Man hat sich schon damals an Trump abgearbeitet, und immer detaillierter sich mit seinem "Wahnsinn" beschäftigt. Aber die gesellschaftlichen Zustände, die zu Trump geführt haben, wurden auch nur sehr oberflächlich beleuchtet - ich vermute deswegen, weil das zu einer massiven Kritik am US-Establishment, am System geführt hätte. Gelegentlich wurden die Bevölkerungsteile des Rust-Belt genannt, deren Lebensstandard sich in den letzten Jahrzehnten deutlich reduziert hatte, und daher die Unzufriedenheit stieg. Was natürlich auf den ersten Blick voll bescheuert wirkt, wie kann man als Gegner des Establishments "aus Protest" ein Mitglied des Establishments wählen, der dann punktgenau auch als erste Hilfs-Maßnahme für den kleinen Mann, die Steuern der Superreichen nochmal gesenkt hat? Ob für diesen Mind-Gap seine Twitterrei als Erklärung reicht, halte ich für fragwürdig.
Russland wurde mit Jelzin der Plünderung durch Oligarchen, eigene und ausländische, frei gegeben - mit entsprechenden negativen Folgen. Das ging von 1991 bis 2001 so. Dann wurde Putin Präsident, der Lebensstandard der Russen verbesserte sich, die Lebenserwartung stieg - das sind nunmal banale Fakten. Und das sind die Kredits, die Putin in der russischen, und wahrscheinlich nicht nur da, Bevölkerung hat. Arbeitnehmer haben nur von kapitalistischen Strukturen einen Vorteil, wenn die Realwirtschaft, als Industrie gut brummt. Wenn Staaten, wie die USA oder England ihr Bruttoinlandsprodukt zu immer größeren Teilen mit Finanzmarkt-Spielereien aufblähen, Fantastilliarden an Börsenwerten produzieren, aber für den kleinen Mann unten bleibt nur die Inflation bei stagnierenden Löhnen, ist das Lebensstandard senken. Und wenn man schon analysieren will, um zu verstehen, dann ist das sich beschäftigen mit den Hauptprotagonisten sicher nicht unspannend, aber die Ist-Situation der Bevölkerungen dabei komplett ausblenden, wird keine sinnvollen Erkenntnisse liefern.
Ein Hitler war nur denkbar, mit der Vorgeschichte - verlorener 1. WK, Massenarbeitslosigkeit und Verelendung breiter Bevölkerungsteile, und dann irgend wann wählten die Leute so etwas. Und diese Ist-Situation bestimmt auch mit, wie diese Personen handeln, Psychogramm hin oder her. Russland will keine negative Einflussnahme auf seine Lebensverhältnisse durch den Westen, und fühlt sich bedroht durch den Westen - und handelt dann eben so. Diese Entwicklungen immer wegreden zu wollen, indem man den Hauptprotagonisten für wahnsinnig deklariert, führt doch erkenntnistheoretisch zu nix.
Es gab, und es gibt auf der Welt Interessenkonflikte in diesem System der Gewinner und Verlierer. Und irgend wann kämpfen die Verlierer dagegen, immer wieder Verlierer zu sein - wenn man das nicht ändert, wird sich auch der Rest nie ändern. Psychogramme hin oder her.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (25.04.2022 12:38).