Wenn man so einen Artikel schreibt, dann besteht eine Möglichkeit darin, daß man eine klare Position bezieht. Zum Beispiel:
Das Zombiemotiv ist ein Symtom für die zunehmende Verrohung der öffentlichen Sphäre. Nicht nur in Filmen und sonstiger Popkultur, sondern auch in Mainstream-Medien und Politik.
Ein Beispiel wäre hier die US-Katastophenschutzbehörde FEMA, die es für witzig gehalten hat, das Szenario "Zombie Apokalypse" in einer Publikumsinformation durchzuspielen:
"So what do you need to do before zombies … or hurricanes or pandemics for example, actually happen? First of all, you should have an emergency kit in your house ..."
Indem man einen Gegensatz von bedrohter Zivilisation einerseits und Zombies andererseits aufbaut, leistet man einen Beitrag zur Enthumanisierung des Gegenübers, des "anderen". Auf der einen Seite sind dann "wir", die Guten, Anständigen und Leistungsfähigen. Und gegenüber stehen die "anderen", die Flüchtlinge, die Sozial"schmarotzer", die Fremden, Kranken. Die sind austauschbar, und, machen wir uns keine Illusionen, jeder von uns kann da drankommen.
Zombiefilme sind eine popkulturelle Manifestation des Sozialdarwinismus, eine Verrohung und Entschmenschlichung des Gegners, die, wie man befürchten muß, dem realen Abschlachten vorausgeht.
Entlang dieser Linie könnte man einen Artikel schreiben, und das wäre eine klare Position. Sie macht sich selbst unmißverständlich kenntlich. Sie ist genau deswegen auch angreifbar für jeden, der eine andere Meinung hat, und aus der Diskussion könnte im Idealfall eine Klärung des Sachverhalts hervorgehen.
Man kann andererseits einen Artikel auch so schreiben, wie es der Autor tut. Eine Vermischung von Phantasien, fiktiven Figuren einerseits und Realität andererseits. Es soll wohl "spielerisch" sein, dieses tentative Ernstnehmen des Phänomens "Zombie", dieses sich Umsehen, ob es wohl in unserer Wirklichkeit so etwas realiter gibt.
Teils verortet der Autor das Zombiemotiv korrekt in der Lebenswirklichkeit der Plantagensklaven (Realität), teils spielt er mit Filmelementen (Fiktion), und das mäandert im Artikel so hin und her. Das kann der Autor ganz gut: den Leser in eine Wahnwelt hinüberzulocken, wo es nicht mehr so ganz klar ist, ob Zombies ins Kino gehören oder morgens in der U-Bahn auftauchen.
Nachdem ich mich durch die Postmoderne-Diskussionen der 1990er Jahre hindurchgequält habe, weiß ich schon: unsere Lebenswelt ist durch Medien geprägt, und da macht sich schon lächerlich, wer nach der Lektüre des Artikels zu fragen wagt: "was denn nun. Gibt es nach eurer Meinung Zombies oder gibt es sie nicht. Könnt ihr euch mal ausdrücken?" "Es ist egal", schreien dann alle Eingeweihten im Chor, "aber möglich ist alles".
So ein Artikel erzeugt einen Nebelvorhang, hinter dem der Autor sich versteckt und unangreifbar macht. Dieses Verbleiben im Unklaren und Verwischten sieht "essayistisch" aus, ist aber sehr oft nur das Signal für Belanglosigkeit.
Die normale Reaktion auf einen solchen Artikel ist, daß man mit der Schulter zuckt und ihn aus der Hand legt. Und schon morgen könnte ich aus dem Gedächtnis nicht mehr sagen, was eigentlich im Artikel drin steht.
Daß man aber in einem solch trüben Nebel Elias Canettis "Masse und Macht" zitiert sieht, ein Buch, das aus dem Schmerz über millionenfaches Leid und Tod - realen Tod - entstanden ist, das, lieber Autor, das tut für einen Moment richtig weh.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (12.08.2017 08:09).