Sven Severini schrieb am 12 Jul 2001 10:42:00 +0100:
Lieber Sven,
nun platzt mir leider doch der Kragen......
>
> >"Jeder Mensch hat ein Recht auf körperliche
> Unversehrtheit"<
>
> Ja, Menschen. Es gilt aber nicht zwangsläufig für Embyos im
> Frühstadium. Das ist kein Mensch, es ist kein Leben.
Doppelt nein! Was ist Leben? Sicherlich alles, wo Zellteilung
stattfindet und die hast Du mit Sicherheit bei einem Embryo. Ergo, der
Embryo ist Leben. Und der Emvryo ist auch Mensch....aber dazu
später....
>
> >So steht es im Grundgesetz.
>
> Im Grundgesetz ist von Menschen die Rede. Dort ist aber ein Embryo
> nicht als Mensch definiert.
Das ist der Haken an der Sache. Das GG definiert den Begriff "Mensch"
überhaupt nicht. Es setzt wohl voraus, daß wir wissen, was ein Mensch
ist. In letzter Zeit scheint es allerdings so zu sein, daß wir es nicht
mehr sicher sagen können....wollen...
Das BVerfG hat in seinen beiden Abtreibungsentscheidungen hierzu
folgendes gesagt:
Es gibt in der menschlichen Entwicklung keine eindeutige Zäsur.
Vielmehr ist die menschliche Entwicklung von der ersten bis zur letzten
Zellteilung ein fließender Prozeß. Abgrenzungsversuche,
Definitionsversuche mittels Kriterien wie Bewußtsein, Intelligenz,
Empfindungsfähigkeit, Leidensfähigkeit etc. taugen leider nicht, denn
damit würde man nicht nur die Embryonen aus dem Begriff des Menschseins
ausklammern, sondern auch debile Menschen, oder Wachkomapatienten,
Menschen mit appalischem Syndrom, anderen hirnorganischen Syndromen
etc. Aiuch die Herausbildung des Gehirns taugt nichts, denn mit
Gehirnen sind nicht nur wir Menschen ausgestattet und so mancher
Menschenaffee steckt ein dreijähriges Menschenkind locker in die
Tasche.....
Das BVerfG zieht in seinen Entscheidungen kurz in Erwägung, ob die
Nidation als Kriterium des Menschseins....der Menschwerdung geeignet
sei, läßt diesen Gedanken dann aber wieder fallen und sagt, daß der
Mensch von der ersten bis zur letzten Zellteilung Mensch ist.
> Das steht höhsten so in der Bibel :)
Nein, auch in den Urteilen unseres Verfassungsgerichtes.....und das ist
sicherlich keine Bastion der kath. Kirche, wenn ich an die
Abtreibungsentscheidung, die Kruzifix-Entscheidung, die
Homo-Ehe-Entscheidung etc. denke. Ich bin übrigens Atheist und habe mit
Religion auch nichts am Hut.
> Sonst müsste man Abtreibung total verbieten, die Abtreibung von
> behinderten Kindern sowiso.
Das ist genau der Denkfehler, das Mißverständnis in dieser viel zu
emotional geführten Debatte. Wie "kretchen" weiter unten schon sagte,
gewinnt die Debatte an Qualität, wenn man sich den ethischen Problemen
stellt und dies tut man nicht, indem man einfach die Embryonen aus dem
Schutz des GG ausschließt und so der Auseinandersetzung mit unserer
Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Leben aus dem Weg geht.
Auch in der Abtreibungsentscheidung ist das BVerfG davon ausgegangen,
daß der abgetriebene Embryo ein Mensch ist und damit grundsätzlich
unter den Schutz des GG fällt. Damit besitzt er Menschenwürde und Recht
auf Leben. Andererseits sind die ebenfalls grundgesetzlich garantierten
Rechte der Frau auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung und
Menschenwürde zu beachten. Es würde die Würde einer Frau extrem
verletzen, wenn man sie zur Austragung des Kindes zwingt und sie damit
zu einer Gebärmaschine degradiert. Wir haben hier also zwei Interessen,
die sich gegenseitig ausschließen - beides zugleich geht nicht - und
für die wir einen Ausgleich finden müssen.
Ebenso verhält es sich in der Stammzellendiskussion. Auf der einen
Seite habe ich einen Embryo, der Mensch ist und der ein Recht auf Leben
hat und auf der anderen Seite habe ich die Wissenschaftsfreiheit und
das Interesse kranker Menschen an effektiver medizinischer Hilfe.
