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  • deFunes

210 Beiträge seit 04.05.2023

Hohe Anforderungen

stellt der Autor hier. Er will nicht nur die formale und eigentlich selbstverständliche Verurteilung des Hamas-Terrors, sondern auch noch Empathie. Und gleichzeitig fordert er von den deutschen Besserwissern, die ansonsten für alles eine Lösung haben auch noch, von verführerisch naheliegenden Kontextualisierungen, die immer dem Vorwurf der Relativierung ausgesetzt sind, Abstand zu nehmen.

Aber so auf Knopfdruck funktioniert Anteilnahme anscheinend nicht (mehr), und ich glaube nicht, dass das in diesem Fall nur mit latentem Antisemitismus zu tun hat, sondern eher mit einer generellen emotionalen Erschöpfung.

Jahrzehntelanges Verfolgen täglicher Nachrichten haben mich eines gelehrt: für die Politik bedeuten Menschenleben gar nichts.
Im besten Fall werden Tote ignoriert, im schlimmsten Fall werden sie geschmacklos instrumentalisiert, um die eigene Agenda zu rechtfertigen.
Jeden Tag sterben leicht vermeidbar Menschen ohne eigene Schuld. Nur sehr selektiv fordert man von den Mediennutzern deshalb Empathie ein, so auch jetzt wieder für die Opfer des Hamas-Angriffes.

Ich persönlich habe mit toten Israelis nicht mehr gemein als mit toten Syrern, Ukrainern, Russen, Kolumbianern, Libyern, Indern, Pakistanis, Kurden, Uiguren, Jemeniten, Jesiden, Afghanen, Rohingas, Sudanesen, Tibetern, Äthiopiern oder eben Palästinensern.
So viele Happy-Pillen könnte ich doch gar nicht schlucken, wenn ich all das tägliche Elend an mich ran lassen würde.

Vermutlich (hoffentlich) bin ich nicht alleine mit dieser zugegebenermaßen etwas deprimierenden emotionalen Taubheit in Bezug auf das globale Elend, aber vielleicht ist sie auch für die geistige Gesundheit notwendig. Die Zahl der Nachrichtenvermeider scheint (auch aus anderen Gründen) zuzunehmen und auf die wachsende Anzahl tendenziell pessimistischer Nachrichten reagiert die Branche mit "konstruktivem Journalismus". Verständlich, wer will schon viel Geld zahlen, um dann v.a. über Not und Elend lesen zu müssen.

Und dass sich manche professionelle Aktivisten und in der Öffentlichkeit stehende Personen für den Autor auffallend zurückhalten, mag auch der Erfahrung geschuldet sein, dass es vermiente Themenfelder gibt, wo man auf jeden Fall aneckt, egal was man sagt.

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