöscht hat.

Hätten Sheldrakes Kritiker gute Argumente, dann hätten sie das nicht nötig. Das ist "Wissenschaft" in bester Tradition von Bücherverbrennung und der Heiligen Inquisition. q.e.d.

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