Erst teilt man die Welt in "Fühlis" und rationale Denker ein, um sich dann selbst ganz selbstverständlich der zweiten Gruppe zu zuzurechnen und ein Gespräch mit "Fühlis" von vornherein für sinnlos zu erklären, weil die ja meinen Argumenten nicht folgen ("fehlende Einsicht" - natürlich nur auf er Gegenseite). Das klingt für mich eher nach klassischer Rechthaberei und kommt aus der gleichen Ecke, aus der auch das "Mansplaining" kommt. Papi erklärt den durch zu softe Erziehung und zu viel Wohlstand zurückgebliebenen 20-40 jährigen (schon wieder so ein Klischee) mal wie die Welt wirklich funktioniert.
Als nächstes definiert man den Begriff der "emotionalen Intelligenz" um (bzw. verkürzt ihn auf einen einzelnen Punkt), damit er zur Argumentation passt. Zur Erinnerung: Emotionale Intelligenz (nach D. Golemann) meint nicht nur die Fähigkeit, eigene Gefühle zu kennen und im Zaum zu halten (z.B. nicht zu dramatisieren oder zu verharmlosen), sondern vor allem auch die Empathie, also die Fähigkeit sich mit den Gefühlen des Gegenübers zu verbinden, sie zu respektieren und damit dem Gespräch (bzw. der ganzen Beziehung) eine konstruktive Richtung zu geben.
Ich bekomme jedenfalls eine ungefähre Ahnung davon, warum Diskussionspartner "regelrecht sauer" werden, wenn sie so von oben herab belehrt werden sollen.
Zustimmen kann ich der Bobachtung, dass Emotionalisierung und Radikalisierung Hand in Hand gehen. Wer Emotion und Intuition folgt, der zweifelt nicht und zieht gar nicht in Erwägung, dass auch der andere Recht haben könnte. Die passenden, scheinrationalen Argumente finden sich dann schon irgendwo, Gegenbeispiele werden ignoriert. Davor ist niemand sicher. Unser Hirn ist auf schnelle Bewertung hin optimiert, es belohnt den Glauben an die Unfehlbarkeit der eigenen Intuition und findet Zweifel mindestens anstrengend. Unangenehme Fragen lässt es erst zu, wenn es gar nicht mehr anders geht.