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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Volkes Stimme könnte Recht sprechen ...

... wenn Volk denn auch objektiv richten würde. Und hier liegt der Hund begraben. Im vorliegenden Fall geht's um einen durch einen Polizisten getöteten schwarzen Jugendlichen. Afroamerikanern werden in aller Regel immer kritischer beäugt als alle anderen Ethnien (mit Ausnahme der Mexikaner vielleicht). Du kannst "Hispanic" sein oder "Asian" - du wirst nicht schlechter behandelt als ein "Caucasian". Aber wehe, du bist Afroamerikaner, dann kommt verdeckt wie offener Rassismus vor.
Eine Jury, die überwiegend nicht von farbigen Mitgliedern gestellt wird, sondern von den "Caucasians" dürfte wohl die eigenen Vorurteile mit einfließen lassen: "Der schwarze Jugendliche sei schließlich selber schuld, wenn er provozierend aufgetreten ist. Der Polizist habe ja nur seinen Job gemacht und sich verteidigt." Klar. Es traf ja nur einen Afroamerikaner. Hätte der gleiche Polizist einen Weißen über den Haufen geschossen, wäre er suspendiert, entlassen und abgeurteilt worden, in manchem Bundesstaat sogar zum Tode. Da wäre wieder eine Debatte in Gang gesetzt worden, ob die Polizei nicht zu übertriebener Gewalt neigt und warum der Mann überhaupt sterben musste.
Bei dem schwarzen Jugendlichen? "Pfft. Der hat provoziert."

So "verdeckt" ist der Rassismus nicht.

Aber wir dürfen gern vor der eigenen Haustüre kehren. Zwar gibt's keine "Volksgerichte" in Deutschland, aber wer hat noch nie ein Vorurteil in seine Handlungsweise einfließen lassen? Aus irgendeinem Grund sind bestimmte Ethnien in Deutschland kritischer beobachtet als andere. Das geht sogar soweit, dass die Rechten den Spaghat schaffen, einen in Deutschland geborenen türkischstämmigen Deutschen als "Ausländer" zu bezeichnen, den daneben stehenden Engländer aber nicht als Ausländer sehen. Aber auch die gesellschaftliche Mitte betrachtet bestimmte Ethnien mit Argusaugen - z.B. Rumänen, Bulgaren (häufige Lesart: "Zigeuner") und asoziiert bestimmte negative Eigenschaften (z.B. bandenmäßige Kriminalität) mit ihnen. Wer den falschen Glauben hat, wird genauso beäugt, da wären wir wieder bei den Türken, den Iranern, ...

Meine Theorie diesbezüglich ist die, dass neben einem bereits "eingeimpften, latenten" bzw. "selektiven" Rassismus eben auch die Medien ihr Schärflein beitragen. Je häufiger eine Ethnie in den Medien genannt wird, desto schlechter auch ihr Image. Das erklärt auch, warum eben z.B. Rumänen einen eher schlechten Stand haben, obwohl kaum einer persönlich einen Rumänen kennt! Die zweithäufigst genannte Ethnie dürften dann die Türken sein. Kaum genannt sind Russen und vollkommen irrelevant ist die Herkunft bei Franzosen, Briten, US-Amerikanern, Polen, Chinesen, Japanern, Indern usw usf - und deren Image ist praktisch makellos. Besonders bei den letztgenannten drei gab es ja eine Zeit lang eine latente Ablehnung (Chinesen: Copycats, "Schlitzaugen" usw, Japaner ähnlich, Polen: "Klaubrüder") - meinem Gefühl nach sind diese hässlichen Asoziationen inzwischen Geschichte.

Der selektive Rassismus / Xenophobie lässt sich in Deutschland noch erklären: je ähnlicher die Kultur des Einwanderers ist, desto weniger Vorurteile und Ablehnung wird er erfahren. Umgekehrt bedeutet dies, dass eine fremdartige Kultur stärker ablehnt wird. Interessanterweise sind fernöstliche Kulturen doch recht fremdartig auf den ersten Blick, trotzdem erfahren Japaner, Chinesen, Taiwaner usw kaum Ablehnung!
Die Erklärung hat also durchaus noch Schwächen. Sie trifft jedoch ohne Einschränkung zu auf Kulturen aus Nahost, verstärkt durch die Religion des Islam. Von den europäischen Nationen erfährt kaum eine Ablehnung, selbst frühere Kriegsgegner sind heute nicht negativ beleumundet. Ausnahme scheinen Rumänen, Bulgaren, Ungarn, Serben und einige andere osteuropäischen Nationalitäten zu sein, aber von unterschiedlichem Schweregrad. Auch hier also wieder "selektive Wahrnehmung", diesmal in verschiedenen Grautönen.

Nur: in den USA funktioniert es nicht, die Verschiedenartigkeit der Kultur als Grund für den selektiven Rassismus herzuholen. Der durch den Polizisten ermordete schwarze Jugendliche war US-Amerikaner. Er hatte die gleiche Sprache, die gleichen Sehnsüchte, die gleichen Ansichten, die gleiche Kultur wie seine Nachbarn. Er wurde erschossen, weil sich der Polizist von ihm bedroht gefühlt, allein, weil er von dunkler Hautfarbe war. Die "Grand Jury" hat den Polizisten von seiner Schuld freigesprochen, weil sie in ihr Urteil Vorurteile gegenüber Farbigen hat einfließen lassen. Zweimal hat Rassismus dazu geführt, dass einem schwarzen Jugendlichen und seinen Angehörigen Unrecht wiederfahren ist: erst durch den Polizisten, dann durch das Urteil.

Martin Luther King's Traum ist also gescheitert.

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Ich verzichte auf politisch korrekte Wortkonglomerate und bleib bei "schwarzem Jugendlichen", damit der Beitrag leserlich bleibt.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (26.11.2014 11:21).

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