Also, zunächst: Absolute Prozentzahlen daneben ist ja schon mal ein grober Schnitzer. Fehler misst man besser relativ. Wenn ich eine Frage habe, bei der ich weiß, die Bevölkerung ist so ungefähr halb/halb gespalten, dann finde ich, dass 40 oder 60% (also jeweils 10% daneben) immer noch eine ziemlich korrekte Schätzung ist. Wenn ich weiß, das ist eine Minderheit oder Minderheitenmeinung, und 15% sage, und es ist tatsächlich 5%, dann bin ich um den Faktor 3 daneben. Man kann sich dann 'rausreden "ich war so weit daneben, weil die so laut schreien" - aber wenn die 40% so laut schreien, dann würde ich sie doch auf "praktisch alle" schätzen, oder?
China ist auf Platz 2 gelandet, beim Ignoranzindex, d.h. die müssten eigentlich meistens sehr weit weg sein. Die Zahlen von Muslimen sind dort nicht gefragt worden, finde ich jedenfalls nicht in der Statistik. Vielleicht ist die Frage nicht durch die Zensur gekommen. Bei den anderen Fragen waren die Chinesen mehrere Mal sehr nah dran an der Wirklichkeit; wenn sie sich verschätzt haben, dann bei Fragen, in der die Gesellschaft so um die 50/50 gespalten ist (Homophobie, Sex vor der Ehe), also welche, bei der der absolute Fehler zwar ähnlich groß war wie in Gesellschaften, bei denen das eine oder andere eine kleine Minderheitenmeinung ist, aber der relative Fehler ist viel kleiner. Und Trump haben die Chinesen auch nicht völlig falsch eingeschätzt, wenn auch nicht so klar vorn wie Russland. Und dann macht man bei sowas als Durchschnitt das geometrische Mittel (Wurzel der Quadratsummen), damit ein Ausreißer eine generell gute Schätzung nicht verdirbt.
Gut, es gibt da das Sheet mit der Formel für die Genauigkeit:
https://www.ipsos-mori.com/Assets/Docs/Polls/ipsos-mori-perils-of-perception-ranking-accuracy-2016.pdf
Da wird das Delta mit sqrt(pm*(1-pm)) multipliziert, eine Funktion, die bei 50% ihr Maximum (0,5) hat, und an den Extremem abfällt. D.h. wenn ich mich bei uns um den Faktor 3 verschätze, weil ich 15% für homophob halte, es aber nur 5% sind, dann ist mein Faktor 0,3, während die Chinesen, die ihr Land 50/50 für homophob halten, und sich dabei auch um 10% verschätzen, einen Faktor von 0,5 haben.
Ne, so kann man das nicht rechnen. Dazu kommt, dass man das Level der Ignoranz auch nicht einfach am Durchschnitt der Aussagen messen kann, sondern auch die Verteilung der Antworten berücksichtigen muss. Was, wenn jeder z.B. zu Fragen wie Homophobie oder Sex vor der Ehe einfach seine eigene Meinung sagt, weil ihm seine Filterblase vorgibt, die hätte eh jeder? Dann ist das im Mittel genau die gleiche Quote, die die Bevölkerung tatsächlich hat, aber der eine Teil hat halt gesagt "Homophob? Ist hier keiner!" und der andere "Homophob? Sind wir alle!" Da wäre dann jeder Teil für sich sehr desinformiert.
Ne, die Statistik zeigt primär, dass der Statistiker nicht rechnen konnte, und ist damit für die Tonne. Bitte, liebe Statistiker: Immer Rohdaten mitliefern, und andere Leute gegenrechnen lassen.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (15.12.2016 02:35).