In diesem Spannungsfeld müssen wir ein Lösung finden.
Wenn ich davon ausgehe, daß der Embryo nicht nur Zellhaufen, sondern
Mensch ist, dann bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß ich gegen ES
bin. Den Embryo als Zellhaufen zu betrachten, ist in meinen Augen eine
zu reduktionistische Sichtweise, nach der im Grunde genommen jeder
Mensch nur ein Zellhaufen ist.......
Das Mißverständnis dürfte also darin liegen zu sagen, wenn der Embryo
ein Mensch ist, dann ist die ES tabu. Das sehe ich nicht so. Aufgrund
meiner Sichtweise bereitet mir die Frage dann nur größere
Kopfschmerzen......und führt durchaus zu gewissen Einschränkungen.
Beispielsweise keine Zeugung von Embryonen rein zu Forschungszwecken.
> Genetische Veränderungen sind auch nicht automatisch Verletzungen.
Meinst Du genetische Veränderungen aufgrund von natürlichen Mutationen?
Eine Verletzung im Sinne des GG setzt Verantwortung und eine
Handlungsalternative voraus.
Wenn ich Dein Haus abfakel ist es eben etwas anderes, als wenn der Ätna
dies tut. Mir könntest Du vorwerfen, daß ich die Lava nicht den
unbebauten Teil des Berghanges heruntergejagt habe, dem Ätna kann man
das nicht vorwerfen.
Sobald Du als Mensch eingreifst, bist Du für die Folgen Deines
Verhaltens verantwortlich. Es spielt keine Rolle, ob das gleiche
Ergebnis auch auf "natürliche" Weise, also ohne menschliches Zutun
eingetreten wäre. Eine Fehlgeburt ist eben etwas anderes, als eine
Abtreibung. Das eine ist Deinem Willen entzogen und das anderen
gescheiht gerade, weil Du es willst.
Meine persönliche Meinung ist, daß man weder die Wissenschaftsfreiheit
per se in Abrede stellen sollte noch das Menschsein des Embryos.
Zugegeben, das ist ein wenig anstrengender, als nur auf eines von
beidem abzustellen....
Grüße
sundiver
Lieber Sven,
nun platzt mir leider doch der Kragen......
>
> >"Jeder Mensch hat ein Recht auf körperliche
> Unversehrtheit"<
>
> Ja, Menschen. Es gilt aber nicht zwangsläufig für Embyos im
> Frühstadium. Das ist kein Mensch, es ist kein Leben.
Doppelt nein! Was ist Leben? Sicherlich alles, wo Zellteilung
stattfindet und die hast Du mit Sicherheit bei einem Embryo. Ergo, der
Embryo ist Leben. Und der Emvryo ist auch Mensch....aber dazu
später....
>
> >So steht es im Grundgesetz.
>
> Im Grundgesetz ist von Menschen die Rede. Dort ist aber ein Embryo
> nicht als Mensch definiert.
Das ist der Haken an der Sache. Das GG definiert den Begriff "Mensch"
überhaupt nicht. Es setzt wohl voraus, daß wir wissen, was ein Mensch
ist. In letzter Zeit scheint es allerdings so zu sein, daß wir es nicht
mehr sicher sagen können....wollen...
Das BVerfG hat in seinen beiden Abtreibungsentscheidungen hierzu
folgendes gesagt:
Es gibt in der menschlichen Entwicklung keine eindeutige Zäsur.
Vielmehr ist die menschliche Entwicklung von der ersten bis zur letzten
Zellteilung ein fließender Prozeß. Abgrenzungsversuche,
Definitionsversuche mittels Kriterien wie Bewußtsein, Intelligenz,
Empfindungsfähigkeit, Leidensfähigkeit etc. taugen leider nicht, denn
damit würde man nicht nur die Embryonen aus dem Begriff des Menschseins
ausklammern, sondern auch debile Menschen, oder Wachkomapatienten,
Menschen mit appalischem Syndrom, anderen hirnorganischen Syndromen
etc. Aiuch die Herausbildung des Gehirns taugt nichts, denn mit
Gehirnen sind nicht nur wir Menschen ausgestattet und so mancher
Menschenaffee steckt ein dreijähriges Menschenkind locker in die
Tasche.....
