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  • Lute

226 Beiträge seit 01.05.2012

Recht und Rasse in den USA

Ohne Zweifel repräsentiert das im Justizsystem der USA verankerte Jury-Tribunal eine archaische und arbiträre Form der Rechtsprechung.

Der eigentliche Skandal am Grand-Jury-Verfahren in Ferguson findet sich allerdings in den außergerichtlichen Verwicklungen der Anklage, die sich bis in die Anhörung fortsetzten.

Der Zweck einer Grand Jury im US-Justizsystem besteht einzig und allein in der Entscheidung, ob ein Fall überhaupt erst vor einem ordentlichen Gericht zur Verhandlung kommt. Die Staatsanwaltschaft hat den Juroren dazu sämtliche Fakten zu präsentieren, die einen hinreichenden Verdacht ("probable cause“) für eine Anklage ergeben.

Was vor einer Grand Jury nichts zu suchen hat sind die für den Fall relevanten Beweise in ihrer Gänze, da es sich hier noch nicht um die eigentliche Gerichtsverhandlung handelt. So genügt es bereits, wenn ein einziger Zeuge eine gegensätzliche Aussage zum Tathergang tätigt, um pro Anklage zu entscheiden. Ein Erscheinen des Täters im Zeugenstand hingegen hat vor einer Grand Jury nichts verloren.

Skandal #1
Jedoch genau das passierte in Ferguson. Der anklagende Staatsanwalt Robert P. McCulloch lud, entgegen jeglicher Prozessnormen, den unter Tatverdacht stehenden Polizisten Darren Wilson vor, um ihn vor der Grand Jury aussagen zu lassen. Die mit einem solchen persönlichen Auftrittt entstandene emotionale Beeinflussung und mögliche Verwirrung der Juroren stellt den Grund dar, warum diese Prozedur für diese Form der Vorverhandlung ausgeschlossen ist.

Vor allem aufgrund der persönlichen Aussage Wilsons entschied die vornehmlich aus Weißen bestehende Grand Jury Fergusons, ihn nicht anzuklagen. Dabei hätte allein der Widerspruch zwischen der von Wilson durch Brown angeblich erlittenen schweren Orbitafraktur und den medizinischen Beweisfotos ausgereicht, um auf Anklage zu entscheiden.

http://cdn.abclocal.go.com/content/kabc/images/cms/410178_800x450.jpg

Skandal #2
Zudem stellte sich heraus, daß Staatsanwalt Robert P. McCulloch nicht nur Ankläger des tatverdächtigen Polizisten war sondern zugleich auch noch im Vorstand jener Organisation sitzt, die für dessen Verteidigung über $400.000 sammelte.

http://www.backstoppers.org/board.html

Die Reaktion der US Bar Association
Mittlerweile hat sich die US Bar Association eingeschaltet, ein eher außergewöhnlicher Vorgang, und ihren Einsatz für eine Bundesanklage angekündigt:

The National Bar Association is questioning how the Grand Jury, considering the evidence before them, could reach the conclusion that Darren Wilson should not be indicted and tried for the shooting death of Michael Brown. National Bar Association President Pamela J. Meanes expresses her sincere disappointment with the outcome of the Grand Jury’s decision but has made it abundantly clear that the National Bar Association stands firm and will be calling on the U.S. Department of Justice to pursue federal charges against officer Darren Wilson.

http://www.deathandtaxesmag.com/231732/national-bar-association-will-not-rest-until-michael-brown-has-justice/

Zum Rassebegriff in den USA
Zu Nowaks Satz "Eigentlich müsste sich im Jahr 2014 herumgesprochen haben, dass es keine Rassen und dementsprechend auch keinen Rassenkonflikt gibt.“ ist anzumerken, dass in der US-Gesellschaft, bis in akademische Kreise hinein, der menschliche Rassebegriff noch sehr präsent ist. Ohne widerwärtige Dreckschleudern wie den Springer-Verlag in Schutz nehmen zu wollen - der gesellschaftliche Konflikt zwischen farbigen und weißen US-Amerikanern findet in den dortigen Medien seinen Niederschlag in einer den Zeiten der Sklaverei und Segregation entlehnten Verwendung des Rassebegriffs.

