Was der Bundestag während der Corona-Pandemie abgeliefert hat, ist eine bodenlose Frechheit. Allerdings hat er hier einen schon seit Jahren, vor allem während der Amtszeit Merkels bestehenden, Trend zur Degradierung der Parlamente zu reinen Abnick-Veranstaltungen im Stile der DDR-Volkskammer verstärkt.
Es ist seit Jahren so, dass die Parlamente von grundlegenden Entscheidungen ausgeschlossen werden und dass die Parlamente selbst auch keine Anstalten machen, auf die ihnen an sich zustehenden Rechte zu bestehen. Ein Großteil der Gesetzgebung ist zur EU verlagert worden und findet in Klüngelrunden zwischen dem Rat, der Kommission und der Bürokratie statt. Passen dem Rat oder der Kommission eine Entscheidung des EU-Parlaments, das hier tatsächlich Mitentscheidungsrechte hat, nicht, wird eben von der Kommission so lange ein "Trilog"-Verfahren in Gang gesetzt, bis das Parlament macht, was Kommission und Rat wollen. Gerade das EU-Parlament lässt sich gern am Nasenring durch die Manege führen und zum Bettvorleger machen, wie man letztens bei der Berufung von Flinten-Uschi zur Kommissionspräsidentin sehen konnte.
Die faktisch fehlende parlamentarische Mitwirkung wird bei EU-Rechtsakten auch nicht von den nationalen Parlamenten wahrgenommen. Die nationalen Regierungen stellen sich vor ihre Parlamente und erklären, dass man die in Klüngelrunden von den Regierungen ausgehandelten Richtlinien nun mal umsetzen müsse, da könne man nichts machen. Besonders perfide ist es, wenn dabei in den nationalen Verfassungen garantierte Grundrechte im Spiel über die Brüsseler Bande ausgehebelt werden.
In der Corona-Pandemie hätte es an sich eine wichtige Rolle für die Parlamente gegeben. Der Bundestag ist sicherlich zu behäbig, um schnell auf aktuelle Ereignisse reagieren zu können. Aber im letzten Frühsommer, als beispielsweise der Unions-Fraktionschef eine Rolle für den Bundestag einforderte, hätte sich der Bundestag diese Rolle einfach nehmen können. Während die Regierungen in Bund und Länder wie die Kaninchen vor der Schlange auf die tägichen Infektionszahlen starrten, hätte der Bundestag sich damit befassen können, welche grundsätzliche Strategie das Land im Herbst fahren wollte. Schließlich musste jedem, der nicht völlig verblödet war, klar sein, dass ein hohes Risiko bestand, dass ein Corona-Virus in der dunklen Jahreszeit leichtes Spiel haben würde. Hat man aber nicht. Man hat gejammert, von den Regierungen links liegen gelassen zu werden.
Damals, im Sommer 2020, wäre die Gelegenheit gewesen, auch über Null-Covid-Strategien¹ zu debattieren - nicht ab November, als es dafür zu spät war. Der Bundestag hat genügend Ausschüsse und kann genügend Experten hören, um so etwas strukturiert zu debattieren - und zu entscheiden.
Es wäre auch Sache des Bundestages gewesen, sämtliche von den Regierungen ergriffenen Maßnahmen gründlich zu evaluieren. Seit letztem April gibt es eine von den Exekutiven in Bund und Ländern angeordnete Maskenpflicht. Der Bundestag hätte untersuchen können, wann so etwas Sinn macht und wann nicht und die Regierungen durch entsprechende Änderungen am Infektionsschutzgesetz daran hindern können, offensichtlichen groben Unfug wie die Maskenpflicht beim Joggen in Hamburg oder undifferenzierte Verweilverbote in Parks in diversen Großstädten zu erlassen.
Aber da kam ja nichts - gar nichts. Statt dessen wurde alles abgenickt, was die Regierung eingebracht hat. Ein Highlight war für mich ein Auftritt der (inzwischen zurückgetretenen) niedersächsischen Sozialministerin, die in einer Pressekonferenz als Reaktion auf ein missliebiges Statement vom Oberverwaltungsgericht gesagt hatte, dass "wir" das Infektionsschutzgesetz ändern müssten - laut Grundgesetz werden Gesetze aber von Bundestag beschlossen, nicht von Merkels Klüngelrunde. Exemplarisch ist auch das Verhalten eines Karl Lauterbach. An sich müsste ein Abgeordneter mit einen gewissen Fachwissen wie er vor lauter Parlamentsarbeit nicht mehr aus noch ein wissen und sollte definitiv keine Zeit haben, ständig in den Talkshows und sonst bei den Medien rumzuhängen und Dünnpfiff zu labern.
Dass Abgeordneten, die schlicht ihre Arbeit nicht machen, irgendwann langweilig wird, so dass sie schräge Deals zum eigenen finanziellen Vorteil eingehen, wundert mich nicht, sondern ist eigentlich die logische Folge der (Selbst-)Entmachtung der Parlamente.
¹ JFTR: Man möge hieraus bitte nicht herauslesen, dass ich irgend welche Sympathien für Null-Covid-Strategien hätte - ich habe so etwas immer für absurd und menschenverachtend gehalten