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  • albibi

mehr als 1000 Beiträge seit 27.07.2014

Das kapitalistische Finanzsystem

Das Finanzsystem wäre rein theoretisch ein Nullsummenspiel - die
Guthaben der einen sind die Schulden der anderen - wenn nicht der
kapitalistische Aspekt des Zinses etabliert worden wäre.

Geld  wurde ursprünglich erfunden und eingeführt um beim Handel den
hemmenden, direkten Warenaustausch in zwei Teilsysteme zu zerlegen:
Aus 'Tausch Ware gegen Ware' wurde 1) 'Tausch Geld gegen Ware', 2)
'Tausch Ware gegen Geld'. (Ware sind hier sowohl Güter als auch
Dienstleistungen)

Nach der Einführung des Geldes wandelte sich mit der Zeit die Sicht
der Dinge grundlegend. Der Besitzer von Geld hatte nun ein Vermögen
(etwas vermögen, etwas können, ein Potenzial, Verfügungsgewalt über
Fähigkeiten und Dinge), also Freibriefe auf beliebige Waren und
Dienstleistungen im Rahmen eben dieses Vermögens. Das Geld
ermöglichte nun die völlig neue Option Vermögen, Können,
Verfügungsgewalt, Potenzial, etc. durch die einfache Übergabe von
Papieren auszuleihen.

Die moderne Zinstheorie erklärt nun, dass der Eigentümer des
Vermögens, wenn er dies an einen anderen ausleiht, damit zeitweilig
auf den Konsum von Waren oder Dienstleistungen verzichtet, ihm daher
eine Kompensation zustehen sollte: der Zins. Der Eigentümer des
Vermögens verzichtet zeitweilig auf sein Vermögen (idR nur auf einen
Teil davon), und erhält dafür mehr zurück als er geliehen hat. Er
erhält auf sein verliehenes Geld Zins (und damit natürlich auch
Zinseszins). 

Und nun ist etwas entscheidendes passiert: während Geld vorher rein
virtuell war, wenn alle Schulden gezahlt, alle Konten ausgeglichen
worden wäre, das Geld spurlos verschwunden wäre, bleibt nun zu jeder
Zeit ein Rest, ein Residuum. Während vorher das Geld nur den
natürlichen Warenaustausch reibungsloser gestalten sollte ist nun
Geld zu einem realen Gestaltungsfaktor geworden. Die Bedingungen des
Geldverkehrs wälzen das Wirtschaften radikal um. Der Zins erfordert,
dass das Angebot von Waren und Dienstleistungen nicht aufgrund eines
Bedarfes erhöht wird, sondern einzig aus dem Grund, damit das
Residuum, der Zins, erwirtschaftet wird.

An dieser Stelle wird das Wirtschaften um des Menschen Willen
(Ausgleich der Bedürfnisse, Fähigkeiten, Interessen der verschiedenen
Menschen untereinander) zum Tanz um das Goldene Kalb. Nicht die
Bedürfnisse der Menschen werden mehr befriedigt, sondern vorrangig
die Bedürfnisse des Geldverkehrs. 

Daraus ergibt sich das zwanghafte Wachstum unseres Wirtschaftssystems
(zwanghaftes Wachstum wurde vom Menschen eigentlich schon immer als
ungesund erkannt, siehe etwa Krebs).

Interessant auch, dass es in vielen Religionen Zinsverbote gibt.
Haben die Religionsstifter vielleicht schon damals aus schlechten
Erfahrungen gelernt gehabt?

Interessant übrigens auch, dass die Mehrheit der Menschen vorrangig
Zinsen aufbringen müssen (Menschen wie Du und ich eben, Steuern gehen
übrigens auch zu einem Teil in den "Schuldendienst", und ein großer
Teil unserer Arbeitsleistung wird zur Tilgung von Kredit und Zins
unseres Arbeitgebers verwandt, ganz abgesehen von unserem Ratenkredit
fürs Auto oder unser Hypothekenkredit, ...) während ein sehr kleiner
Teil der Menschheit unterm Strich nur Zinsen einstreicht.

Komisch, oder? Wie kommt das bloß?  Und warum wird über so eine
unübersehbare Tatsache, die sich sogar noch so einfach darstellen
lässt, nicht von morgens bis abends in "unserem" Fernsehen und
"unseren" Zeitungen und Medien diskutiert?

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