Das BVerfG zieht in seinen Entscheidungen kurz in Erwägung, ob die
Nidation als Kriterium des Menschseins....der Menschwerdung geeignet
sei, läßt diesen Gedanken dann aber wieder fallen und sagt, daß der
Mensch von der ersten bis zur letzten Zellteilung Mensch ist.
> Das steht höhsten so in der Bibel :)
Nein, auch in den Urteilen unseres Verfassungsgerichtes.....und das ist
sicherlich keine Bastion der kath. Kirche, wenn ich an die
Abtreibungsentscheidung, die Kruzifix-Entscheidung, die
Homo-Ehe-Entscheidung etc. denke. Ich bin übrigens Atheist und habe mit
Religion auch nichts am Hut.
> Sonst müsste man Abtreibung total verbieten, die Abtreibung von
> behinderten Kindern sowiso.
Das ist genau der Denkfehler, das Mißverständnis in dieser viel zu
emotional geführten Debatte. Wie "kretchen" weiter unten schon sagte,
gewinnt die Debatte an Qualität, wenn man sich den ethischen Problemen
stellt und dies tut man nicht, indem man einfach die Embryonen aus dem
Schutz des GG ausschließt und so der Auseinandersetzung mit unserer
Verantwortung gegenüber dem ungeborenen Leben aus dem Weg geht.
Auch in der Abtreibungsentscheidung ist das BVerfG davon ausgegangen,
daß der abgetriebene Embryo ein Mensch ist und damit grundsätzlich
unter den Schutz des GG fällt. Damit besitzt er Menschenwürde und Recht
auf Leben. Andererseits sind die ebenfalls grundgesetzlich garantierten
Rechte der Frau auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung und
Menschenwürde zu beachten. Es würde die Würde einer Frau extrem
verletzen, wenn man sie zur Austragung des Kindes zwingt und sie damit
zu einer Gebärmaschine degradiert. Wir haben hier also zwei Interessen,
die sich gegenseitig ausschließen - beides zugleich geht nicht - und
für die wir einen Ausgleich finden müssen.
Ebenso verhält es sich in der Stammzellendiskussion. Auf der einen
Seite habe ich einen Embryo, der Mensch ist und der ein Recht auf Leben
hat und auf der anderen Seite habe ich die Wissenschaftsfreiheit und
das Interesse kranker Menschen an effektiver medizinischer Hilfe.
In diesem Spannungsfeld müssen wir ein Lösung finden.
Wenn ich davon ausgehe, daß der Embryo nicht nur Zellhaufen, sondern
Mensch ist, dann bedeutet dies nicht zwangsläufig, daß ich gegen ES
bin. Den Embryo als Zellhaufen zu betrachten, ist in meinen Augen eine
zu reduktionistische Sichtweise, nach der im Grunde genommen jeder
Mensch nur ein Zellhaufen ist.......
Das Mißverständnis dürfte also darin liegen zu sagen, wenn der Embryo
ein Mensch ist, dann ist die ES tabu. Das sehe ich nicht so. Aufgrund
meiner Sichtweise bereitet mir die Frage dann nur größere
Kopfschmerzen......und führt durchaus zu gewissen Einschränkungen.
Beispielsweise keine Zeugung von Embryonen rein zu Forschungszwecken.
> Genetische Veränderungen sind auch nicht automatisch Verletzungen.
Meinst Du genetische Veränderungen aufgrund von natürlichen Mutationen?
Eine Verletzung im Sinne des GG setzt Verantwortung und eine
Handlungsalternative voraus.
Wenn ich Dein Haus abfakel ist es eben etwas anderes, als wenn der Ätna
dies tut. Mir könntest Du vorwerfen, daß ich die Lava nicht den
unbebauten Teil des Berghanges heruntergejagt habe, dem Ätna kann man
das nicht vorwerfen.
Sobald Du als Mensch eingreifst, bist Du für die Folgen Deines
Verhaltens verantwortlich. Es spielt keine Rolle, ob das gleiche
Ergebnis auch auf "natürliche" Weise, also ohne menschliches Zutun
eingetreten wäre. Eine Fehlgeburt ist eben etwas anderes, als eine
Abtreibung. Das eine ist Deinem Willen entzogen und das anderen
gescheiht gerade, weil Du es willst.
Meine persönliche Meinung ist, daß man weder die Wissenschaftsfreiheit
per se in Abrede stellen sollte noch das Menschsein des Embryos.
Zugegeben, das ist ein wenig anstrengender, als nur auf eines von
beidem abzustellen....
Grüße
sundiver