Der Artikel stellt leider fast ausschließlich eine reine
Meinungsäußerung dar, fast ohne jegliche journalistische
Recherche.
So sehr ich an telepolis liebe, daß sie schnell auf aktuelle
Meldungen reagiert, gibt es doch Themen,wie das vorliegende, die
für schnelle Abhandlungen nicht geeignet sind.
Weder findet in dem Artikel eine genaue Aufklärung darüber
statt, wer nach dem niederländischen Gesetz als Personenkreis
für die Anwendung von Sterbehilfe in Betracht kommt (nur
tatsächlich Sterbende, z.B. unheilbar Krebskranke im letzten
Stadium oder auch Schwerstbehinderte/chronisch Kranke) noch werden
kritische Experten befragt (hiermit meine ich nicht die Kirchen,
sondern z.B. Schmerztherapeuten, Angehörige der Hospizbewegung
etc.).
Die ganz überwiegende Zahl der Sterbewünsche resultiert aus
einer unzureichenden Versorgung mit Schmerzmedikamenten.
Interessanterweise ist trotz des lieberalen Drogenrechts der
Niederlande die dortige Schmerzmittelversorgung sehr schlecht.
Schmerztherapeuten haben immer wieder die Erfahrung gemacht (hier
beziehe ich mich u.a. auf Intervieäußerungen von Dr.Zenz,
Bergmannsheil in Bochum) das mit einer vernünftigen
Schmerzmittelversorgung auch der Wunsch zu sterben verschwindet.
Übrigens läßt sich der folgende Zustand mit den
heutigen Möglichkeiten auch vermeiden "Worin liegt der Vorzug
einer um ihre lebenserhaltende Funktion beraubten Medizin, wenn das
wimmernde Leben vor einem unausweichlichen Ende – wie heute üblich
- tage- ja wochenlang bis zur Bewusstlosigkeit narkotisiert wird?
"
Eine solche Behandlung ist allerdings etwas aufwendiger als Patienten
ruhig zustellen oder zu töten (sorry, Sterbehilfe ist ja auch ein
recht verniedlichender Ausdruck, nicht wahr?)
Die Hospizbewegung, die sich ja auch dem menschenwürdigen Sterben
verschrieben hat, steht daher auch nicht in der ersten Reihe der
Befürworter.
Leider kommt in dem Artiekl auch wieder die typische Reaktion zum
Ausdruck, eigene Ängste in den Sterbenden/Leidenden
hineinzuprojizieren und daraus den Schluß zu ziehen, eine
bestimmte Form von Leben sei nicht mehr menschenwürdig.
Apparratemedizin ist nicht per se entwürdigend, sondern
zuallererst lebensrettend und bewahrend. Vielleicht sollte man erstmal
Menschen fragen, die beatmet auf einer Intensivstation lagen, ob sie
das als entwürdigend empfunden haben. Aus eigener Erfahrung kann
ich diese Empfindung jedenfalls nicht bestätigen.
Ausdrücke wie dieser "die unwürdigen Bedingungen einer
Zwangssymbiose mit Apparaten wehren, " jagen mir jedenfalls kalte
Schauer den Rücken herunter. Hier maßt sich der Autor an, zu
entscheiden, was menschenwürdig ist und was nicht, genau das also,
was er den Kritikern des Gesetzes vorwirft.
Die Äußerung von mehrfachen Sterbewünschen kann man
doch nicht- ohne Hinterfragen- zum Anlaß nehmen, eine Tötung
vorzunehmen. Was wenn der Grund ist, daß man seinen pflegenden
Angehörigen nicht mehr zur Last fallen will? Erübrigt sich
dann nicht de Todeswunsch bei anderen sozialen Umständen? Die
Schmerzproblematik habe ich ja bereits oben erwähnt.
Besonders ärgerlich an dem Artikel ist jedoch dieser Satz:
"Darf es dabei vom Zufall oder vom Geldbeutel abhängen, ob
sich einer rechtzeitig bei einer Gesellschaft für humanes Sterben
angemeldet hat, um effiziente Sterbemittel zu erhalten? "
Ich gehe davon aus, daß der Autor sich nie ernsthaft mit der
Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben befaßt hat. Diese
hat Zyankali (auch nicht gerade eine besonders schöne Art zu
sterben) nicht nur an unheilbar Kranke, die im Sterben liegen, sondern
auch an Schwerbehinderte abgegeben. Darunter auch an Schwerbehinderte
die noch gar nicht die Zeit hatten sich mit den neuen
Lebensumständen zu arrangieren, mit Lebensumständen, unter
denen tausende zufriedene und erfüllte Leben führen
können. Ich kann nur hoffen, daß der Autor dies nicht auch
noch für gerechtfertigt hält.
Leiden abkürzen durch die Abgabe von starken Schmerzmedikamenten
ist auch in Deutschland erlaubt. Patientenverfügungen sind
erlaubt.
Ich denke, damit ist der Weg in ein menschenwürdiges Sterben
geebnet.
Aktiver Tötung bedarf es dafür nicht.