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  • aquadraht

mehr als 1000 Beiträge seit 17.11.2000

Suche nach den Schuldigen

Hier stellt sich doch die rechtliche und kriegsvölkerrechtliche Frage, wen überhaupt eine strafrechtliche Schuld treffen könnte.

Es gibt doch bislang drei mögliche Tätergruppen:

1. Ukraine

Die hatte mehrere Luftabwehrkomplexe in der Region im Einsatz, die in der Lage waren, das Flugzeug zu beschiessen. Insgesamt waren das 26 Telar-Abschussrampen mit 104 Raketen, dazu 6 Ladefahrzeuge mit weiteren 24 Raketen und 6 Radarfahrzeuge. Ausserdem kann sich ein S-125-Luftabwehrsystem in der Region befunden haben.

2. Die Donbassmilizen

Die hatten mindestens einen - nach ukrainischen und nachträglich von denen bestätigten - Aussagen nicht einsatzfähigen Telar (in Gorlowka erbeutet). Sie haben den Ende Juni in Donezk - mit Übungsraketen ausgestattet - auch paradiert.

3. Russland

Muss natürlich rein. Die hatten die Waffensysteme, auch wenn die seit Jahren aus dem Einsatz der aktiven Streitkräfte raus waren. Nach den Bellingcat-Märchen und SBU-Fälschungen in wechselnden Versionen sollen sie einen (1!) einzelnen Telar auf abenteuerlichen Wegen ins Kampfgebiet herein- und wieder heraus geschmuggelt haben. Wozu ein solches System mit seiner sehr eingeschränkten Einsatzfähigkeit dahin gebracht worden sein soll, bleibt Bellingcats Geheimnis. Allerdings: selbst wenn Russland irrerweise solch ein System geliefert hätte, wäre es für einen Einsatz ausserhalb der Kriegsbräuche kaum strafrechtlich verantwortlich.

Rechtlich stellt sich die Frage, ob überhaupt ein strafrechtlich relevantes Handeln vorliegt. Nach der HLKO ist das beim Handeln von Militärs mit zivilen Opfern dann und nur dann der Fall, wenn Waffeneinsatz ausserhalb der Kriegsbräuche unternommen wird. Das ist der Fall bei Kriegsverbrechen. Unbeabsichtigter Schaden für Zivilisten ist deren Unglück.

Hier konzentriert sich alles auf die Frage, ob die beteiligten Konfliktparteien Kombattanten im Sinne der HLKO sind. Bei der Ukraine, selbst den Nazi-Todesschwadronen, ist das zweifelsfrei. Sie sind Teil einer von einer Regierung kommandierten Streitmacht.

Aber das trifft auch auf die Donbass-Milizen zu. Auch diese standen unter Kontrolle de fakto staatlicher Strukturen in Donezk und Lugansk, sie waren uniformiert und durch Abzeichen gekennzeichnet. Die Einheiten standen unter militärischer Führung. Das sind die wesentlichen Kriterien der HLKO für Streitkräfte, da politische Fragen wie die Anerkennung von Staaten oder Organisationen hier keine Rolle spielen.

Sicher ist nun, dass (wieder einmal, wie zuvor durch die USA, Israel, die UdSSR, die Ukraine und eine Reihe anderer Staaten) ein Zivilflugzeug abgeschossen wurde.

Nicht klar ist, wegen welcher Straftat eine zweifelhafte Untersuchungskommission ermittelt. Sicher, wenn irgendeine Partei vorsätzlich das Flugzeug abgeschossen hat, ist das vielfacher Mord. Wenn hingegen Kombattanten des Konflikts das Flugzeug irrtümlich abgeschossen haben, ist das höchstens fahrlässige Tötung durch die unmittelbar Ausführenden, und alle Militärhierarchien schirmen ihre Angehörigen da ab, wenn auch nicht immer durch massives Zeugensterben wie im Fall Itavia.

Dass die Donbassmilizen das Flugzeug nicht vorsätzlich abgeschossen haben, dürfte als sicher feststehen. Damit entfällt die Mordanklage. Dass Russland, das Land mit den derzeit besten Luftabwehrsystemen der Welt, einen solchen unvollständigen Teil eines veralteten Abwehrkomplexes auch nur geliefert haben sollte, ist schon absurd. Dass es an dem Abschuss direkt beteiligt gewesen sein soll, ist noch absurder. Ein unter russischem Befehl stehender Telar hätte sich per Richtfunk in das russische Grenzluftabwehrradar einklinken können und damit umfassend alle Flugbewegungen "sehen" können.

Die Ukraine könnte durchaus wieder einmal ein Zivilflugzeug abgeschossen haben. Im Falle eines Versehens liegt auch hier keine Straftat vor. Dass bestimmte Spuren, die die Donbassmilizen belasten sollen, vor dem Abschuss offenbar vorsätzlich gelegt wurden, lässt allerdings den Verdacht aufkommen, dass der Abschuss vorsätzlich erfolgt sein könnte. Das wäre zweifellos ein Kriegsverbrechen des Mordes an einer Vielzahl von Menschen, egal ob man sich im Ziel einer anderen zivilen Maschine geirrt hat oder nicht.

Das JIT agiert jenseits jeglicher Rechtsstaatlichkeit. Es faselt, wie auch Rutte, von "Schuldigen", nennt aber nicht die Straftat oder den Tatverdacht. Das macht aber jede rechtsstaatliche Staatsanwaltschaft. Ok, nicht in den USA, wo sich Staatsanwälte Vorwürfe aus dem Arsch ziehen und damit Schuldbekenntnisse für "geringere Vergehen", egal ob begangen oder nicht, erpressen.

a^2

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