"Für den Profit kann es sinnvoll sein, die Betriebe zu schließen: Der Markt wird bereinigt, angesichts geringer Nachfrage lassen sich Kosten vermeiden, staatliche Unterstützung kassieren und die Lohnabhängigen, mit Kurzarbeitsgeld an die Unternehmen gebunden, gleichzeitig gesundheitlich schützen, um sie dann, wenn die Wirtschaft wieder anzieht, sofort in die Produktion zurückzuholen."
Das ist kein Argument dafür, die Betriebe aufzulassen, wenn es bundesweit täglich 500 bis 1000 Tote gibt. Klar, das Kapital ist auf Arbeitende und Konsumierende angewiesen. Deswegen ist es aber kein antiautoritärer Akt, diese Menschen einfach an einem Virus sterben zu lassen.
Von einem differenzierten Blick auf die Dynamik der kapitalistischen Ökonomie angesichts der Covid-19-Maßnahmen ist aber keine Spur. Die Möglichkeiten für das Avantgardekapital, die sozialtechnische Umwälzungen weiter voranzutreiben, werden nicht erkannt und nicht verstanden.
Auch dass ist kein Argument dafür, nichts zu tun, wenn täglich 500 Menschen an einem Virus sterben und die Zahl sich weiter erhöht.
Der Markt wird tatsächlich bereinigt. Krise bedeutet immer Schwäche; wirtschaftlich, aber auch auf ideologischem und kulturellem Gebiet. Für das Avantgardekapital eröffnet sich die Chance, die "kreative Zerstörung" _ so ein Begriff von Joseph Schumpeter _ weiter voran zu reiben. (sic)
Dass es keine (physischen) Massenveranstaltungen gibt und die Digitalkonzerne davon profitieren, weil sie Anteile der Konzertbranche übernehmen werden, liegt am kapitalistischen Wettbewerb, aber nicht daran, dass das Abhalten von Massenveranstaltungen in pandemischen Zeiten eine antiautoritäre Massnahme wäre.
Der Nicht-Lockdown der Industrie und der Logistikriesen gab Amazon allerdings die Chance zur "Marktbereinigung" in ungeahntem Ausmaß. Bei einem zeitigen und "solidarischen" Lockdown der Industrie und der Logistik (so gut es eben geht), wäre dies ausgeblieben. Das Ziel der Reduktion der Infektionszahlen wäre zudem sicherlich schon jetzt erreicht und das hätte uns allen wohl mindestens einen Monat mit erheblichen Einschränkungen erspart. Insofern kommt #ZeroCovid reichlich spät.
Das Wort "solidarisch" halte ich allerdings für übertrieben. Allerdings ist "Marktbereinigung" in etwa so zynisch wie "ethnische Säuberung", denn in beiden Metaphern geht es darum, das "Schmutzige" zu entfernen.
Jedenfalls fehlen für eine differenzierende Quantisierung der genauen wirtschaftlichen Folgen bei unterschiedlichen Lockdownvarianten die mathematischen Modelle, auch bei denen, die einen solch differenzierten Blick anmahnen. Wenn man einfach nur sagen will, dass der Wettbewerb zu einer Zentralisierungstendenz des Kapitals führt - das hat Marx schon im Kapital geschrieben und er musste dafür nicht behaupten, die Parole wäre antiautoritär: "Bleiben Sie zuhause! Der Weg zur Arbeit ist weiterhin gestattet!"
Genau auf diese Alternativlosigkeit läuft es jedoch hinaus, wenn man den Ansatz von #ZeroCovid nicht ernst nimmt. Auch, wenn man den Hashtag nicht wörtlich nehmen muss, was sicherlich kaum jemand der 100.000 Unterschreibenden gemacht hat.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (16.02.2021 20:54).