Die tiefe Verankerung des Rassendenkens auch innerhalb der US-Administration zeigt sich nicht zuletzt in dem Tatbestand, dass sämtliche Polizeiprotokolle noch immer eine Zeile mit dem Vermerk „Race“ für die Rasse des Delinquenten enthalten. Desweiteren beziehen sich polizeiliche Fahndungsaufrufe stets auch auf die Rasse ("Caucasian", "African-American", "Asian-American", "Native-American") der gesuchten Personen.

One-Drop Rule
Bezüglich des Rassebegriffs als solches sei angemerkt, daß bis heute eine nicht nur in den USA verbreitete Auffassung von der Verunreinigung weißen Blutes durch schwarzes Blut existiert, die es an sich zu hinterfragen gilt. Zur Zeit der legislativ gefestigten Rassentrennung dominierte in den USA diesbezüglich das "One-Drop-Rule“.

https://en.wikipedia.org/wiki/One-drop_rule

Ein Tropfen "schwarzen“ Blutes "verunreinigt“ einen weißen Stammbaum auf alle Ewigkeit, ähnlich dem Verhältnis von einem Tropfen Öl zu Tausenden Litern Trinkwasser.

Bis heute gelten in den US-Südstaaten Personen offiziell als "African-American“, deren schwarzafrikanischer Anteil ein Achtel oder mehr beträgt; bis vor kurzem war es noch ein Sechstzehntel. In den Nordstaaten hingegen werden i.d.R. erst Personen ab einem Anteil von 25% schwarzer Vorfahren den "African Americans" zugerechnet.

Aufklärung in den USA
Nowaks Empörung bezüglich der Verwendung des Rassebegriffs im menschlichen Zusammenhang ist aus Sicht des europäischen aufgeklärten Bildungsbürgertums zwar verständlich, die USA jedoch sind weder europäisch noch sonderlich aufgeklärt. Nicht umsonst handelt es sich bei einem Großteil von US-Bildungseinrichtungen, vor allem im Hochschulbereich, um religiöse Institutionen. Von Großsektenanhängern, insbesondere Katholiken, Lutheranern oder Mormonen, bis hin zu wirren Wunderheilern wie Oral Roberts ist dort alles vertreten.

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Roman_Catholic_universities_and_colleges_in_the_United_States

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Baptist_colleges_and_universities_in_the_United_States

https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Lutheran_colleges_and_universities_in_the_United_States

Wer auf Druck konservativer Lobby- und Elternkreise Kreationismus an öffentlichen Schulen lehrt, hat mit der Segregation der Menschheit in Rassen, Exzeptionelle versus Untermenschen, eher kein Problem.

Notiz am Rande: In der Woche vor der offiziellen Amtseinführung Obamas am 20. Januar, 2009 klagte ein mir bekannter Rektor einer Grundschule im Südwesten der USA über Aufruhr unter den Eltern. Einige von ihnen hatten ihre Kinder bereits für besagten Tag im Voraus krank gemeldet, während ein weiterer Teil darauf bestand, ihre Sprösslinge nicht der Amtseinführung eines schwarzen Präsidenten (unter anderem fiel der Begriff "Nigger") wie üblich live per TV in den Klassenzimmern auszusetzen. Insgesamt bestand die Hälfte der Elternschaft auf den o.g. Maßnahmen.

Die Realität in den USA deckt sich eben eher selten mit der von der deutschen Vasallenpresse verbreiteten Fata Morgana vom "Land of the Free“, dem Marlboro Country der unbegrenzten Möglichkeiten.

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