Es gibt selbst bei uns im Westen noch genügend Zeitgenossen, die politisch bis drei und sogar einige wenige, die politisch und militärisch bis fünf zählen können. Einer von letztgenannten ist General a.D. Kujat, dem es mit Perspektivwechsel nicht schwer fällt, eine Chancen-Risiko-Abwägung vorzunehmen, zumal er natürlich auch die Vorstellungen der leitenden Kombattanten einer nüchternen Würdigung unterziehen kann. Eine Schlacht, wie hier jetzt an der Festung Awdijiwika durch Russland, zu gewinnen ist kaum überraschend, weil militärisch logisch. Aber es ist nur ein Schritt vor dem nächsten. Nach Kujat gibt es sowieso keine Alternative zu Verhandlungen für einen Frieden (s. aktuelle Rede auf den Nachdenkseiten.de). Die Ukraine kann unabhängig von westlichen Waffen den Krieg militärisch nicht gewinnen, die Russen können keine Ukraine erobern und mit ausreichenden Besatzungskräften okkupiert halten und die Eskalationsstufe für den Eintritt der Nato im faktischen Sinne des dritten Weltkriegs wäre völlig abwegig, weil die Lösung der europäischen Konflikte mit konventionellen Waffen nicht erreichbar ist. Die wesentlichen Ziele Russlands unter der Führung Putins sind nach Kujat landläufig bekannt, die unqualifizierten Propagandamärchen in unseren politischen Eliten auch. Warum soll es denn nach den Erfahrungen des ersten Weltkriegs sinnvoll sein, einen sinnlosen Stellungskrieg zu manifestieren, der sich Jahre hinziehen könnte, auf beiden Seiten eine Generation junger Männer eliminiert und in der Kosten-Nutzenstruktur überhaupt keine Kalkulierbarkeit aufweist. Der globale Zug mit der Hegemonialmacht USA im Führerstand ist aus meiner Sicht zwar abgefahren, aber mit unbekanntem Zielbahnhof. Europa ist zu früh und im Übermut eingestiegen, hatte zwar Platzkarten für die erste Klasse, aber muss jetzt die Reise noch bezahlen. Clever war das nicht. Zumal die Waggons der zweiten Klasse sich noch vor Abfahrt abgekoppelt haben und diese Reisenden erst einmal überlegen wohin die Reise im globalen Süden überhaupt gehen soll.